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Gesundheitspolitik
Schlussstrich im Gewinnspiel-Streit
BGH-Urteilsgründe: DocMorris-E-Bike-Gewinnspiel verstieß gegen HWG und Preisrecht
DocMorris hatte in besagtem Gewinnspiel als Hauptpreis ein E-Bike im Wert von 2500 Euro ausgelobt, zudem neun hochwertige elektrische Zahnbürsten. Wer teilnehmen wollte, musste ein Rezept einreichen. Die AKNR sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und klagte. In erster Instanz wies das Landgericht Frankfurt die Klage im Frühjahr 2017 ab – also nach dem Urteil des EuGH zur Rx-Preisbindung. Das Landgericht meinte, die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes müssten nun europarechtskonform ausgelegt werden – mit der Folge, dass sie hier nicht angewendet werden könnten. Die Werbung für das Gewinnspiel sei daher zulässig. Doch 2018 gab das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt dann der AKNR Recht. Es bejahte einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 HWG normierte Zuwendungsverbot und damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Es folgte die Revision von DocMorris zum BGH. Dieser beschloss Anfang 2020, den EuGH anzurufen. Schon in diesem Beschluss wurde deutlich, dass der BGH das Urteil des OLG bestätigen wollte. Doch vorher wollte er wissen, ob es mit den Bestimmungen im EU-Humanarzneimittelkodex zur Arzneimittelwerbung vereinbar ist, das deutsche Zugabeverbot in einem Fall wie dem vorliegenden anzuwenden. Der EuGH entschied daraufhin im Juli 2021: Ja, auch ausländische Versender müssen die Zugabeverbote des Heilmittelwerbegesetzes beachten, dieses stehe dem EU-Recht hier nicht entgegen.
Beratung in der Apotheke ist nicht entbehrlich
Im nun vorliegenden Urteil führen die Richter nochmals genau aus, warum das Heilmittelwerbegesetz hier zur Anwendung kommen kann und die harmonisierten europäischen Arzneimittelvorschriften dem nicht entgegenstehen. Es sind im Wesentlichen die bekannten Argumente des EuGH-Urteils aus dem vergangenen Sommer und auch des vorangegangenen BGH-Beschlusses. Dezidiert macht der 1. Zivilsenat nochmals klar, dass er dem OLG in seiner Auffassung folgt, dass die Gewinnspielwerbung „dazu verleitet, auf eine objektiv in ihrem Interesse liegende unaufgeforderte und umfassende Beratung in einer stationären Apotheke zu verzichten“. Zwar sei bei einem Rx-Arzneimittel davon auszugehen, dass der Arzt den Patienten hierzu beraten und aufgeklärt hat. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall eine zweite unaufgeforderte Beratung durch einen Apotheker entbehrlich ist“, so der BGH. Er ist überzeugt: Der Verzicht auf ein solches Beratungsangebot kann „objektiv betrachtet unvernünftig sein, wenn nach einer Beratung durch den verschreibenden Arzt Fragen offengeblieben sind“. Und so dürfe die Entscheidung des Patienten für den Bezug eines Rx-Arzneimittels „bei einer in- oder ausländischen Versandapotheke statt bei einer stationären Apotheke, die eine objektiv benötigte Beratung leisten kann, nach der Zielsetzung des Heilmittelwerbegesetzes nicht durch aleatorische Reize beeinflusst werden“.
Auch das EuGH-Urteil von 2016 stehe § 7 HWG nicht entgegen. Es gehe hier eben nicht um das absolute Verbot eines Preiswettbewerbs, sondern nur um ein Verbot von Gewinnspielen zur Förderung des Arzneimittelverkaufs – und das habe für Versandapotheken wesentlich geringere Auswirkungen. Zudem betreffe es alle Apotheken.
Verstoß gegen Preisbindung
Interessant ist auch die abermals klare Aussage, dass die Werbung für ein Gewinnspiel zur Förderung des Verkaufs von Rx-Arzneimitteln nicht nur als Ankündigung einer unzulässigen Werbegabe, sondern auch als Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht verboten werden kann – und zwar sowohl nach dem 2015 noch geltenden „alten“ Recht (als die Preisbindung für EU-Versender noch im Arzneimittelgesetz geregelt war) als auch nach der seit Dezember 2020 geltenden Rechtslage (Preisbindung im SGB V). Davon war auch schon die Vorinstanz ausgegangen.
Zwar hatte der EuGH im Oktober 2016 befunden, dass § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG (alt) als Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit europarechtswidrig ist, soweit damit ein absolutes Verbot eines Preiswettbewerbs für eine EU-ausländische Versandapotheke geregelt wird. Diese Beurteilung, so der BGH, „beruhte allerdings maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen des vorlegenden Gerichts. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass in anderen Verfahren, in denen die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem Primärrecht der Europäischen Union in Streit steht, diese Feststellungen nachgeholt werden können, sodass ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen in Betracht kommt.“
Im vorliegenden Fall des Gewinnspiels geht der BGH aber gar nicht von einem absoluten Preiswettbewerbsverbot für die Niederländer aus – § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG (alt) schränke hier nämlich gerade nicht die Warenverkehrsfreiheit ein. Vielmehr handele es sich mit Blick auf das Gewinnspiel um eine bloße Verkaufsmodalität, die nicht geeignet sei, den Waren von DocMorris den Zugang zum deutschen Markt stärker zu versperren als inländischen Erzeugnissen. |
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