Management

Wer ist hier der Boss?

Teil 2: Erfolgskonzept NextGeneration

Als Apothekenkind macht man ab der Geburt das Praktikum in der Apotheke – für viele war es ein Paradies mit den aktuellen „Medizini“-Ausgaben, Traubenzucker ohne Ende, Burgen bauen aus den Kartons im Lager, und manche trieben Unfug mit der Etikettiermaschine und dem Lochkartenstanzer. Die Apotheke ist tief in den Genen verankert und prägte die Kindheit und Jugend. Doch lohnt sich die Übernahme der elterlichen Apotheke? Der Mix aus Tradition und Innovation, die die neue Generation mitbringt, kann eine perfekte Kombination sein.

Die wichtigste Basis: Wer selbst Spaß am Apothekenunternehmertum hat, kann die Kinder für die Übernahme sicher begeistern. Wenn die Eltern dagegen immer nur gestresst sind, die Zukunft der Apotheke weder aktiv mitgestalten noch Freude dabei empfinden, liegt es auf der Hand, dass die Attraktivität der Übernahme drastisch sinkt. Es beginnt von klein auf und es ist das, was wir unseren Kindern vorleben. „Folge deiner Leidenschaft“ – so sollte jedes Kind mit der Gewissheit aufwachsen, dass es das tun kann, was es möchte. Der Heilberuf als solcher ist dabei nicht allein ausschlaggebend, auch die Verantwortung, die man als Unternehmer hat, gilt es zu vermitteln. Dabei spielt die Work-Life-Balance eine wichtige Rolle, ob die Kinder in die Fußstapfen der Eltern treten oder nicht. Spätestens mit der Generation Y sieht man den Trend, dass der Beruf nicht alles ist, sondern eher die Berufung: Warum stehe ich morgens auf? Wie sieht mein perfekter Tag aus?

Foto: WavebreakMediaMicro/AdobeStock

Generationenwechsel als Chance Die Apotheke von den Eltern übernehmen heißt auch, dass diese unter Umständen Teil des Teams werden. Dabei kann die alte der neuen Leitung auch den Rücken stärken.

Wandel zur Apotheke der Zukunft

Die Apotheke ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt im Gesundheitswesen, und auch wenn gerade die älteren Generationen sagen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind, sehen die jungen Generationen zu Recht die Platinzeit anbrechen. Sie nehmen die Vorteile und Chancen der Digitalisierung und Automa­tisierung wahr und gleichzeitig den wertvollen Beitrag, den sie für die Menschen leisten können. Die Apotheke vor Ort ist und bleibt ein spannendes Unternehmen, gerade weil sie sich wandeln wird. Die neuen Generationen sehen die vielfältigen Möglichkeiten, Apotheke neu zu denken, andere Arbeitsmodelle in Betracht zu ziehen und weitere Geschäftsmodelle und -bereiche aufzubauen. Wir verlassen alte Welten und brechen zu neuen Ufern auf – es geht immer mehr um die Sinnhaftigkeit und um Werte.

Die OHG als Zwischenlösung?

Manche Familien entscheiden sich vorerst für eine OHG, in der Praxis ist dies in den wenigstens Fällen sehr erfolgreich – zu groß sind die verschiedenen Sicht­weisen, der Konflikt zwischen „Das haben wir schon immer so gemacht“ und anstehenden Investitionen und Innovationen, die die Apotheke zum Überleben braucht. Auch für das Team kann die Doppelspitze eine echte Herausforderung sein, denn was Senior sagt, kann Junior in Bedrängnis führen – und natürlich andersherum. Hier helfen die Leitlinien, die auch für Apothekenpaare und andere Doppelspitzen gelten (siehe AZ 2022, Nr. 10, S. 6). Mit einer gemeinsamen Vision, abgestimmter Kommunikation und klar getrennten Geschäfts­bereichen kann die OHG ein Konzept zum Übergang sein. Dabei sollten sich beide die Frage stellen, ob sich der Aufwand und die Mühe für die Gründung einer OHG für voraussichtlich nur wenige Jahre lohnt oder ob der frühere Absprung nicht effizienter ist, sprich die Führung der Apotheke direkt an die nächste Generation abgegeben wird.

Klare Abgrenzung

Um den notwendigen Wandel der Apotheke einzuleiten und voranzutreiben, ist der Inhaberwechsel ein idealer Zeitpunkt – und gleichzeitig gibt es besondere Hürden beim Wechsel innerhalb der Familie. Oftmals waren die Kinder bereits als Angestellte in der Apotheke tätig, im besten Fall haben sie zusätzlich viele Erfahrungen in anderen Apotheken gesammelt. Mit der Übergabe der Apotheke gilt es nun, Ver­antwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Nicht selten wenden sich die Team­mitglieder weiterhin an die ehema­ligen Inhaber – hier gilt es, klare Grenzen zu ziehen und die Anfrage an die richtige Stelle zu verweisen: an die neue Führungskraft. Im Idealfall sind die Apothekeneltern ausschließlich Sparringpartner für ihre Kinder. Gleichzeitig ist es für die Eltern wichtig loszulassen, den Kindern den Freiraum zu geben – auch wenn das bedeutet, dass diese auch mal Fehler machen.

Klare Abgrenzung: Ich bin da, wenn DU mich brauchst – sonst nicht.

Changemanagement: Richtig starten

Neben einer klaren Abgrenzung ist ein bewusst eingesetztes Changemanagement das unterschätzte Geheimrezept. Wir befinden uns in einer schnelllebigen und sehr wandlungsintensiven Zeit. Die Digitalisierung hat auch die Apothekenwelt erobert und die Pandemie hat gezeigt, dass die Apotheke vor Ort aus dem Stand fast alles möglich machen kann – allerdings unter einem enormen Kräfteaufwand. Die Apothekenteams haben wieder einmal Höchstleistungen gebracht und die letzten Jahre gingen an niemandem spurlos vorbei – auch im privaten Umfeld. Betrachtet man diesen Wandel und ergänzt ihn um den Führungswechsel, ist es offensichtlich, dass hier behutsam gehandelt werden muss. Tatsächlich scheitern die meisten Vorhaben, auch in großen Konzernen, am mangelnden Changemanagement (s. Kasten „Die fünf Phasen des Change­managements“). Nehmen wir hier als Beispiel die Einführung eines neuen Tools – oftmals beginnt es mit der Kommunikation, dass das Tool eingeführt wird und wann die Schulungen stattfinden. Hier wurden bereits die ersten beiden sehr wichtigen Phasen vergessen: Zum einen das Bewusstsein zu schaffen, warum etwas verändert werden sollte, und zum anderen, was für einen persönlich drin ist. Es ist wichtig, nicht einfach vorauszusetzen, dass dies allen im Team klar ist. Warum müssen wir JETZT etwas verändern? Was bringt MIR das? Bei allen Themen, die der neue Inhaber mitbringt, müssen diese Fragen beantwortet werden – im besten Fall in einem gemeinsamen Teammeeting und in Einzelfällen ergänzend im Vier-Augen-Gespräch. Ohne diese Basis werden viele Vorhaben scheitern.

Die fünf Phasen des Changemanagements

1. Bewusstsein schaffen

WARUM ist es JETZT notwendig, sich zu verändern?

2. Wunsch im Mitarbeiter auslösen

Wie kann ICH dabei unterstützen, die Veränderung zu realisieren? Und was ist für MICH drin?

3. Schulung

Habe ich das notwendige Wissen?

4. Anwendung

Bin ich in der Lage, die Veränderung mitzugehen?

5. Verankerung

Wie können wir die Veränderung nachhaltig verankern?

Fehlerkultur pflegen

Fehler passieren und niemand ist davor geschützt. Sie kommen meistens in der Umsetzung neuer Prozesse oder bei der Anwendung neuer Programme vor – heißt in der vierten Phase des Changemanagements. Hier geht es darum, das Gelernte anzuwenden, und da läuft es nicht immer rund. Die Technik ist eine große Hilfe, aber erst dann, wenn sich alles eingespielt hat – das geht bei manchen schneller, andere brauchen etwas länger. Die Kommunikation wird helfen, Fehler frühzeitig zu erkennen, schnell zu reagieren und sie zukünftig zu vermeiden. Wenn mit dem Inhaberwechsel viele Neuerungen geplant sind, vor allem technischer Natur, ist es sinnvoll, Zweierteams zu bilden, die sich in einer Art Patenschaft gegenseitig unterstützen: Die technisch versierten, meist jüngeren Kollegen übernehmen so früh Verantwortung und lernen noch mehr durch das Lehren. Gleich­zeitig fördert es das Verständnis füreinander. Eine wahre WIN-WIN-WIN-Situation.

Den Wandel nachhaltig gestalten

Genauso wichtig wie der richtige Start des Changemanagements ist das Nachhalten der Neuerungen. Wenn beispielsweise der neue Automat aufgestellt ist, empfiehlt es sich, nach wenigen Monaten Einsatz ein Resümee zu ziehen – was war gut und was kann verbessert werden? Wichtig ist hier die positive Formulierung. Es geht darum, Gutes noch besser zu machen. Wenn der Inhaber hier erkennt, dass zum Beispiel immer noch das Bewusstsein oder der persönliche Mehrwert bei Einzelnen fehlt, eventuell sogar eine Person aktiv gegen die Neuerungen arbeitet, muss dringend gehandelt werden, und es sollten erneut Einzelgespräche stattfinden. In letzter Konsequenz, wenn alles Reden nichts hilft, muss sich der Inhaber mit dem unbeliebtesten Thema eines Unternehmers beschäftigen: der Trennung von einem Mitarbeiter – zum Wohle des Teams und eines harmonischen Miteinanders. |

Dani Hildebrand, Impuls- und Strukturgeberin für Apothekeninhaber, www.danihildebrand.de

Teil 3 von „Wer ist hier der Boss?“ erscheint in einer der kommenden Ausgaben der AZ. Darin geht es um das „Erfolgskonzept Kaminaufstieg“ – wie man vom Teammitglied zum Chef wird.

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