Wirtschaft

Fit sein für den Startschuss zum E-Rezept

Experten diskutieren beim Online-Live-Talk der Gehe Akademie / Kunden müssen für das E-Rezept begeistert werden

diz | Das E-Rezept kommt – wann es allerdings offiziell startet, steht noch in den Sternen. Beim Online-Live-Talk der Gehe Akademie am vergangenen Dienstag, der von DAZ-Herausgeber Peter Ditzel moderiert wurde, erklärten Expertinnen und Experten, wie Apotheken die Zeit bis dahin nutzen sollten, um für das E-Rezept fit zu sein. Und wie sie die Kunden dafür begeistern können, dass die Vor-Ort-Apotheke der Ort ist, die E-Rezepte einzulösen, digital und analog.

Apothekerin Kerstin Kemmritz, Inhaberin der Falken-Apotheke in Berlin Weißensee und Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, wies in ihrem Impulsvortrag auf die Chancen hin, die sich mit dem E-Rezept ergeben. Allerdings müssen hierfür einige Voraus­setzungen stimmen: Die Technik muss laufen, falls nicht, sollte man sich nicht scheuen, „die Softwarehäuser zu nerven“. Die verbleibende Zeit sollte man nutzen, das Apothekenteam zu schulen und Ärzte anzusprechen. Nicht ver­gessen: Wenn alles im grünen Bereich ist, dann sollte man im DAV-Portal die Apotheke als „E-Rezept-ready“ markieren, damit auch die verordnenden Ärztinnen und Ärzte, aber auch die Kundinnen und Kunden wissen, dass dort E-Rezepte eingelöst werden können.

Foto: AK Berlin

Kerstin Kemmritz will nach Ostern ihre Kunden verstärkt über das E-Rezept informieren.

Kemmritz sprach sich deutlich für die Nutzung der Gematik-App aus: „Es ist die App für das deutsche E-Rezept, die kostenlos, werbefrei und diskriminierungsfrei ist und momentan absolut ausreichend ist.“ Die Apotheken und die Patienten sollten wissen, dass sie mit dieser App alleine vollkommen klarkommen.

Abläufe mit dem E-Rezept üben

Zu den Flaschenhälsen der E-Rezept-Einführung gehören Defizite bei technischen Komponenten, nicht nur bei den Apotheken, sondern auch in Arztpraxen, so Kemmritz. Noch immer fehlen außerdem HBA-Karten. Und es klemmt bei der Ausgabe der NFC-fähigen elektronischen Gesundheitskarten der Krankenkassen samt PIN, die letztlich die Voraussetzung dafür sind, dass die Ver­sicherten ihr NFC-fähiges Smartphone zur Einlösung der E-Rezepte nutzen können.

Kemmritz forderte die Apotheken dazu auf, mit Muster-E-Rezepten zu üben, um die Technik zu checken, das System, die Scanner. Das Apothekenteam sollte die Abläufe mit dem E-Rezept üben.

Apotheker Florian Köster, Cothenius-Apotheke, Anklam, hat bereits Musterrezepte verarbeitet. Er konnte zusammen mit einer Arztpraxis die Abläufe durchspielen. Er versandte „ein klassisches Fax“ an Arztpraxen, um darüber zu informieren, dass seine Apotheke E-Rezept-ready ist, und konnte eine Praxis ins Boot holen. Bei den Kunden hat seine Apotheke bereits einen digitalen Ruf, zum Beispiel durch die digitale Sichtwahl. Er weist sie darüber hinaus an vielen Stellen darauf hin, dass seine Apotheke für das E-Rezept vorbereitet ist, beispielsweise auch mit einem QR-Code auf dem Kassenbon.

Machen Ärzte zu wenig Druck auf ihre Softwarehäuser?

Auch Apothekerin Sarah Wessinger, zuständig für die Scholz online-Datenbank des Deutschen Apotheker Verlags, aber auch Mitarbeiterin in einer öffentlichen Apotheke, konnte von reibungs­losen technischen Abläufen mit Musterrezepten berichten. Die Apotheke habe bereits Ärzte im Umfeld angesprochen. Sie stünden dem E-Rezept zwar aufgeschlossen gegenüber, jedoch funktionierten die Praxissysteme noch nicht. „Ich habe allerdings auch nicht den Eindruck, dass die Ärzte Druck auf ihre Softwarehäuser ausüben“, sagte Wessinger. Die Apothekenkunden werden bereits mit Plakaten und Flyern aufs E-Rezept vorbereitet, man wolle in Kürze noch stärker dazu kommunizieren. Die Kunden seien in der Regel sehr aufgeschlossen und ließen sich auch gerne bei der Installation der App helfen, so Wessinger.

Kemmritz würde zwar auch gerne mit Ärzten zusammenarbeiten, allerdings sieht sie ein Problem darin, dass der jetzige Zeitpunkt nicht besonders günstig sei, Ärzte anzusprechen: Auch in Arztpraxen sind viele Quarantäne-Fälle zu verzeichnen, es gibt personelle Engpässe in den Praxen. Vielleicht sollten die Apotheken daher verstärkt ihre Hausaufgaben machen, wirklich alles checken und üben – und dann auf die Arztpraxen zugehen, schlägt die Apothekerin vor.

Kemmritz: E-Rezept-App als Dienstleistung aufspielen

Für eine verstärkte Kundeninforma­tion in ihrer Apotheke hat sie sich den Zeitpunkt nach Ostern vorgenommen. Über Homepage, Flyer und Poster wird ihre Apotheke darauf aufmerksam machen, dass man für das E-Rezept bereit ist. Man sollte sich vielleicht auch überlegen, ob die Apotheken nicht das Onboarding der Patienten, das Aufspielen und Erklären der E-Rezept-App, als Dienstleistung anbieten.

Mit der Website TI-Score versucht die Gematik derzeit mehr Transparenz ins Geschehen zu bringen, inwieweit die Technik bei den einzelnen Marktteilnehmern steht. Darauf verwies Hannes Neumann, Produktmanager für das E-Rezept bei der Gematik. Sein Haus stellt den Apotheken auch Checklisten zur Verfügung. Sein Appell: Alle Beteiligten sollten aktiv werden, die Zeit nutzen zum Testen und Ausprobieren. Ob man Ärzte findet, mit denen man zusammen üben kann, hängt an der zentralen Frage, ob das Praxissystem bereits E-Rezept-ready ist: „Aktuell sehen wir relativ viele Zahnarztpraxen“, so Neumann, „die mit entsprechender Software ausgestattet sind. So nach und nach schließen nun die Hautarztpraxen auf.“

Carlos Thees vom Softwarehaus Noventi bot den Apotheken jedwede Hilfe an, um E-Rezept-ready zu werden, allerdings muss von der Apotheke die Bereitschaft dazu kommen. Ganz wichtig: Die Apotheke sollte die erforderlichen Daten bereithalten, um die Technik zum Laufen zu bringen. Hilfestellung bieten Testrezepte, mit denen die Verbindungen überprüft werden können, und Checklisten. Das Softwarehaus informiert die Apotheken auch, wenn in ihrem Umkreis Arztpraxen E-Rezept-ready sind, damit Praxis und Apotheke zusammenfinden können, um mit E-Rezepten zu üben. Apotheken sollten allerdings nicht zögern, ihre Ärzte im Umfeld anzusprechen.

Was der Live-Talk deutlich machte: Wichtig ist es, die Patienten davon zu überzeugen, dass das E-Rezept kein Hexenwerk ist und die Vor-Ort-Apotheke der richtige Ort zum Einlösen dieser Rezepte ist. Aber wie lassen sich die Patienten davon überzeugen?

Hausarzt Carsten Wendt, Zingst, stellt bereits überwiegend E-Rezepte aus, auch wenn es noch Papierausdrucke sind. Er bietet seinen Patienten diese E-Rezepte aktiv an. Da das E-Rezept derzeit in der Regel als Papier-Token ausgedruckt wird, war es für ihn nicht schwer, seine Patienten ans E-Rezept heranzuführen. Er weist auch in seinem Wartezimmer auf die Vorteile des E-Rezepts hin.

„Horrorerlebnisse mit der digitalen Welt“

Susanne Mauersberg, Gesundheitsreferentin beim Verbraucherzentrale Bundesverband, machte deutlich, dass das E-Rezept im Bewusstsein der Verbraucher noch kaum angekommen ist. Nur wenige Patienten hätten sich bisher mit diesen Fragen befasst und dann zum Teil „Horrorerlebnisse mit der digitalen Welt gehabt“, so Mauersberg: Es funktioniert nur wenig und für Verbraucher gibt es keine Informationen, auch nicht von den Krankenkassen. „Leider hat man in Deutschland keine Sekunde über die Nutzer nachgedacht“, beklagt die Verbrauchervertreterin, „wie man sie besser informieren kann.“

Eine Ausnahme sieht sie im Bundesland Sachsen: Hier wurden in Apotheken Gesundheits-Terminals aufgestellt (ein Projekt von zwei Krankenkassen und dem sächsischen Gesundheitsministerium), wo sich Patienten über Gesundheitsfragen informieren können. Apotheken und Arztpraxen sollten allerdings auch Verständnis dafür haben, wenn sie von den Versicherten um Rat und Infor­mationen gefragt werden zum Thema App und E-Rezept auf dem Smartphone.

Unterstützung hat auch der Großhandel zugesagt, wie Claudia Pöhl, Mitglied der Geschäftsleitung von Alliance Healthcare und Gehe (AHD), ausführte, denn man wolle die Apotheke vor Ort stärken. Auf den Internetseiten stelle man vielfältige Informationen zum E-Rezept zur Verfügung, auch vonseiten der Gehe Akademie. Außerdem biete man eine groß angelegte Marketing-Kampagne zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke mit der Botschaft: „Wir können vor Ort und digital.“ Die große Chance für die Apotheke sieht Pöhl darin, dass die Vor-Ort-Apotheke ganz nah am Kunden ist, näher als es ein Versandhändler je sein kann. Sie ermunterte die Apotheken dazu, die Kunden im persönlichen Gespräch an die Hand zu nehmen, Beratung anzubieten und so die Bindung zum Kunden zu stärken. Man sollte zeigen, dass man vor Ort einen ganz anderen, einen besseren Service bieten kann als die Versandkanäle. |

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