DAZ aktuell

Tierarzneimittelgesetz beschlossen

Europäisches Tierarzneimittelrecht nach erfolgreicher Petition wieder auf Kurs

tmb | Am 17. September hat der Bundesrat das neue Tierarzneimittel­gesetz beschlossen, das damit am 28. Januar 2022 in Kraft tritt. Schon am 15. September hat das Euro­päische Parlament den Delegierten Rechtsakt zum Antibiotikaeinsatz bei Tieren verabschiedet. Es folgte damit dem ursprünglichen Plan und setzte sich über eine Resolution aus dem Umweltausschuss des EU-Parlaments hinweg. Die Tierärzte hatten sich zuletzt mit einer Petition intensiv für den Delegierten Rechtsakt eingesetzt.

Den Anlass für die neuen Regelungen bildet die EU-Verordnung (EU) 2019/6, die am 28. Januar 2022 EU-weit in Kraft tritt. Um das deutsche Recht damit kompatibel zu machen, hat der Gesetzgeber hierzulande das Tierarzneimittelrecht aus dem Arzneimittel­gesetz ausgegliedert und ein neues Tierarzneimittelgesetz (TAMG) geschaffen (siehe DAZ 2021, Nr. 5). Trotz intensiver Diskussionen über einige Inhalte wurde das Gesetzgebungsverfahren vor der Bundestagswahl abgeschlossen.

Neues Versandverbot für Rx-Tierarzneimittel

Eine wesentliche Neuerung wird das Versandverbot für Rx-Tierarzneimittel. Bisher betrifft dieses Verbot nur Arzneimittel für lebensmittelliefernde Tiere. Allerdings soll es auch künftig eine Ausnahme geben können. Das Bundeslandwirtschaftsministerium kann mit Zustimmung des Bundes­rates eine Verordnung zum Fernabsatz von Rx-Tierarzneimitteln und veterinärmedizinisch-technischen Produkten durch Apotheken oder durch Tierärzte im Rahmen des Betriebs tierärztlicher Hausapotheken erlassen (siehe DAZ 2021, Nr. 25). Diese darf sich nur auf die Versorgung der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a TAMG bezeichneten Heimtiere beziehen. Dies sind nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienende Tiere, die in Aquarien oder Teichen gehalten werden, Zier­fische, Ziervögel, Brieftauben, Terra­rium-Tiere, Kleinnager, Frettchen oder Hauskaninchen. Die europarechtliche Grundlage für diese Regelung lässt einen solchen Versand nur innerhalb der Grenzen des jeweiligen Mitgliedslandes zu.

Apothekenrelevante Neuerungen

Eine weitere inhaltliche Neuerung wird der Wegfall der Standardzulassungen. Allerdings bestehen bis 2027 Übergangsvorschriften. Für Apotheken relevant ist auch die Meldepflicht für nicht zugelassene Arzneimittel für Tiere – und damit auch für Rezepturarzneimittel. Als weitere Neuerung dürfen Tierhalter künftig Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes – und damit auch nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel - bei Tieren nur aufgrund einer tierärzt­lichen Verordnung und Behandlungsanweisung anwenden. Ohne Kontakt zu einem Tierarzt dürfen Tierhalter bei ihren Tieren damit nur noch Tierarzneimittel einsetzen, die für die betreffende Tierart zugelassen sind.

Streit um Delegierten Rechtsakt

Die größte Aufmerksamkeit galt zuletzt allerdings dem Artikel 37 Absatz 4 der EU-Verordnung. Dieser sieht vor, „Kriterien für die Festlegung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Humanmedizin vorbehalten sind“ zu erarbeiten. Dazu ist ein Delegierter Rechtsakt der EU erforderlich. Einen Vorschlag dafür hatten betroffene Organisationen jahrelang erarbeitet. Dennoch hatte der EU-Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) am 13. Juli 2021 mehrheitlich für eine inhaltlich noch schärfere Resolution und damit gegen den Vorschlag für den Delegierten Rechtsakt gestimmt (siehe DAZ.online vom 4. 8. 2021). Gemäß dieser Resolution sollten einige Antibiotikagruppen, darunter auch Fluorchinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation, Makrolide und Polymyxine, nur noch in der Humanmedizin eingesetzt werden. Für Einzeltiere sollten nach Anfertigung eines Antibiogramms Ausnahmen möglich sein. Allerdings wurde in Fachkreisen bestritten, dass solche Ausnahmen überhaupt in die Systematik des EU-Rechts einzufügen seien.

Erfolgreiche Petition der Tierärzte

Einige Beobachter sehen das Ziel der Resolution darin, die Massentierhaltung auf dem Umweg über ein Antibiotikaverbot praktisch unmöglich zu machen. Doch die Resolution bezog sich auch auf Hunde und Katzen. Daraufhin mobilisierte der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) in einer sehr emotional geführten Kampagne die Öffentlichkeit. Nach Ansicht des bpt widerspricht die Resolution dem „One-Health-Ansatz“, der die Zusammenhänge der Gesundheit von Menschen und Tieren betont. Außerdem erklärte der bpt, dass mit der vorgesehenen Verschärfung viele Tiere nicht mehr adäquat versorgt werden könnten. Dies betreffe auch Hunde und Katzen. Die intensive Öffentlichkeitsarbeit der Tierärzte hatte großen Erfolg. Nach Angaben des bpt in einem Brief an seine Mitglieder unterzeichneten 358.925 Personen eine europäische Online-Peti­tion gegen die Resolution und für den ursprünglich geplanten Delegierten Rechtsakt. Außerdem hätten die Tierärzte 297.452 Unterschriften in den Praxen gesammelt. Demnach kamen sogar mehr Unterschriften zusammen als 2019 bei der Kampagne des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler für das Rx-Versandverbot mit insgesamt 402.080 Unterschriften (siehe DAZ 2019, Nr. 37). Doch Bühlers Rekord für ein Petitionsverfahren zum Deutschen Bundestag wurde damit nicht gebrochen, weil es bei den Tierärzten um eine Petition für das EU-Parlament ging.

Inwieweit die Resolution der Tierärzte die Abgeordneten des EU-Parlaments beeinflusst hat, bleibt offen. Doch im Ergebnis hat das Plenum des EU-Parlaments am Mittwoch in diesem Sinn entschieden und mit deutlicher Mehrheit den ursprünglich vorgesehenen Delegierten Rechtsakt beschlossen. bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder erklärte danach, Europa werde damit führend in der Welt bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Der wissenschaftlich fundierte Delegierte Rechtsakt leiste einen massiven Beitrag für die Humangesundheit im Sinne des One-Health-Ansatzes, spiele Human- und Tiergesundheit nicht gegeneinander aus, ermögliche flexible Reaktionen auf die Resistenzsituation und stelle sicher, dass kranke Tiere weiterhin adäquat versorgt werden können. |

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