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Hygiene

Unterschätzte Gefahr

Warum Legionellen gerade in diesem Sommer ein Problem sind

Legionellen sind ubiquitär vorhandene, im Wasser lebende Bakterien, die über die Atemluft aufgenommen werden und eine gefährliche Lungenentzündung, die Legionärskrankheit, auslösen können. Besonders in der Urlaubs- und Reisezeit in den Sommermonaten häufen sich die Fälle. Lange Zeit aufgrund der Pandemie nicht genutzte Wasserleitungen in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen erhöhen das Risiko zusätzlich. Schutzmaßnahmen zur Verringerung des Expositions­risikos sind daher jetzt besonders wichtig. | Von Carolin Kühnast

Die Legionärskrankheit wurde 1976 während einer Kon­ferenz der amerikanischen Legion in Philadelphia, USA, entdeckt und verdankt diesem Ereignis bis heute seinen Namen. Nach dieser Kriegsveteranenversammlung wurde vermehrt über den Ausbruch von teils lebensbedrohlichen Pneumonien berichtet, die bei ca. 30 von 200 Infizierten zum Tode geführt haben. Aufgrund hohen wissenschaft­lichen Interesses wurde noch im selben Jahr erstmals der Erreger Legionella pneumophila beschrieben. Nachträglich konnte der vermehrte Ausbruch der Legionärskrankheit auf vernebelte Wasserteilchen der Klimaanlage des Hotels zurückgeführt werden [1, 2].

Der Erreger und seine Verbreitung

Inzwischen sind mehr als 57 Legionellenarten und mindestens 70 Serogruppen bekannt [https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/3698/legionellose.pdf?sequence=1&is­Allowed=y]. Der schon 1976 beschriebene Erreger Legionella pneumophila stellt die am häufigsten vorkommende Art dar und ist für ca. 80% der bekannten Legionellosen verantwortlich. Der Oberbegriff Legionellose beschreibt jede Infektion mit Legionellen, unabhängig davon welches Krankheitsbild vorliegt. Die stäbchenförmigen, gramnegativen und aeroben Bakterien kommen in süßen Gewässern wie Seen, Teichen sowie Oberflächenwasser oder feuchten Böden vor und sind nur selten in Salzwasser aufzufinden. In diesen natürlichen Lebensräumen stellen sie in der Regel keine Gesundheitsgefahr dar, denn Legionellen werden erst gefährlich, wenn sie über fein verteilte Teilchen in Form von Aerosolen über die Atemluft in die Lunge aufgenommen werden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist unwahrscheinlich, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Auch das Baden im See stellt keine Gefahr für eine Legionelleninfektion dar, da das Verschlucken von kontaminiertem Wasser nicht zu einer Infektion führt. Problematisch wird es, wenn Wasser vernebelt wird und für das Bakterium optimale Temperaturen vorliegen, so beispielsweise bei der Nutzung von Whirlpools, Duschen, Klimaanlagen, Luftbefeuchtern und sogar Autowaschanlagen. Damit sich die Bakterien vermehren können, sind Wassertemperaturen zwischen 25 °C und 45 °C optimal geeignet. Bei Temperaturen unterhalb von 20 °C und über 55 °C findet stattdessen kaum noch eine Vermehrung statt [1, 2]. 20% aller Pneumonien, die durch Legionellen ausgelöst werden sind reiseassoziiert, weshalb gerade jetzt in den warmen Sommermonaten die Kunden in der Apotheke aufgeklärt werden sollten. Die steigenden Infektionszahlen in der warmen Jahreshälfte hängen einerseits mit den Temperaturen und andererseits mit vermehrtem Tourismus zusammen. Die Legionärskrankheit zählt zu den lebensbedrohlichen Infektionen, denn unbehandelt kann sie zu einem Multiorganversagen führen. Bei ambulant erworbenen oder reiseassoziierten Infektionen liegt die Sterblichkeit bei 5 bis 10%, wobei die Zahl unbehandelt auf 50% steigt, wenn die Therapie nicht sofort begonnen wird. Werden die erregerhaltigen Aerosole eingeatmet, heften sie sich anschließend an Schleimhautzellen in der Lunge und werden von Makrophagen aufgenommen. Über diesen Weg können sie sich im Körper optimal vermehren, wobei der weitere Verlauf der Erkrankung abhängig von der Abwehrlage der jeweiligen Person ist. Zu den Risikopatienten gehören ältere Menschen wie Senioren, Raucher, Diabetiker, Menschen mit Asthma oder COPD sowie solche mit geschwächtem Immunsystem. Dazu zählen unter anderen Transplantierte oder Patienten, die dauerhaft Glucocorticoide einnehmen [2, 3].

Die Legionellose und ihre zwei Gesichter

Unter dem Oberbegriff Legionellose versteht man jede Infektion mit Legionellen. Sie kann asymptomatisch verlaufen oder manifestiert sich in den beiden Krankheitsbildern Legionärskrankheit und dem Pontiac-Fieber. Die Legionärskrankheit ist charakterisiert durch eine akute sowie schwere Lungenentzündung, deren Inkubationszeit zwischen zwei und zehn Tagen liegt. Dieser weite Zeitraum macht es häufig schwierig, den Ansteckungsort abzugrenzen bzw. die Pneumonie überhaupt als Legionelleninfektion zu identifizieren. Gerade bei uns in der Apotheke ist es wichtig, typische Symptome zu kennen und den betroffenen Kunden umgehend an einen Arzt zu verweisen. Die Patienten klagen häufig über Atembeschwerden wie trockenen Husten in Kombination mit Verwirrtheit und Durchfall. Auch Fieber, Thorax-, Kopf- oder Gliederschmerzen zählen zu den typischen Symp­tomen. Die Therapie mit einem spezifischen Antibiotikum (s. u.) ist unumgänglich und so schnell wie möglich einzuleiten, damit schwere Verläufe vermieden werden.

Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Pontiac-Fieber um einen eher harmlosen, akuten Infekt mit grippeähnlichen Symptomen ohne Lungenentzündung. Diese Erkrankung geht einher mit Kopf- und Gliederschmerzen, hohem Fieber sowie Schwindel und verschwindet meist genauso schnell wieder (Ausheilung nach 2 – 5 Tagen) wie sie aufgetreten ist (kurze Inkubationszeit von 5 h). Es werden ausschließlich die Symptome behandelt [3, 4].

Erregernachweis und Therapie

Goldstandard für den Nachweis einer Legionelleninfektion ist ein Antigen-Nachweis im Urin mittels ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay), der schon 24 Stunden nach Auftreten der Symptome zuverlässig anspricht. Allerdings werden in der Regel nur Legionella pneumophila der Serogruppe 1 nachgewiesen. Zur Überwachung nosokomialer Infektionen ist dieses Vorgehen weniger geeignet, da hier mit anderen Stämmen und Serotypen gerechnet werden muss und mit einem negativen Urintest eine Legionellose nicht sicher auszuschließen ist. Hier sind ein kultureller Nachweis oder ein PCR-Test auf Basis von respiratorischen Materialen (Trachealsekret, bronchoalveoläre Lavage, Sputum oder Lungengewebe) notwendig. Diese Methoden sind zuverlässiger, bezogen auf das Erkennen anderer Legionellen-Arten, die Auswertung der Tests dauert allerdings drei bis fünf Tage. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist essen­ziell für das Überleben der Patienten, da nur so eine spezifische Therapie durchgeführt werden kann. Die Antibiose, welche in die Hände von ärztlichen Spezialisten gehört, erfolgt mit Fluorchinolonen wie Levofloxacin oder Makroliden. Bei schwerem Verlauf beschreibt die S3-Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie von 2021 Levofloxacin und Moxifloxacin als Mittel der ersten Wahl [9]. Das Robert Koch-Institut verweist hier jedoch auf die Beachtung des Rote-Hand-Briefs zu ­Fluorchinolon-Antibiotika hinsichtlich schwerwiegender und anhaltender, die Lebensqualität beeinträchtigender und möglicherweise irreversibler Nebenwirkungen vom 8. April 2019 [10]. Meist wird initial mit einer Infusion begonnen und danach mit einer oralen Therapie weiterbehandelt. Dosierung und Dauer der Therapie hängen vom Schweregrad der Pneumonie ab und müssen individuell angepasst werden. Zur Orientierung dient eine Dosierungsempfehlung von 1 × täglich 400 mg Moxifloxacin oder eine Therapie mit Levofloxacin 1 × 500 mg i. v. als Initialdosis und anschließend 1 × 500 mg peroral für sieben bis zehn Tage. Laut RKI sind Clarithromycin oder Azithromycin bei milden Verlaufsformen indiziert. Aufgrund des Interaktionspotenzials mit Immunsuppressiva sind Makrolide bei transplantierten Patienten kontraindiziert [3, 4]. Im Gegensatz zur Legionellose erfordert das Pontiac-Fieber keine antibiotische Therapie [9].

Reisen lassen Infektionszahlen steigen

Im Oktober letzten Jahres wurden die Infektionszahlen von gemeldeten Legionellosen an das RKI im Epidemiologischen Bulletin 44/20 veröffentlicht. Im Februar 2020 wurden mehr Infektionen gemeldet als im gleichen Monat in den Jahren zuvor, was verglichen mit den Entwicklungen aus den letzten Jahren zu erwarten war. So gab es im Februar 2015 63 gemeldete Legionellosen und 2020 bereits 110. Mit Beginn der Verbreitung von COVID-19 wurden nur noch verhältnismäßig wenige Fälle gemeldet, was mit sinkendem Tourismus und den Schließungen von beispielsweise Schwimmbädern, Sport- und Ferienanlagen zusammenhängen könnte. Das Jahr 2020 hat insgesamt mit 712 gemeldeten Fällen ein Rekordtief erreicht, denn mindestens die doppelte Fallzahl war zu erwarten. Ob die Legionelleninfektionen wirklich rückläufig sind, wird erst nach der Auswertung von 2021 möglich sein, denn durch das erhöhte Reiseaufkommen im Sommer 2021 ist mit wieder steigende Infektionszahlen zu rechnen [8].

Reiseassoziierte Legionellose – Monatliche Fallzahlen im Jahr 2020 (Januar – Juli) im Vergleich zu 2019. Die vertikalen Linien kennzeichnen den allgemeinen Lockdown ab Mitte März 2020 (links) und die Aufhebung der Reisebeschränkungen innerhalb Europas ab Mitte Juni 2020 (rechts). [aus 8]

Alltag und Reisezeit

Nicht nur im Alltag haben wir es mit Legionellen zu tun, sondern auch im Sommerurlaub beispielsweise in Touristenunterkünften oder auf Kreuzfahrtschiffen. Diese Betriebe sind nicht durchgehend über alle Monate des Jahres ausgelastet, was im Umkehrschluss häufig zu ungenutzten Wasserleitungen führt. Erfolgt die Wasseraufbereitung durch Erhitzen in Gebäuden zentral, können sich in den abgehenden, ungenutzten Leitungen Biofilme aus Legionellen bilden. Auch schlecht gewartete oder alte Wasserleitungen stellen ein erhöhtes Risiko dar. Bereits im Sommer 2020 warnte das Robert Koch-Institut (RKI), dass während und insbesondere nach der Corona-Zeit steigende Infektionszahlen von Legionellenerkrankungen zu erwarten sind, da Wasserleitungen in Unterkünften oder Schwimmeinrichtungen lange Zeit nicht genutzt wurden. Deshalb sollte besonders im Sommer 2021 bei einem erhöhten Reiseaufkommen durch geeignete Maßnahmen das Expositionsrisiko minimiert werden (s. u.). Auch Autowaschanlagen können eine potenzielle Gefahrenquelle darstellen, da Aerosole während des Waschvorganges freigesetzt und so eingeatmet werden. Nicht immer kann der Ansteckungsort ganz sicher bestimmt werden, was an erschwerten Bedingungen bei der Bestimmung von Umweltproben bzw. einer zu geringen Konzentration von Legionellen bei der Probenentnahme liegen könnte. Die Legionellose gehört in Deutschland zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten. Die Gesundheitsämter werden namentlich über jede auftretende Legionellose durch den behandelnden Arzt informiert. Zusätzlich melden die Labore alle Fälle von Legionelleninfektionen. Die Meldeformulare werden von den jeweiligen Bundesländern zur Verfügung gestellt und sind auf deren Websites zu finden. Auch reiseassoziierte Legionelleninfektionen werden gemeldet und vom RKI gesammelt sowie ausgewertet [2, 5, 6, 7].

Wie wir uns schützen können

Präventive Maßnahmen, um sich und seine Mitmenschen vor einer Legionellose zu schützen, sind im Alltag und sogar während Urlaubsreisen ganz einfach umsetzbar. Die Trinkwasserleitungen, die das Wasser zu den jeweiligen Gebäuden transportieren, werden in Deutschland und vielen anderen Ländern regelmäßig gewartet und stellen in der Regel nicht die Ursache für die Infektionen dar. Erst mit Erreichen der einzelnen Wassernetze in den jeweiligen Gebäuden sind höhere Konzentrationen möglich. Es wird eine Legionellenschaltung empfohlen. Damit wird sichergestellt, dass die Temperatur im Boiler mindestens einmal am Tag während einer Stunde 60 °C erreicht, damit die Legionellen abgetötet werden. An Wasserhähnen und Brausen müssen mindestens 50 °C erreicht werden, wobei es wichtig ist, dass das Kaltwasser eine Temperatur von 20 °C nicht übersteigt. Ein Energiesparmodus, der das Wasser im Boiler nur auf 50 °C erhitzt und häufiger von Installateuren empfohlen wird, ist kontraproduktiv. Es ist auf eine regelmäßige Spülung und Entkalkung der Wasserhähne zu achten, damit keine bakterienhaltige Schleimschicht entsteht. Dieser bietet idealen Schutz für Legionellen vor heißem Wasser und Reinigungsmitteln. Er bildet sich besonders an schlecht durchspülten Stellen sowie an rauen Oberflächen, die durch Kalkablagerungen entstanden sind. In diesen Nischen kann der Biofilm ausschließlich durch intensiven Aufwand entfernt werden, weshalb seine Bildung unbedingt durch geeignete Präven­tionsmaßnahmen verhindert werden muss.

Zur regelmäßigen Desinfektion von Brausen, Armaturen und Co. lässt man Wasser mit einer Temperatur von mindestens 70 °C für ungefähr drei Minuten ungehindert laufen und verlässt unterdessen den Raum, um eine Aerosol-Aspiration zu vermeiden. Dies empfiehlt sich bei Armaturen, die selten genutzt werden, wie einer Dusche im Gästebad. Bei längerer Abwesenheit z. B. während einer Urlaubsreise sollte dafür gesorgt werden, das jemand regelmäßig die Leitungen spült. Die Hinweise zur thermischen Desinfektion gelten selbstverständlich auch für Touristenunterkünfte.

Eine Erkrankung mit Legionellen kann immer und überall auftreten, weshalb eine Beratung in der Apotheke zur geeigneten Expositionsprophylaxe helfen kann, Fälle zu verhindern. Besonders in den warmen Sommermonaten empfiehlt sich der Hinweis auf die Legionellenproblematik. Bei der Beratung sollten typische Symptome wie Verwirrtheit, Thoraxschmerzen und Durchfall in Kombination immer mit einer potenziellen Legionelleninfektion in Verbindung gebracht werden. Apothekenkunden, die zusätzlich einer Risikogruppe angehören, sollten umgehend an einen Arzt verwiesen werden. Zu bedenken ist, dass eine zu spät erkannte Legionelleninfektion unbehandelt im schlimmsten Fall tödlich enden und eine schnelle geeignete Antibiose für den Patienten lebensrettend sein kann. |

Literatur

 [1] Brady M, Sundareshan V/Legionnaires’ Disease/2020

 [2] Stock I/Erkrankungen durch Legionellen/MMP/2020

 [3] BAG/Legionellen und Legionellose – BAG/BLV Empfehlungen/2018

 [4] Robert Koch-Institut RKI/Legionellosse RKI Ratgeber/2019

 [5] Robert Koch-Institut RKI/Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten/Epidemiologisches Bulletin 24/20 Seite 14/2020

 [6] Aelling N, Bally B/Legionärskrankheit nach dem Besuch eine Autowaschanlage/BAG Bulletin 50/19/2019

 [7] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldepflichtige_Krankheiten/Meldepflichtige_Krankheiten_Erreger.pdf?__blob=publica­tionFile

 [8] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/44_20.pdf?__blob=publicationFile

 [9] Ewig S, Kolditz M, Pletz M, Altiner A, Albrich W, Droemann D, Flick H, Gatermann S, Krüger S, Nehls W et al.: S3-Leitlinie. Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021. AWMF, Stand: 24.04.2021, gültig bis 23.04.2025, Available at: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-020l_S3_Behandlung-von-erwachsenen-Patienten-mit-ambulant-erworbener-Pneumonie__2021-05.pdf

[10] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Rote-Hand-Brief zu Fluorchinolon-Antibiotika: Schwerwiegende und anhaltende, die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise irreversible Nebenwirkungen. Verfügbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2019/rhb-fluorchinolone.html

Autorin

Carolin Kühnast – Apothekerin und Fachautorin. Mit @how_to_apotheke hat sie 2020 auf Instagram eine Seite für den Austausch für Apothekerinnen und Apotheker geschaffen, auf welcher Themen rund um moderne Apothekenführung und Organisation thematisiert werden.

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