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Tierpharmazie

Giftiges für Vierbeiner

Warum sind Avocados, Zwiebeln, Schokolade und viele Zimmerpflanzen toxisch?

Die meisten Gifte sind für Menschen und Tiere gleichermaßen toxisch. Doch manche Vergiftungsursachen kommen bei Menschen kaum vor und einige bei Menschen beliebte Nahrungsmittel können für bestimmte Tierarten tödlich sein. Praktische Bedeutung haben insbesondere Zimmerpflanzen und Nahrungsmittel, beispiels­weise Schokolade, Avocados, Zwiebeln, Knoblauch, Macadamianüsse, Weintrauben und Rosinen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Vielfalt der praktisch relevanten Giftstoffe für Tiere. | Von Sabine Wanderburg

Vergiftungen und Vergiftungsverdachtsfälle gehören zu häufigen Notfällen im tierärztlichen Alltag. Dabei mutet oft erstaunlich an, was manche Tiere fressen. Das Spektrum der relevanten giftigen Substanzen ist daher breit. Aufgrund der unterschiedlichen toxikologischen Effekte sind auch die Symptome sehr verschieden. Doch in der Praxis gibt es einige typische Anzeichen, bei denen an eine mögliche Vergiftung des Tieres zu denken ist:

  • Zittern, Krampfanfälle,
  • extrem weit oder eng gestellte Pupillen,
  • Erbrechen und/oder Durchfall,
  • Desorientiertheit, torkelnder Gang,
  • starkes Speicheln,
  • Blutungen aus Nase, Maul, Geschlechtsöffnung oder After,
  • Blut im Urin.

Die meisten Vergiftungsfälle bei Tieren betreffen die folgenden Substanzen:

  • Rattengift,
  • Insektizide,
  • Farben, Lacke,
  • Reinigungsmittel,
  • Frostschutzmittel,
  • Giftpflanzen,
  • Arzneimittel,
  • Suchtmittel.

Giftige Pflanzen – große Vielfalt

Die gängigen wild oder in Gärten wachsenden Giftpflanzen mit ihrer bekannten Toxikologie wie Fingerhut, Maiglöckchen, Oleander (Herzglykoside), Kirschlorbeer (cyanogene Glykoside), Herbstzeitlose, Eibe, Tollkirsche, Stechapfel, Engelstrompete (Alkaloide), Riesenbärenklau (phototoxische Furocumarine) und Thuja (Terpene) betreffen auch Tiere. Für Vergiftungen von Tieren sind jedoch viele Zimmerpflanzen praktisch bedeutsamer (s. Tab. 1), wobei vielfältige toxikologische Mechanismen relevant sind. Viele beliebte Zimmerpflanzen wirken aufgrund der enthaltenen Oxalate toxisch. Vergiftungen beispielsweise mit Dieffenbachia, Philodendron oder Kalla führen neben einer schweren Schleimhautreizung zur Hypokalzämie, weil Calcium in Form von unlöslichen Oxalatkomplexen ausgefällt wird. Durch Verstopfung der Nierentubuli mit Calciumoxalat-Kristallen kommt es zu Nierenschäden bis hin zum Nierenversagen. Die für die Hälfte der Hunde tödliche Dosis (LD50) beträgt 1 g Oxalsäure pro kg Körpergewicht bei oraler Aufnahme. Für Meerschweinchen beträgt die LD50 600 bis 900 mg Stammsaft pro Tier. Triterpene aus dem Weihnachtsstern führen wie bei Thujaarten zu Gastroenteritiden oder ZNS-Störungen. Auch die beliebten Azaleen und andere Rhododendronarten sind giftig. Schon ein bis zwei Blätter wirken bei Hunden toxisch. Die enthaltenen Diterpene und Grayano-Toxine können zu Krämpfen und Herzrhythmusstörungen führen. Noch gravierender ist der Effekt von Lilien bei Katzen. Schon nach der Aufnahme eines Blatt- oder Blütenteils treten schwere Vergiftungen auf, die im weiteren Verlauf zum Nierenversagen führen können.

Tab. 1: Beispiele für Zimmerpflanzen mit Inhaltsstoffen, die für Tiere toxisch sein können
Pflanze
Giftstoff
Symptome
Dosis
Therapie
Dieffenbachie, Philodendron, Kalla, Einblatt (Aronstabgewächse),
Schefflera
Calcium-Oxalate (Raphide), Oxalsäure
Speicheln, starke Schleimhautschwellung, Larynx- und Pharynxödem, Gastroenteritis, Hypokalzämie, Nierenversagen
Hund LD50 (oral): 1 g Oxalsäure/kg Körper­gewicht;
Meerschweinchen LD50 (oral): 600 bis 900 mg Stammsaft/Tier
symptomatisch,
eventuell Calcium-Substitution
Amaryllis, Narzissen, Tulpen
Alkaloide
Vomitus, Diarrhoe, Herzrhythmusstörungen, Ataxie, Krämpfe, Zittern, Brady­kardie, Hypotonie
unbekannt
symptomatisch,
Atropin bei Brady­kardie
Azalee, Rhododendron
Diterpene, Grayano-Toxine
Vomitus, Diarrhoe, Herzrhythmusstörungen, Ataxie, Krämpfe, Zittern, Brady­kardie, Hypotonie
toxische Dosis beim Hund: ein bis zwei ­Blätter
symptomatisch,
Atropin bei Brady­kardie
Ricinus
Ricin (Toxalbumin, hitzeempfindlich, fettunlöslich – daher nicht in Rizinusöl)
Hämorrhagische Gastroenteritis, Kolik, Schwäche, Krämpfe, Koma, Multiorganversagen, Kreislaufkollaps
Hund: wenige Ricinus­samen tödlich
symptomatisch, Dekontamination
Alpenveilchen
Saponine, vor allem Cyclamin
Vomitus, Diarrhoe, Kolik, Kreislaufstörungen, Krämpfe, Hämolyse, Atemlähmung
unbekannt
symptomatisch, Dekontamination
Kalanchoe
Bufadienolide, Cotyledontoxin
Dyspnoe, Krämpfe, Paralyse
unbekannt
symptomatisch, Dekontamination
Lilie
unbekannt
vorübergehend gastrointestinale Symptome, Katze: nach 12 bis 30 Stunden akutes Nierenversagen
Katze: schwere Vergiftungssymptome schon nach Aufnahme von einem Blatt- oder Blütenteil
symptomatisch,
Katze: aggressive Flüssigkeitstherapie
Weihnachtsstern
Triterpene
Gastroenteritis mit Erbrechen, ZNS-Störungen
unbekannt
symptomatisch, ­Dekontamination

Cave Jakobskreuzkraut!

Einen Sonderfall unter den giftigen Pflanzen bildet das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea). Die wild wachsende Pflanze wurde zeitweilig zur Verschönerung der Grünstreifen an Straßenrändern ausgesät, verbreitet sich nun mancherorts massenhaft und ist nur schwer zu beseitigen. Sie enthält Pyrrolizidinalkaloide (Jacobin, Jaconin, Jacodin, Senecionin, Retrorsin, Seneciphyllin, Senkirkin u. a.). Die akute Toxizität ist praktisch kaum relevant, aber die kumulative Wirkung ist lebertoxisch. Dabei ist die über die gesamte Lebenszeit aufgenommene Menge der Pyrrolizidin­alkaloide entscheidend. Denn die Metaboliten der Pyrrolizidinalkaloide reagieren irreversibel mit der DNA und anderen Makromolekülen. Dies schädigt die Leberzellen und kann kumulativ zur tödlichen Seneziose führen. Weidetiere wie Rinder und Pferde meiden die Pflanzen, aber in Heu und Silage können die Tiere das Jakobskreuzkraut nicht erkennen und sind dadurch gefährdet. Auch Erhitzen zerstört die Pyrrolizidinalkaloide nicht. Die Ernte befallener Wiesen darf daher nicht zu Tierfutter verarbeitet werden. Auch der Honig von Bienen, die den Nektar des Jakobskreuzkrauts verwerten, ist mit Pyrrolizidinalkaloiden belastet und sollte daher nicht verzehrt werden.

Avocados als Gift

Wenn Tiere Teile von Wild- oder Zierpflanzen fressen, denken viele Tierbesitzer an eine drohende Vergiftung und beobachten das Tier entsprechend. Dieses Bewusstsein fehlt bei der Aufnahme von Nahrungsmitteln, die für Menschen auf dem Speiseplan stehen und deren giftige Wirkung für Tiere nicht immer bekannt ist (s. Tab. 2). Praktisch wichtige Beispiele sind Avocado, Knoblauch und Zwiebeln. Die ganze Avocadofrucht und die Blätter der Pflanze enthalten Persin, ein Fettsäurederivat, das für viele Tierarten giftig ist. Aus dem Magen-Darm-Trakt wird Persin so schnell resorbiert, dass die maximale Plasmakonzentration schon nach ein bis zwei Stunden erreicht wird. Es führt zum Zusammenschnüren der Mikrotubuli. Bei laktierenden Säugetieren kann eine sterile Mastitis mit Agalaktie entstehen. Nach hohen Persin-Dosen droht bei Säugetieren und Vögeln eine Myokardnekrose. Außerdem kann der hohe Fettgehalt von Avocados bei Hunden und Katzen zu Magen-Darm-Problemen und bei Hunden zur Pankreatitis führen. Es ist nicht bekannt, welche Persin-Menge für einen Menschen problematisch sein kann.

Tab. 2: Nahrungs- und Genussmittel, die für Tiere gefährlich sein können (KG: Körpergewicht)
Nahrungs- bzw. Genussmittel
Giftstoff
Symptome
Dosis
Therapie
Avocado, Blätter und gesamte Frucht
Persin
Gastroenteritis, Pankreatitis, Mastitis, in hoher Dosierung Herzmuskelnekrose
toxische Dosis nicht genau bekannt, ­Persin-Gehalt sehr unterschiedlich
symptomatisch, ­
Dekontamination
alkoholische Getränke
Ethanol
ähnlich wie beim Menschen
tödliche Dosis 3 bis 8 g/kg Körpergewicht
symptomatisch, bei zentraler Depression kein Erbrechen auslösen wegen Gefahr einer Aspirationspneumonie, Aktivkohle nutzlos
Kaffee
Coffein
Erregungszustände, Krämpfe, Tachypnoe, Dyspnoe, Tachykardie, Herzarrhythmien, Tod durch Atem- oder Herzstillstand
minimale letale orale Dosis 100 bis 150 mg/kg Körpergewicht
symptomatisch
schwarzer Tee
Coffein, Theophyllin
siehe Kaffee
siehe Kaffee
symptomatisch
Schokolade
Theobromin
siehe Kaffee
LD50 (oral): 200 mg/kg KG, 20 g Zartbitterschokolade/kg KG kann tödlich sein
symptomatisch,
Dekontamination: Erbrechen auslösen, Aktivkohle 1 bis 5 g/kg Körpergewicht, forcierte Diurese
Knoblauch, Zwiebeln
Allicin (Knoblauch), N-Propyl-­disulfid (Zwiebeln)
hämolytische Anämie durch Methämoglobinämie, Heinz-­Körperchen in den Erythrozyten,Inappetenz, Lethargie, Tachykardie
toxische Dosis: ab 5 g Knoblauch bzw. Zwiebeln/kg KG, einmalig oder wiederholte kleine Mengen
symptomatisch, Dekontamina­tion, Bluttransfusion
Macadamianüsse
unbekannt
Schwäche (vor allem der Hinterhand), Vomitus, ­Ataxie, Lahmheit, Steifheit, Tremor, Hyperthermie bis 40,5 °C
Hund: toxische Dosis ab 0,7 g Nüsse/kg Körpergewicht, bei einem 4 kg schweren Hund kann bereits eine Nuss zu Symptomen führen
symptomatisch
Weintrauben, Rosinen
unbekannt
erst Vomitus und Lethargie, nach 24 bis 72 Stunden akutes Nierenversagen, Tod
toxische Dosis: 10 bis 30 g Weintrauben/kg KG (Hund), 3 g Rosinen/kg KG (Hund)
symptomatisch, Dekontamina­tion, Hämodialyse
Obstkerne
Cyanide
Zittern, Krämpfe, Speicheln, Vomitus, Bittermandelgeruch, Schock, Tod durch Atemstillstand
tödliche Dosis 2 mg/kg Körpergewicht
Natriumnitrit bzw. Dimethyl­aminophenol (4-DMAP) und Natriumthiosulfat;
Dekontamination, Erbrechen auslösen, Aktivkohle 1 bis 5 g/kg Körpergewicht
Tabak
Nicotin
Erregungszustände, Krämpfe, eventuell Kreislauf­zusammenbruch
minimal toxische Dosis (oral) 4 mg/kg Körpergewicht, eine Zigarette enthält 9 bis 30 mg Nicotin, ein Stummel ca. 5 bis 7 mg;
bei einem 10 kg schweren Hund können zwei Zigaretten oder etwa sieben Zigarettenstummel zu Symptomen führen
symptomatisch;
Dekontamination: Erbrechen auslösen, Aktivkohle 1 bis 5 g/kg Körpergewicht, forcierte Diurese
Zuckeraustauschstoff
Xylit
dosisabhängige Hypoglykämie mit Apathie, Ataxie, Desorientierung, Koma, hepatotoxisch, ab 0,5 mg/kg KG akutes Leberver­sagen möglich
minimal toxische Dosis 0,1 g/kg Körpergewicht für Hund, Frettchen, Kaninchen; ungefährlich für Katze, Pferd, Ratte
Dekontamination, solange noch keine klinischen Symptome vorliegen;
Glukose-Infusion, Leberschutz, z. B. Silymarin 30 bis 40 mg/kg KG zwei- bis dreimal täglich, N-Acetylcystein, S-Adenosyl­methionin, Vitamin E

Für Hunde bedrohliches menschliches Essen

Knoblauch und Zwiebeln sind aufgrund ihres Gehalts an schwefelhaltigen nicht-proteinogenen Aminosäuren (Alliine) für Hunde schon in erstaunlich geringen Mengen gefährlich. Bei der Zerstörung der Pflanzenzellen entstehen verschiedene Disulfide und weitere toxische Substanzen wie S-Methylcystein-Sulfoxid, Natrium-N-Propylthiosulfat und Natrium-2-­Propenylthiosulfat. Die schleimhautreizende Wirkung dieser Stoffe führt zu Übelkeit und Erbrechen. Doch der entscheidende toxische Effekt ist vermutlich die oxidative Denaturierung des Hämoglobins, die zur Methämoglobin­ämie und zu einer hämolytischen Anämie führt. Eine überzeugende Erklärung für die großen Speziesunterschiede ist nicht bekannt. Als Ansatz wird die unterschiedliche Sauerstoffaffinität des Hämoglobins beim Menschen und verschiedenen Tierarten diskutiert. Beim Bärlauch entsteht das ebenfalls hämolytisch wirkende Diallyldisulfid. Die Giftstoffe werden durch Kochen, Trocknen oder industrielle Verarbeitung nicht zerstört. Schon eine frische Knoblauchknolle oder eine mittelgroße Zwiebel können bei einem 10 kg schweren Hund zu Vergiftungssymptomen führen. Hunde der Rassen Akita und Shiba sind besonders empfindlich.

Höchst bedrohlich für Hunde sind Vergiftungen mit Macadamianüssen, Weintrauben und Rosinen. In allen drei Fällen ist der toxikologische Mechanismus nicht geklärt, aber die Effekte sind massiv. Bei einem 4 kg schweren Hund kann schon eine einzige Macadamianuss zu Lahmheit, Steifheit, Tremor oder Hyperthermie führen. 10 bis 30 g Weintrauben pro kg Hund oder 3 g Rosinen pro kg Hund führen zu Erbrechen und Lethargie. Nach ein bis drei Tagen kann das Tier an Nierenversagen sterben.

Schokolade – der Klassiker bei Hunden

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Ein besonders häufiger Fall im tierärztlichen Alltag sind Vergiftungen von Hunden mit Schokolade oder anderen Kakaoprodukten. Hintergrund ist der bei Hunden verlangsamte Abbau von Theobromin, das Krämpfe, Tachykardie und Arrhythmien verursacht und zum Tod durch Atem- oder Herzstillstand führt. Schon 20 g Zartbitterschokolade pro kg Körpergewicht können für Hunde tödlich sein. Grundsätzlich besteht dieses Problem auch bei anderen Xanthin-Derivaten. Doch bei Coffein in Kaffee oder schwarzem Tee unterscheidet sich die toxische Dosis weniger von den Verhältnissen beim Menschen. Für die Letalität beim Hund spielt neben der Theobromin-Menge auch das Theo­bromin-Coffein-Verhältnis eine Rolle. Das höchste toxische Potenzial liegt bei einem Theobromin-Coffein-Verhältnis von 5 : 1.

Xylit – große Unterschiede zwischen den Tierarten

Eine weitere, für einige Tierarten gefährliche Kuriosität stellt der Zuckeraustauschstoff Xylit dar. Erwachsene Menschen metabolisieren Xylit über D-Xylulose zu Fruktose-6-Phosphat. Für Hunde, Frettchen, Kaninchen, Kühe, Ziegen und Paviane ist Xylit toxisch, aber es gilt als ungefährlich für Pferde, Ratten, Rhesusaffen und Katzen. Xylit führt bei Hunden zu einem schnellen, dosisabhängigen Insulin-Anstieg und daraufhin zum Abfall der Blutglukose. Außerdem reduziert Xylit die Glukoneogenese in der Leber. Der toxische Effekt liegt in einer potenziellen Leberzellnekrose, für die zwei Mechanismen diskutiert werden. Einerseits könnten phosphorylierte Zwischenprodukte die zellulären ATP-, ADP- und anorganischen Phosphorreserven erschöpfen, die dann bei lebenswichtigen Zellfunktionen fehlen. Andererseits könnten beim Xylit-Abbau reaktive Sauerstoffverbindungen entstehen, die Membran- und Makromolekül-Schäden verursachen und die Hepatozyten schwächen. Verglichen mit einer äquivalenten Dosis Zucker verursacht Xylit bei Frettchen, Kaninchen, Kühen, Ziegen und Pavianen einen signifikanten Insulinanstieg. Einen vernachlässigbaren Insulinanstieg gibt es bei Pferden, Ratten, Rhesusaffen und Menschen. An Katzen wurden auch nach oraler Einnahme von 1 g Xylit pro kg Körpergewicht keine langfristigen Beeinträchtigungen festgestellt. Damit zeigt das Beispiel auch die großen Unterschiede, die bei der Toxizität zwischen verschiedenen Tierarten bestehen können.

Für Menschen und Tiere gleichermaßen toxisch sind Obstkerne aufgrund ihres Gehalts an Cyaniden. Auch die Wirkung von Alkohol ähnelt sich bei Menschen und Tieren. Die tödliche Dosis für eine akute Vergiftung wird mit 3 bis 8 g pro kg Körpergewicht angegeben. Für einen 6 kg schweren Hund kann demnach schon eine Flasche Bier tödlich sein. Die Behandlung einer Alkoholvergiftung bei Tieren erfolgt symptomatisch. Aktivkohle ist hier nutzlos. Bei zentraler Depression darf wegen der drohenden Aspirationspneumonie kein Erbrechen ausgelöst werden.

Humanarzneimittel – toxisch für Tiere

Weitere Ursachen für Vergiftungen sind Arzneimittel mit besonderen Effekten bei bestimmten Tierarten. Was für Menschen und manche Tiere ein hilfreiches Arzneimittel ist, kann für andere Tiere schon in geringen Dosen tödlich sein. Aufgrund der großen Verbreitung ist an Acetylsalicylsäure zu denken, das für Tiere nicht als Schmerzmittel geeignet ist. Beim Hund führen 50 mg pro kg Körpergewicht bei dreimal täglicher Gabe zu akutem Erbrechen und gastrointestinalen Blutungen. Leberschäden, Lungen- oder Hirnödem und spätere Organschäden sind möglich. Bei Katzen droht dies bereits nach der Gabe von zweimal täglich 25 mg pro kg Körpergewicht. Für Hunde sind einmal 700 mg Acetylsalicylsäure pro kg Körpergewicht tödlich.

Paracetamol ist besonders für Katzen aufgrund ihrer nahezu fehlenden Glukuronidierungsmöglichkeit toxisch. Bereits 10 mg Paracetamol pro kg Körpergewicht können bei Katzen zu Meth­ämoglobinämie oder Leberversagen führen, 50 mg Paracetamol pro kg Körpergewicht sind für Katzen tödlich. Der erste Therapieansatz ist die Dekontamination durch Auslösen von Erbrechen. Als Antidot wird N-Acetylcystein gegeben (initial: 140 mg intravenös pro kg Körpergewicht, anschließend 70 mg oral pro kg Körpergewicht sechsmal im Abstand von jeweils sechs Stunden), außerdem Vitamin C 30 mg pro kg Körpergewicht oral oder intravenös sechsmal im Abstand von jeweils sechs Stunden.

Pyrethroide – nicht für Katzen

Die stark verminderte Aktivität der Glucuronyltransferase ist der Grund, weshalb Pyrethroide für Katzen tödlich sind. Bei anderen Säugetieren werden Pyrethroide hydrolysiert oder oxidiert und anschließend durch Sulfatierung oder Glukuronidierung wasserlöslich gemacht – nicht jedoch bei Katzen. Daher wirken Pyrethroide bei ihnen schon in geringsten Dosen toxisch. Die Vergiftung äußert sich durch Zittern, Muskelkrämpfe, Bewegungsstörungen, starken Speichelfluss, Erbrechen oder Durchfall. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein. Die tödliche Dosis bei dermaler Anwendung beträgt 100 mg pro kg Körpergewicht. Mit milden Detergenzien und lauwarmem Wasser (heißes Wasser fördert die Resorption, kaltes Wasser verstärkt die Symptome) sollten Fell und Haut gereinigt werden. Eine Vergiftung wird durch symptomatische Behandlung und 20%-ige Lipidinfusion therapiert. Auch wenn Katzen im selben Haushalt wie ein Hund leben, der mit Pyrethroid-haltigen Zubereitungen behandelt wurde, ist Vorsicht geboten. Die Katze sollte keinen direkten Kontakt zu einem solchen Hund haben und auch nicht denselben Liegeplatz nutzen. Das intensive Pflegeverhalten von Katzen verstärkt die Gefahr der Aufnahme von Pyrethroiden weiter. Eine Ausnahme bildet Flumethrin (Seresto®-Halsband), das als einziges Pyrethroid nicht glukuronidiert wird und daher auch für Katzen verträglich ist.

Rattengift – Cumarine oder α-Chloralose

Eine häufige Vergiftungsursache bei Hund und Katze sind ausgelegte Mäuse- oder Rattengiftköder bzw. daran gestorbene Nager, die dann gefressen werden. Cumarin-Derivate der ersten Generation, beispielsweise Chlorophacinon, Couma­tetralyl, Pindon und Warfarin sind weniger toxisch als Cumarin-Derivate der zweiten Generation wie Brodifacoum, Bromadiolon, Difenacoum und Flocoumafen. Die wiederholte Aufnahme kleiner Mengen verursacht schwer­wiegendere Symptome als die einmalige Aufnahme einer größeren Menge. Cumarin-Derivate hemmen kompetitiv die Vitamin-K1-Epoxidreduktase, die für die Reaktivierung von Vitamin K1 verantwortlich ist. Es kommt zur Gerinnungshemmung und dadurch zu Blutungen, Anämie, Hypothermie, Schock und bei Hirnblutung zu Krämpfen und zum Tod. Antidot ist Vitamin K1, das bei Derivaten der ersten Generation über mindestens sieben Tage, bei Derivaten der zweiten Generation über mindestens drei Wochen gegeben werden muss. Dabei stellt Vitamin K1 erst nach ein bis drei Tagen wieder die Gerinnungsfähigkeit des Blutes her. Bis dahin kann es zu weiteren Blutungen kommen, daher sollte das Tier vorsichtig gehandhabt und überwacht werden.

Anders als Cumarin-Derivate wirken α-Chloralose, ein Kondensationsprodukt von Glukose und dem Hypnotikum Chloralhydrat, und dessen Metabolit Trichlorethanol depressiv auf das Zentralnervensystem. α-Chloralose wirkt zudem stimulierend auf die spinalen Reflexe und führt zur Hyperreflexie. Kleinste taktile oder akustische Reize können dadurch Krämpfe verursachen. Daneben kann eine bronchiale Hypersekretion auftreten, die die Atmung behindert. Die beeinträchtigte Temperaturregulation führt zur tödlichen Hypothermie. Ein spezifisches Antidot gibt es nicht, und die Behandlung kann nur symptomatisch erfolgen.

Tab. 3: Sonstige Giftstoffe, die in der Praxis relevant sein können (KG: Körpergewicht, DMSA: meso-­Dimercaptosuccinylsäure, DMPS: Dimercaptopropansulfonat)
Giftquelle
Giftstoff
Symptome
Dosis
Therapie
z. B. Altöl, Farbe, Schrotkugeln, Batterien, Golfbälle, Druckerschwärze, Linoleumböden
Blei
blutige Gastroenteritis, Sehstörungen bis Erblindung, Anämie, Krämpfe oder Paralysen; chronische Vergiftung möglich
je nach Bleiverbindung 300 mg bis 2,5 g/kg KG, oral, dermal oder inhalativ
Chelatbildner CaNa2EDTA 25 mg/kg viermal täglich über maximal fünf Tage; Succimer (DMSA), 10 mg/kg KG dreimal täglich oral 10 Tage
Rhodentizid
Cumarin-Derivate der 1. Generation (z. B. Coumatetralyl, Pindon, Warfarin);
Cumarin-Derivate der 2. Generation (z. B. Brodifacoum, Bromadiolon, Difenacoum, Flocoumafen)
Gerinnungshemmung, dadurch Blutungen, Anämie, Hypothermie, Schock, bei Hirnblutungen Krämpfe und Tod
je nach Produkt und Wirkstoffgehalt, z. B. Brodifacoum: Hund Dekontamination ab 0,125 mg Brodifacoum/kg KG;
Katze Dekontamination ab 7,35 mg Brodifacoum/kg KG notwendig
Dekontamination: Erbrechen auslösen, Aktivkohle 1 bis 5 g/kg KG, evtl. Bluttransfusion; Antidot Vitamin K1: initial 5 mg/kg KG, danach zweimal täglich 1,25 mg/kg KG oral mit fettreichem Futter, bei Derivaten der 1. Generation mind. über sieben Tage, bei Derivaten der 2. Generation mind. über drei Wochen
Rhodentizid
α-Chloralose
Speicheln (Hund), Hyper­ästhesie (Katze), Depression, Dyspnoe wegen bronchialer Hypersekretion, Krämpfe, tödliche Hypothermie
Hund/Katze akute orale LD50 400 bis 600 mg/kg KG;
Katze minimale letale orale Dosis 100 mg/kg KG
symptomatisch, Dekontamination, forcierte Diurese, Ruhe, Wärme
Frostschutzmittel
Ethylenglykol
Phase 1 nach 30 Minuten: Vomitus, rauschähnlicher Zustand mit Ataxie und ZNS-Depression, Durst; nach ca. drei Stunden metabolische Azidose
Phase 2 nach 12 bis 24 Stunden (Katze) bzw. 36 bis 72 Stunden (Hund): Bildung von Glycol­aldehyd und Oxalsäure: Nierenversagen durch Ablagerung von Calciumoxalatkristallen
minimale letale Dosis von unverdünntem Ethylenglykol:
Hund 6,6 ml/kg KG,
Katze 1,5 ml/kg Kg,
Hund LD50 (oral): 10 ml/kg KG Diethylenglykol
Ethanol während der ersten 5 Stunden nach Giftaufnahme, (kompetitive Hemmung der Alkoholdehydrogenase: 2,5 ml/kg KG 40%iger Alkohol, nach 3, 7, 14 und 24 Stunden wiederholen, alternativ 4-Methylpyrazol (Fomepizol) i. v., zusätzlich symptomatisch
Schneckenkorn
Metaldehyd
zentrale Krämpfe, Hyperthermie durch starken Tremor, Leberinsuffizienz, vorübergehende Blindheit, Tod durch disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) oder Atemstillstand
LD50 (oral): etwa 200 mg/kg Körpergewicht, ab 20 bis 40 mg/kg KG Dekontamination empfohlen
symptomatisch, Dekontamination: Erbrechen auslösen, Aktivkohle 1 bis 5 g/kg Körpergewicht, Magen­spülung mit 5%iger Natrium­hydrogencarbonat-Lösung, Kühlen mit kaltem Wasser, Eis oder Isopropanol
Cannabis
Tetrahydrocannabinol (THC)
Ataxie, Vomitus, Mydriasis, Nystagmus, Hypothermie, ZNS-Depression (bis zu 36 Stunden), auch Übererregbarkeit, Speicheln, Diarrhoe, Tachy- oder Bradykardie
inhalativ (mehrmaliges Anpusten mit Rauch), oral > 84 mg/kg KG Marihuana (getrocknete Blätter)
symptomatisch, Lipidinfusion
z. B. Saatbeizmittel, quecksilberhaltige Desinfektionsmittel oder Farben, Thermometer, Batterien
Quecksilber
Gingivitis, Quecksilbersaum am Zahnfleisch, zentral­nervöse Störungen, Schleimhautverätzungen mit Vomitus und blutiger Diarrhoe, Nierenversagen
akute minimal toxische Dosis je nach Quecksilberverbindung 0,2 bis 2 g/kg KG
symptomatisch, Dekontamination: Erbrechen auslösen, außer bei ätzenden Verbindungen (z. B. Sublimat), Aktivkohle 1 bis 5 g/kg KG, forcierte Diurese, Chelatbildner DMPS 5 mg/kg KG i. v., sechsmal alle 4 Stunden, danach 2 mg/kg KG oral alle 8 bis 12 Stunden, nur bei ungestörter Nierenfunktion

Behandlung bei Vergiftungen

Das Spektrum weiterer Substanzen, die als Vergiftungsursache bei Tieren in Betracht kommen, ist groß. Eine Auswahl praktisch relevanter Beispiele ist in Tabelle 3 zusammengestellt. Im tierärztlichen Alltag gibt es immer wieder verblüffende Fälle mit ungewöhnlichen Vergiftungsursachen. Darum ist jeder Vergiftungsverdacht ein Notfall. Tierbesitzer sollten sofort einen Tierarzt anrufen. Oft ist schnelles Handeln entscheidend. Denn wenn die Giftaufnahme erst kurze Zeit zurückliegt, kann die Resorption möglicherweise noch entscheidend vermindert werden, indem der Tierarzt Erbrechen auslöst und damit das Gift aus dem Magen entfernt. Beim Telefonat mit dem Tierarzt sollte der Tierbesitzer die Symptome beschreiben. Verdächtige Giftquellen einschließlich Verpackung sollten ebenso wie angefressenes oder erbrochenes Material (in einem Plastikbeutel verpackt) mitgebracht werden. Meistens erfolgt die Therapie jedoch anhand der Symptome. In Tabelle 4 sind Giftstoffe aufgelistet, zu denen spezifische Antidote verfügbar sind. Doch das betrifft nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Vergiftungsfälle. |

Tab. 4: Spezifische Antidote
toxisches Agens
Antidot
Amitraz
Atipamezol
Benzodiazepine
Sarmazenil
Blei
CaNa2EDTA, DMSA (meso-­Dimercaptosuccinylsäure)
Carbamate
Atropinsulfat
Cholecalciferol (Vitamin D3)
Salmcalcitonin
Cumarin-Derivate
Vitamin K1
Cyanide
Natriumnitrit, Natriumthiosulfat
Detergenzien
Simethicon
Eisen
Deferoxamin
Ethylenglykol
Ethanol, 4-Methylpyrazol (nur Hund)
Opioide
Naloxon
Organophosphate
Atropinsulfat
Paracetamol
N-Acetylcystein und Vitamin C
Quecksilber
DMPS (Dimercaptopropansulfonat)
Zink
CaNa2EDTA, DMSA (meso-­Dimercaptosuccinylsäure)

Literatur

Literatur bei der Verfasserin

Autorin

Tierärztin Sabine Wanderburg hat in Hannover Veterinärmedizin studiert und hält mit ihrem Dackel Bodo auch Seminare für Apotheker zu veterinärmedizinischen Themen.

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