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Pandemie Spezial
Mehr Schaden als Nutzen?
COVID-19-Therapie mit Chloroquin und Hydroxychloroquin birgt hohe Risiken
Derzeit wird die Behandlung von COVID-19-Patienten mit den 4-Aminochinolonen Chloroquin oder Hydroxychloroquin in mehreren Studien untersucht – allein im Studienregister ClinicalTrials.gov der U. S. National Library of Medicine finden sich 43 Einträge (Stand 17. April 2020). In einigen Studien fielen unter anderem schwerwiegende unerwünschte Wirkungen auf, die teilweise zu einem Abbruch der Studien führten. So zum Beispiel die brasilianische CloroCovid-19-Studie, in der der Hochdosisarm mit Chloroquin (2 × 600 mg/Tag über zehn Tage) gestoppt wurde, weil es zu QT-Zeit-Verlängerungen und einer erhöhten kardialen Sterblichkeit gekommen war. Alle Patienten hatten zusätzlich Azithromycin erhalten [1].
Eine kanadische Arbeitsgruppe hatte kurz zuvor Informationen zum Sicherheitsprofil von Chloroquin/Hydroxychloroquin zusammengestellt. Dabei wurde unter anderem auf dosisabhängige Nebenwirkungen hingewiesen, die vornehmlich in höheren Dosierungen und bei Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen auftreten können. Neben den beiden 4-Aminochinolonen wird ein zusätzliches Augenmerk auf Azithromycin gerichtet.
UAW unter Kurzzeittherapie
Die kanadische Arbeitsgruppe legte ihren Fokus auf unerwünschte Wirkungen, die unter einer Kurzzeittherapie auftreten können. Neben allgemeinen Effekten wie Juckreiz, Nausea und Kopfschmerzen sind dies:
- Eine Verlängerung des QT-Intervalls und ein erhöhtes Risiko für eine Torsade-de-pointes-Tachykardie (TdP); der Effekt ist dosisabhängig und kann individuell variieren. Azithromycin als Monotherapie führt zu keiner signifikanten Verlängerung des QT-Intervalls, kann aber in Kombination mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin das Risiko für TdP-Tachykardien erhöhen. Dies ist vor allem dann zu beachten, wenn die Patienten kardiale Vorerkrankungen aufweisen.
- Hypoglykämie. Fallberichten zufolge kam es unter Chloroquin und Hydroxychloroquin zu schweren Hypoglykämien mit multifaktorieller Ätiologie.
- Neuropsychiatrische Effekte wie Agitation, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, Paranoia, Depressionen und Psychosen; diese Begleiterscheinungen können in jeder Altersstufe und auch bei Patienten ohne psychiatrische Vorerkrankung auftreten.
- Hämatologische Toxizitäten.
- Genetische Variabilität. Chloroquin oder Hydroxychloroquin werden über das P450-Enzym CYP2D6 verstoffwechselt; liegen genetische Varianten vor (poor metabolizer), findet ein verlangsamter Abbau statt.
- Interaktionen mit CYP2D6-Substraten.
- Immunologische Nebenwirkungen. Selten können schwere kutane Nebenwirkungen (z. B. toxische epidermale Nekrolyse) auftreten.
- Überdosierung. Chloroquin und Hydroxychloroquin sind bei einer Überdosierung extrem toxisch; Symptome wie kardiovaskulärer Kollaps, Atem- und Herzstillstand können innerhalb weniger Stunden eintreten.
Abschließend stellen die Autoren die provokante Frage, ob Chloroquin/Hydroxychloroquin eine COVID-19-Erkrankung verschlimmern können. So gibt es Spekulationen, dass die Hemmung der Proliferation von T-Helfer-Zellen und der Interleukin-2-Bildung durch Chloroquin/Hydroxychloroquin die inflammatorische Antwort auf die SARS-CoV-2-Infektion erhöhen und so den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen könnte. Bereits die Möglichkeit eines negativen Effekts unterstreicht die Notwendigkeit, randomisierte und qualitativ hochwertige Studien zum Einsatz von Chloroquin/Hydroxychloroquin durchzuführen, so die kanadischen Studienautoren. Ähnliche Empfehlungen sprechen auch EMA und BfArM aus. |
Literatur
[1] Borba MGS et al. MedRxiv 16. April 2020, doi: https://doi.org/10.1101/2020.04.07.20056424
[2] Juurlink D. Safety considerations with chloroquine, hydroxychloroquine and azithromycin in the management of SARS-CoV-2 infection. CMAJ 8. April 2020, cmaj.200528, DOI: https://doi.org/10.1503/cmaj.200528
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