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Gesundheitspolitik
Großes Vertrauen in das Makelverbot
Wie bewerten Gesundheitspolitiker die Übernahme der TeleClinic durch Zur Rose?
cha | Es war der Knaller im Sommerloch, als die DocMorris-Mutter Zur Rose vorletzte Woche bekannt gab, dass sie den Münchener Telemedizin-Pionier TeleClinic übernehmen würde. Erstaunlicherweise fand dieser Knaller kaum Resonanz in der Politik. Die AZ hat daher bei den Gesundheitsexperten der Parteien nachgefragt, was sie davon halten, dass künftig ärztliche und apothekerliche Tätigkeit unter dem Dach derselben Aktiengesellschaft stattfinden. Das Bundesgesundheitsministerium sieht sich dafür gewappnet: Im Rahmen der Gesetzgebung zur Einführung des eRezepts seien weitere Maßnahmen vorgesehen, „die eine Zuweisung und ein Makeln von Verschreibungen und eine Beeinflussung der Patientinnen und Patienten zur Inanspruchnahme einer bestimmten Apotheke verhindern sollen“, so die Pressestelle gegenüber der AZ. Und: „Die freie Apothekenwahl muss gewährleistet bleiben.“ Auch etliche weitere Gesundheitspolitiker setzen auf das Makelverbot – und darauf, die Entwicklung zu beobachten.
Für den SPD-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Franke, MdB, ist es wichtig, dass die Trennung von Arzt und Apotheke erhalten bleibt. Dazu gehöre eine freie Apothekenwahl. „Deshalb haben wir ein Zuweisungsverbot von Rezepten ins Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) aufgenommen. Mit diesem rechtlichen Rahmen schützen wir die Apotheken zuverlässig“, so Franke weiter. Die Politik werde genau hinsehen, wie „Zur Rose“ als Mutterkonzern von DocMorris das Makelverbot des PDSG umsetzt.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Andrew Ullmann, MdB, betont, dass „die Aufgabenteilung zwischen Apotheke und Arzt“ beibehalten werden müsse – „auch in diesem Fall, wo die beiden Anbieter zum gleichen Mutterkonzern gehören“. Eine automatische Weiterreichung von Rezepten dürfe es nicht geben. Auch Ullmann will „die Auswirkungen der Übernahme politisch beobachten und sehen, ob sich daraus Handlungsbedarf ergibt“. Wenn jedoch die strikte Abgrenzung zwischen beiden „Schwester-Unternehmen“ eingehalten werde, sehe er bei der Übernahme zunächst keinen politischen Handlungsbedarf.
Ähnlich sieht es die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Maria Klein-Schmeink (MdB): „Zuerst einmal sind die Regelungen im PDSG sehr klar und definieren damit sowohl das Makelverbot als auch das Zuweisungsverbot und die Vorteilsnahme.“ Man werde jedoch scharf beobachten müssen, ob durch die Übernahme Konzernstrategien entstehen, diese Vorgaben auszuhebeln. „Im Zweifelsfall müsste es auch juristisch geprüft werden, ob eine Interessenskollision vorliegt. Dann müsste der Gesetzgeber handeln“, so Klein-Schmeink weiter.
Linke sieht gesetzliche Lücke
Deutliche Worte findet dagegen die Gesundheitsexpertin der Linken Sylvia Gabelmann (MdB): Sie verweist auf die Möglichkeit, „dass sich der Arbeitgeber von Internet-Ärzten den hauseigenen Internetapotheken die Verordnungen zuschanzt“. Das widerspreche allem, was das vor vier Jahren in Kraft getretene Anti-Korruptionsgesetz erreichen sollte. „Ich erwarte“, so Gabelmann weiter, „dass die zuständige Aufsichtsbehörde und auch das Bundesgesundheitsministerium Konzepte vorlegen, wie die konzerninterne Korruption wirksam ausgeschlossen werden soll.“ Letztlich dürfte hier aber nur eine Gesetzesänderung helfen, diese offensichtliche Lücke zu schließen.
Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betont, dass sie sich seit Jahren „vehement für ein Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Arzneimittel und den Erhalt des bestehenden Fremd-und Mehrbesitzverbots“ eingesetzt habe. Die Digitalisierung berge riesige Chancen, man dürfe aber nicht vergessen, dass sie kein Selbstzweck sei. Das Zuweisungsverbot dürfe nicht gelockert werden und es dürfe „auch keine Möglichkeit der direkten Übermittlung per App vom Arzt in die Apotheke“ geben. Die Forderungen der Apotheker, das Makeln von Rezepten zu unterbinden, werde im PDSG berücksichtigt und damit rechtlich erfüllt. „Ärzte in Deutschland können die Verordnung somit ausschließlich auf die App der Gematik ausstellen“, so Huml weiter. „Die Patienten entscheiden anschließend, ob sie diese eVerordnung über eine andere App weiter nutzen, versenden oder mit der Gematik- oder einer anderen App in eine Apotheke vor Ort gehen möchten.“ |
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