Gesundheitspolitik

Geldstrafe für Thomas Bellartz

BERLIN (ks) | Das Landgericht Berlin hat den Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz wegen „Datenklaus“ aus dem BMG zu 52.800 Euro Geldstrafe verurteilt.

15 Monate nach dem Start der Hauptverhandlung und mehr als sechs Jahre nach der letzten angeklagten Tat ist am 10. April 2019 das Urteil im „Datenklau“-Prozess gefallen. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert – doch die 1. Strafkammer befand die Angeklagten für schuldig. Wegen „Ausspähens von Daten“ (§ 202a StGB) in zwei Fällen hat sie den früheren ABDA-Sprecher und heutigen Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz zu 300 Tagessätzen à 220 Euro verurteilt. 60 davon gelten bereits als vollstreckt. Der Vorsitzende Richter erläuterte, dass dies die Folge von „rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen“ sei. Wäre die Kammer nicht so überlastet gewesen und hätte das Zusammenspiel mit der Polizei besser geklappt, hätte das Zwischenverfahren um ein Jahr verkürzt werden können, die Hauptverhandlung um neun Monate. Daher gilt ein Teil der Strafe bereits als abgegolten. Der mitangeklagte Christoph H., der zur Tatzeit für eine Firma beschäftigt war, die als externes Unternehmen für die IT verschiedener Ministerien, darunter das Bundesgesundheitsministerium (BMG), zuständig war, wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe auf Bewährung von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Hiervon gelten fünf Monate bereits als vollstreckt. Dass es für H. so viel dicker kam, liegt daran, dass er auch noch wegen anderer Taten verurteilt wurde.

Foto: Philipp Külker
Thomas Bellartz (r.) und sein Verteidiger Carsten Wegner wollen gegen das Urteil des Landgerichts Berlin in Revision gehen.

Aktuelle Interna gegen Geld

Die beiden Männer haben nach Überzeugung des Gerichts spätestens ab Ende 2009 unter anderem die persönlichen E-Mail-Konten von hochrangigen Mitarbeitern des BMG ausgespäht, darunter die des Ministers und seiner Staats­sekretäre. H. verschaffte sich Zugang zu den nicht für ihn bestimmten und geschützten Daten der Postfächer, zog sie auf Datenspeicher und gab sie an Bellartz weiter. Beide Seiten profitierten von der „Zusammenarbeit“: Bellartz erhielt aktuelle interne Informationen von höchster Ebene, H. bekam Geld, insgesamt mindestens 18.600 Euro.

Dass Informationen gegen Geld flossen, steht für das Gericht nicht infrage. Ursprünglich umfasste die Anklage 40 Fälle – 38 davon wurden im Laufe der Hauptverhandlung jedoch eingestellt. Man beschränkte sich sodann auf zwei Fälle, bei denen persönliche Postfächer ausspioniert wurden. Beim letzten Versuch, Daten abzufischen – im November 2012 –, ging H. in die Falle, die ihm BMG und Polizei nach einem anonymen Hinweis gestellt hatten. Offensichtlich war das Vorgehen schon lange eingespielt. Der Vorsitzende Richter las in der Urteilsbegründung erneut E-Mail-Nachrichten und SMS vor, die zwischen den Angeklagten ausgetauscht wurden und im zeitlichen Zusammenhang zu Geldbewegungen auf ihren Konten standen. Bereits Anfang 2009 habe es Nachrichtenwechsel gegeben, die darauf hindeuteten, dass die beiden etwas planen. Doch erst im November 2009, kurz nachdem die neue Bundesregierung ins Amt kam und Philipp Rösler als neuer Minister ins BMG einzog, seien die Beweise konkret geworden, so der Richter. Zu diesem Zeitpunkt schickte Bellartz eine Liste mit den Namen der ihn interessierenden Personen an H. – darunter Rösler selbst und seine Staatssekretäre Daniel Bahr, Annette Widmann-Mauz und Stefan Kapferer. In der Folgezeit gab es immer wieder Nachrichten im Stil von „Habe alles, wann sehen wir uns?“ oder „Kannst du morgen wieder liefern? Wie letztes Mal an der Sparkasse?“

Gut zwei Jahre lang hätten die beiden im regelmäßigen Austausch gestanden, so der Vorsitzende Richter, im Schnitt trafen sie sich alle drei Wochen. Es ging stets um topaktuelles Material, das sei Bellartz wichtig gewesen. Zunächst erhielt H. für seine Datenlieferungen rund 600 Euro, später etwa 400 Euro. Auch hierzu zitierte der Richter Nachrichten. So habe Bellartz angekündigt, künftig 200 Euro weniger zu zahlen, „es geht nicht anders“, erklärte er. H. entgegnete mit einem „Weißt du wie schwer das ist?“ Bellartz erklärte, zu versuchen, bei gutem Material mehr Geld zu beschaffen, das liege aber nicht an ihm.

ABDA vermutlich ahnungslos

Das könnte man so verstehen, dass möglicherweise die ABDA, deren Sprecher Bellartz in dieser Zeit war, ihre Finger mit im Spiel hatte. Das glaubt das Gericht jedoch nicht. Es spreche zwar viel dafür, dass die ABDA informiert gewesen sei und von der illegalen Quelle profitiert habe – allerdings ohne konkret zu wissen, woher die Informationen stammen. Sie habe Bellartz einfach für einen gut informierten und vernetzten Mitarbeiter gehalten. Möglicherweise habe es Bellartz Christoph H. aber so verkauft, dass die ABDA hinter den Aufträgen stand.

Apotheke Adhoc als Profiteur

Das Gericht sieht jedenfalls vor allem Bellartz selbst als Profiteur – beziehungsweise sein Unternehmen Apotheke Adhoc. Nach Überzeugung der Richter hat er die aus dem BMG erlangten Informationen für den Hintergrund genutzt – etwa um gezielt nachfragen zu können. Und die Daten selbst waren durchaus von Bedeutung für die Branche: Es ging etwa um die neue Apothekenbetriebsordnung, den Versandhandel oder die Vergütung von Notdiensten. Hierüber frühzeitig informiert zu sein, sei ein großer Vorteil, der frühe Ver­öffentlichungen und auch Skandalisierungen ermögliche.

Das Gericht sieht durch das Vorgehen der beiden Männer auch den Straftatbestand des § 202a StGB erfüllt – was die Verteidigung nicht erst in ihren Plädoyers vehement verneint hatte. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, „wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft“. Der neuralgische Punkt sind hier die besonders gesicherten Daten und die Überwindung der Zugangs­sicherung. Denn H. wurde es tatsächlich nicht allzu schwer gemacht, die persönlichen Postfächer „auszuspähen“. Aber einen besonderen Weg musste er doch einschlagen. So habe er zunächst die Rechteverwaltung am PC öffnen müssen und erst nach mehreren Klicks und zusätzlichem Softwareeinsatz auf die Postfächer zugreifen können. Er habe den Passwortschutz ausgeschaltet. Die Kammer ist sich sicher: Quasi im „Vorbeigehen“ waren die internen Daten nicht zu bekommen – und H. habe auch gewusst, dass er nicht durfte, was er tat. Der Vor­sitzende Richter betonte, dass die Tathandlung vom Wortlaut des Strafgesetzes gedeckt sei. Und er hob hervor, dass seine Kammer mit ihrer rechtlichen Würdigung auch nicht alleine stehe.

Was die Strafzumessung betrifft, haben die Richter zahlreiche entlastende Aspekte beachtet. Zum Beispiel sind beide Männer bislang nicht vorbestraft. Zudem wurden ihnen die Taten angesichts der Sicherheitsmängel im BMG leicht gemacht. Keine Entlastung brachte Bellartz seine journalistische Tätigkeit. Diese hätte man mög­licherweise berücksichtigen können, wenn durch die Taten Missstände im BMG hätten aufgedeckt werden sollen, so der Richter. Hier habe Bellartz jedoch eher „Lobbyarbeit“ geleistet.

Voraussetzung, dass Bellartz die Geldstrafe zahlen muss und H.’s Bewährungsstrafe beginnt, ist, dass das Urteil rechtskräftig wird. Dies wird wohl nicht so schnell der Fall sein. Beide wollen das Urteil mit der Revision anfechten. |

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