Arzneimittel und Therapie

SSRI gegen Morbus Alzheimer?

Langzeitbehandlung könnte ein Fortschreiten erster kognitiver Beeinträchtigungen verzögern

Eine Therapie mit selektiven Serotonin-­Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) könnte vor einer Demenz schützen. Der Übergang von ersten kognitiven Beeinträchtigungen zu einem Morbus Alzheimer kann laut aktuellen Studiendaten verzögert werden.

Eine im hohen Alter auftretende Depression ist mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer-Demenz verbunden. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind immer noch unklar. Leichte kognitive Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment, MCI) sind ein hohes Risiko für das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz. Im Tierversuch reduziert der selektive Serotonin-­Wiederaufnahme-Hemmer Citalopram zur Behandlung von Depressionen sowohl Beta-Amyloid-Plaques als auch die kognitive Beeinträchtigung. Klinische Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse.

Aufgrund der Wirkungen von selek­tiven Serotonin-Wiederaufnahme-­Hemmern in Tiermodellen und dem Mangel an prospektiven, großen klinischen Studien, untersuchten Forscher um Claudia Bartels aus Göttingen die Hypothese, dass eine SSRI-Behandlung mit einem geringeren Risiko für Alzheimer-Demenz bei Patienten mit ersten kognitiven Beeinträchtigungen und einer Depression in der Anamnese assoziiert ist. Zu diesem Zweck analysierten sie die Daten der multizentrischen, prospektiven Alzheimer Demenz-Neuroimaging-Initiative (ADNI). Ausgewertet wurden die Daten von 755 Teilnehmern. 156 litten an einer Alzheimer-Demenz, 438 Teilnehmer unter einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, 161 waren kognitiv normal. 223 der 755 Studienteilnehmer gaben an, früher eine Depression gehabt zu haben. Die Analyse der Daten zeigte eine signifikant verzögerte ­Progression der Alzheimer-Demenz um etwa drei Jahre in der Gruppe der Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung mit einer Depression und einer Langzeit­behandlung mit SSRI (über vier Jahre) verglichen mit MCI-Patienten mit Depression, aber ohne Behandlung. Im Gegensatz dazu war die Behandlung mit Nicht-SSRI-Antidepressiva mit einem höheren Risiko einer Progression der leichten kognitiven Beeinträchtigungen zu einer Alzheimer-Demenz und einem kürzeren Intervall bis zur Progression im Vergleich zur Langzeit-SSRI-Gruppe assoziiert. Drei Jahre nach Studienbeginn erkrankten Patienten unter SSRI-Therapie seltener als depressive Patienten ohne Behandlung und Patienten mit ersten kognitiven Beeinträchtigungen ohne Depression in der Anamnese. Beachtet werden muss aber die geringe Teilnehmerzahl in den einzelnen Gruppen. Weitere prospektive Studien sind nötig, um die Ergebnisse zu verifizieren. |

Quelle

Bartels et al. Impact of SSRI Therapy on Risk of Conversion From Mild Cognitive Impairment to Alzheimer’s Dementia in Individuals With Previous Depression. AJP in Advance 2017, doi: 10.1176/appi.ajp.2017.17040404

Apothekerin Janine Naß

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