Aus den Ländern

Salze in der pharmazeutischen Suppe

Mineralwässer, Heilerde, Schüßler-Salze

Inmitten der malerischen Altstadt von Bad Windsheim fand am 21. und 22. Oktober die gut besuchte pharmaziehistorische Herbsttagung 2017 statt, zu der die Landesgruppen Baden und Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) und die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg eingeladen hatten.

Minerische Wasser und „Kreuter Practick“

Dr. Ulrike Bofinger berichtete über das Werk „Neuw Wasserschatz“ (1581) von Jakob Theodor Tabernaemontanus (um 1522 – 1590). Der in Bergzabern geborene Apotheker, Arzt und Naturforscher beschrieb darin umfassend die Heilwirkungen verschiedener Mineralwässer und Bäder mitsamt ihren vielfältigen Anwendungen. Insbesondere wies er auf den neu entdeckten Sauerbrunnen von Langenschwalbach hin (Bad Schwalbach im Taunus). Der „Neuw Wasserschatz“ richtete sich mit seinem medizinisch-pharmazeutischen Wissen auch an gebildete Laien, die Trinkkuren gegen verschiedene Beschwerden anwendeten. Tabernaemontanus qualifizierte „Sauerbrunnen“ anhand einer organoleptischen Prüfung und charakterisierte die Heilkraft der Mineralwässer anhand der jeweiligen medizinischen Erfahrung; chemische Analysen im Sinne von Paracelsus lehnte er hingegen ab.

Als Badekuren wegen der Ansteckungsgefahr teilweise in Misskredit gerieten, entwickelte sich das Abfüllen von Heilwässern in transportable Behältnisse wie Steinzeugkrüge zu einem wichtigen Wirtschaftszweig. Das Wasser des Sauerbrunnens von Niederselters im Taunus erfreute sich so großer Beliebtheit, dass „Selterswasser“ zur Bezeichnung für eine ganze Produktgruppe wurde.

Schließlich ging die Referentin noch auf das Kräuterbuch von Tabernaemontanus ein, dessen erster Teil 1588 gedruckt worden war. Dieses Werk erfuhr später noch zahlreiche Auflagen, nachdem es durch den Botaniker Caspar Bauhin (1560 – 1624) sowie dessen Enkel Hieronymus Bauhin (1637 – 1667) überarbeitet worden war.

Foto: Plehn
Referenten und Organisatoren der Tagung (v. l.): Prof. Michael Mönnich, Dr. Monika Papsch, Prof. Marcus Plehn, Dr. Ulrike Bofinger.

Heilerde – modernes Heilmittel mit jahrtausendealter Tradition

Dr. Ralf Schabik referierte über Heilerden. Er wies einleitend darauf hin, dass die Geophagie – das Verzehren von Erde – heute noch bei einigen Naturvölkern und im Tierreich beobachtet werden kann. Die Verwendung von Heilerde besitzt eine lange Tradition in der Heilkunde: Der Bogen spannt sich von der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) über die humoralpathologisch begründete Anwendung in der Antike bis hin zur mittelalterlichen Klostermedizin und dem zunehmenden Einsatz schlesischer Heilerden ab der frühen Neuzeit. Der Naturheilkundler Adolf Just (1859 – 1936) gründete 1918 die Luvos Heilerde-Gesellschaft und führte damit Löss-Anwendungen in die Therapie ein.

Zur Klassifikation der Heilerden wurden jahrhundertelang Farbe, Geschmack, „Fettigkeit“ (Anteil der Tonfraktion) und weitere sensorisch wahrnehmbare Eigenschaften herangezogen. Bedeutende Apotheker wie Martin Heinrich Klaproth und Sigismund Friedrich Hermbstaedt analysierten sie im chemischen Labor. Der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann lehnte die Einnahme von Heilerde mit der Begründung ab, dass farbige Erden schädliche Metalle enthielten. Hermann Hager grenzte in seinem berühmten Handbuch die zu Heilzwecken dienenden Erden, die mit einem pharmazeutischen Namen wie „Bolus alba“ zu versehen sind, von den technisch verwendeten Erden („Argilla“) ab. Der Mediziner Julius Stumpf wendete „Bolus alba“ als antiseptisches Mittel in der Wundbehandlung an, worauf die Fa. Merck „Bolus alba sterilisata nach Prof. Stumpf“ in ihr Sortiment aufnahm. Sebastian Kneipp und Emanuel Felke linderten als Verfechter der Naturheilkunde Beschwerden von Kranken durch Einreibungen, Wickel und Bäder mit Lehm und Schlamm. Auch heute noch sind Peloide wie Fango, Schlick oder Moor wichtiger Bestandteil balneologischer Therapien.

Zum Abschluss empfahl Dr. Schabik ein zugelassenes Smektit-Präparat als Magen-Darm-Therapeutikum sowie aus Löss gewonnene Luvos-Heilerde-Präparate für die äußerliche oder innerliche Anwendung und stellte deren Indikationen vor. Moderne Arzneiformen wie Kapseln und Dosiergranulate erleichtern heute die orale Einnahme dieses alten Arzneimittels.

Ursprung und Entwicklung der Schüßler-Salz-Therapie

Dr. Monika Papsch befasste sich mit Leben und Wirken des Oldenburger Arztes Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 – 1898). Dieser plädierte 1873 in der „Allgemeinen Homöopathischen Zeitung“ für eine „abgekürzte homöopathische Therapie“, da die große Vielzahl an homöopathischen Arzneien zu unübersichtlich sei. Er empfahl die Anwendung einer begrenzten Zahl homöopathisch potenzierter Salze, die er unter dem Einfluss von Rudolf Virchows Zellularpathologie als „physiologische Funktionsmittel“ bezeichnete, denn sie sollten die fehlerhafte Funktion der Körperzellen korrigieren. Mit dieser „biochemischen“ Therapie entfernte er sich von der klassischen homöopathischen Lehre Hahnemanns. Da Schüßlers Methode einfach zu erlernen und darüber hinaus preiswert war, erfreute sie sich rasch großer Beliebtheit. Sein Werk „Abgekürzte Therapie“ erfuhr zahlreiche, von ihm persönlich überarbeitete Auflagen und wurde auch nach seinem Tod häufig verlegt.

1895 wurde der erste „Biochemische Verein“ in Oldenburg gegründet. 1899 kam es zum Zusammenschluss lokaler Vereine zum „Verband deutscher biochemischer Vereine“. Im Nationalsozialismus erfolgte die Gleichschaltung mit anderen naturheilkundlichen Heilmethoden in der „Reichsarbeitsgemeinschaft für eine neue deutsche Heilkunde“, und 1944 löste sich der „Biochemische Bund“ auf. Heute sind Schüßler-Salze, zu denen mittlerweile zwölf Funktionsmittel und 15 Ergänzungsmittel zählen, wieder sehr beliebt. Im Jahr 2016 betrug der Gesamtumsatz knapp 40 Millionen Euro.

Die Kräuter-Apotheke im Fränkischen Freilandmuseum

Am Sonntag besichtigten viele Tagungsteilnehmer die Kräuter-Apotheke des Fränkischen Freilandmuseums, die 2004 im Obergeschoss des Gasthauses „Zum Hirschen“ in der Altstadt eröffnet worden war. Unter tatkräftigem Einsatz des Apothekers Fritz Schmelzer und der Diplomökologin Renate Bärnthol waren von Apothekern gespendete Exponate sorgfältig ausgewählt und in Original-Apothekenschränken und Glasvitrinen gruppiert worden. So kann eine umfangreiche Sammlung alter Standgefäße und Spezialitäten in den beiden als Offizin eingerichteten Museumsräumen bewundert werden. Glasgeräte für Analytik und Präparationen, Apparaturen zur Herstellung von Salben, Pillen, Tinkturen und Zäpfchen, Schachteln und Flaschen als Abgabebehältnisse sowie ein betagter Giftschrank befinden sich in einem als Labor gestalteten Raum. Jedes Jahr finden in der Kräuter-Apotheke Veranstaltungen mit praktischen Vorführungen aus der früheren Apothekenpraxis statt.

Ehrungen

Hans Christoph, Geslau, Leiter der Deutschen Hieronymus Bock Gesellschaft, überreichte Dr. Ulrike Bofinger und Dr. Wolfgang Caesar, Stuttgart, je eine Medaille mit dem Porträt von Tabernaemontanus, um sie für ihre Verdienste um die Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte zu ehren. Zudem stiftete er eine Hieronymus-Bock-Medaille, mit der eine Jury der DGGP im nächsten Jahr ein verdientes Mitglied auszeichnen soll. Die Medaille erinnert an den pfälzischen Theologen, Arzt und Botaniker Hieronymus Bock (1498 – 1554).

Für die Organisation dieser gelungenen Tagung sei an dieser Stelle den beiden Vorsitzenden der DGGP-Landesgruppen Baden und Württemberg, Prof. Dr. Marcus Plehn und Prof. Dr. Michael Mönnich, herzlich gedankt! |

Dr. Ursula Lang/cae

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