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Onkologie

Operation gelungen, Patient impotent

Erektile Dysfunktion nach radikaler Prostatektomie: Was hilft gegen den männlichen Albtraum?

Die radikale Entfernung der krebs­befallenen Prostata hinterlässt beim Mann ein Vakuum, das gefühlt bis in den Penis reicht. Die Erektionsfähigkeit ist meistens dahin – zunächst. Das muss nicht so bleiben. Eine frühe Anschlussheilbehandlung bietet die größten Chancen für die penile Rehabilitation. Mittel der ersten Wahl sind Phosphodiesterasehemmer. Erfolg versprechen auch lokale Therapien mit Prostaglandinen und Vakuumerektionshilfen. Bleibt dies alles auf Dauer unbefriedigend, gibt es eine sehr radikale ultima ratio. | Von Ralf Schlenger

„Sie haben Krebs. Prostatakrebs.“ Die schockierende Gewissheit eröffnen Urologen täglich hunderten von Männern in Deutschland. Im Mittel sind sie zum Zeitpunkt der Diagnose 69 Jahre alt. Mit 58.000 Neuerkrankungen jährlich und 25,4% aller diagnostizierten Krebserkrankungen ist das Prostatakarzinom (Prostata-Ca) mittlerweile die häufigste Krebserkrankung des Mannes und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter stark zu. Die höchste Rate an Neuerkrankungen haben Männer zwischen dem 65. und dem 79. Lebensjahr. Da sich bis zum Jahr 2050 der Anteil der über 60-Jährigen an der Bevölkerung auf ca. 37% verdoppeln soll, ist auch eine Verdoppelung der Prostatakrebserkrankungen zu erwarten.

Was das Schlimmste an der Diagnose ist, sehen die betroffenen Männer – und auch ihre Ärzte – durchaus unterschiedlich. Die meisten Männer wissen, dass Prostatakrebs kein Todesurteil darstellt. Man kann ihn behandeln. Aber sie ­assoziieren sofort die Kollateralschäden der Therapie: Inkontinenz und Impotenz. Damit steht plötzlich alles infrage: das Selbstbild als Mann, die Liebes- und Beziehungsfähigkeit, die Partnerschaft, fast das ganze bisherige Leben. Dabei besteht eine Diskrepanz in der Einschätzung der Lage zwischen Patienten nach radikaler Prostatektomie und ihren behandelnden Urologen. Die Patienten sehen meist deutlich mehr Aufklärungs- und Therapiebedarf, vor allem, was die Therapie der erektilen Dysfunktion angeht [1].

Die radikale Prostatovesikulektomie (RPX) stellt als Standardverfahren beim lokal begrenzten Prostatakarzinom den größten Anteil der invasiven Therapieformen. Durch Schädigung von Nerven und Gefäßen im Operationsgebiet besteht nach einer PRX bei einem Großteil der Patienten eine erek­tile Dysfunktion (ED).

Eine chronische erektile Dysfunktion (Synonym: Impotentia coeundi) besteht laut WHO in einer Erektionsschwäche, die einen befriedigenden Geschlechtsverkehr in über 70 Prozent der koitalen Versuche während mindestens sechs Monaten verhindert. Ein anerkannter Fragebogen zur Stärke der Erektionsstörung ist der International Index of Erectile Function (IIEF-EF) [3].

Urologe und Patient: Zwei Welten treffen aufeinander

„Die Behandlung der Prostata bei Prostatakrebs ist in erster Linie eine Krebsbehandlung und nur in zweiter oder dritter Linie eine Potenzbehandlung. Natürlich mag Potenz für den einen oder anderen Patienten ein wichtiges Thema sein, doch dieses Thema ist immer dem Krebs untergeordnet.“ 

Prof. Dr. med. Dirk Heimbach, Leiter des Prostata-Karzinom-Zentrums Ostvest am St. Vincenz-Krankenhaus, Datteln [2]


„Der Krebs machte eigentlich keine wirklichen Beschwerden. Mein Arzt sagte, er wächst, und empfahl mir in meinem Alter die radikale Operation. Das geht so: Man geht als Patient mit unmerklichem Krebs in die Klinik und man kommt als Krüppel wieder ‘raus. Die Potenz jedenfalls ist dahin.“

Patient (60 J.) in einem Patientenforum

Ektomie oder Bestrahlung?

Die radikale Prostatektomie (oder Prostatovesikulektomie, RPX) ist eine primäre Therapieoption für Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom aller Risikogruppen. Wenn der Tumor die Prostatakapsel noch nicht durchbrochen hat, kann eine radikale Operation eine vollständige Heilung bewirken. Dazu muss die Prostata mitsamt ihrer Kapsel, dem durch die Prostata verlaufenden Teil der Harnröhre, den beiden Samenbläschen und einem Teil des Harnblasenhalses entfernt werden („Exstirpation der Prostata mit tumorfreiem Resektionsrand“; Abb. 1). Wenn der Pathologe in benachbarten Lymphknoten während der Operation im „Schnellschnitt“ Tumorzellen entdeckt, werden diese mit entfernt (Lymphadenektomie). Der Eingriff erfolgt

  • als Unterbauchschnitt zwischen Schambein und Bauchnabel (retropubische RPX), oder
  • als minimal-invasive laparoskopische RPX (Bauchspiegelung) oder
  • als minimal-invasive Roboter-assistierte RPX mit dem da‑Vinci-System oder
  • per Dammschnitt (perineale RPX).
Grafik: Science Photo Library/Dna Illustrations
Abb. 1: Die Prostata ist ein nahezu kugelförmiges Organ in einer Kapsel. Sie liegt zwischen der Harnblase (oben) und dem Beckenboden, wo der Penis-Schwellkörper beginnt (unten links); sie umgibt den Anfangsteil der Harnröhre und die von den Samenbläschen (oben rechts) kommenden Spritzkanäle. Bei einer radikalen Prostatektomie werden auch die Samenbläschen entfernt und die Gefäß-Nerven-Bündel, die den Schwellkörper versorgen (hier nicht dargestellt), meistens beschädigt. (Prostata und Umgebung angeschnitten)

Bei der RPX wird der Chirurg in der Regel die sogenannte nervschonende Operation anstreben. Dabei versucht er, einseitig oder beidseitig die für die Erektion zuständigen Nerven und Gefäße zu erhalten. Diese verlaufen rechts und links der Prostatakapsel in je einem Gefäß-Nerven-Bündel. Nahezu zwingend werden Nerven unter der Operation gedehnt und gequetscht; Zug und Druck hinterlassen eine passagere oder definitive Nervenfunktionsstörung (Neuropraxie). Dies bedingt auch eine Apoptose von Zellen der glatten Muskulatur im Schwellkörpergewebe, mit der Folge von Störungen des venookklusiven Mechanismus. In der Summe erklären die operationsbedingten Läsionen den Verlust, die Störung oder die verzögerte Rückkehr der Erektionsfähigkeit.

Lehnt der Patient mit Prostatakrebs eine Operation ab oder kommt sie aus anderen Gründen nicht infrage (z. B. wegen schlechten körperlichen Allgemeinzustands), ist die Bestrahlung eine gleichwertige Alternative zur PRX.

Perkutane Strahlentherapie: Die Bestrahlung von außen wird normalerweise fünfmal wöchentlich über einen Zeitraum von acht Wochen angewendet. Außerdem erfolgt eine Bestrahlung zusätzlich zu einer Operation, wenn sich der Tumor über die Prostatakapsel hinweg ausgebreitet hat.

Brachytherapie (z. B. Seed-Implantation): Zur Bestrahlung von innen werden einmalig reiskorngroße, radioaktive Körner in die Prostata gespritzt (Dauer: etwa 1 Stunde). Sie geben ein Jahr lang kontinuierlich γ-Strahlung von wenigen Millimetern Tiefe an das umliegende Gewebe ab.

Während die erektile Dysfunktion nach der RPX eine sofortige Folge des Eingriffs ist, tritt sie nach der Brachytherapie verzögert auf: nach 6 bis 12 Monaten bei 35 bis 50% der Männer [4, 5].

Welche Faktoren nehmen Einfluss auf die postoperative Erektionsfähigkeit?

Angaben zur Inzidenz der postoperativen ED schwanken breit, zwischen 14 und 90 Prozent, je nachdem, welche der zahlreichen Einflussgrößen im Vordergrund der Auswertung stehen:

  • Die Art der Operation und die erzielte Schonung/Schädigung von Gefäßen und Nerven (s. o.): Bei beidseitigem Erhalt der Gefäßnervenbündel ist im Mittel in 50% der Fälle mit einer postoperativen Erektionsstörung zu rechnen, schrieben Urologen der Universitätsklinik Kiel im Jahr 2005 [6]. Erst im Verlauf der ersten zwei Jahre nach dem Eingriff – in der Rehabilitationsphase – könne mit einer signifikanten Erholung der Erektionsfähigkeit gerechnet werden.
  • Der Untersuchungszeitpunkt: „Ohne Hilfsmittel postoperativ (nach RPX) GV-fähig“ seien 9,1% ihrer Patienten gewesen, so das Ergebnis einer Umfrage bei 1000 niedergelassenen Urologen. Nur 4,7% der 800 befragten Betroffenen sahen das genauso (nach [1]).
  • Patientenalter und präoperativer Erektionsstatus: In der Altersgruppe mit den meisten Neuerkrankungen (65 – 79 Jahre) leidet schon präoperativ fast jeder Zweite an Erektionsstörungen [7].
  • Frühe supportive Maßnahmen: „Bei beidseitigem Erhalt der kavernösen Nervenbündel konnten 56% der präoperativ potenten Männer ohne Hilfsmittel Geschlechtsverkehr durchführen. Addiert man die Männer, die positiv auf Phosphodiesterase-5-Inhibitoren ansprechen, werden in bis zu 90% Erfolge erzielt“, sagt die aktuelle S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms unter Bezug auf Studien aus dem Jahr 2002 [8]. Ein weniger günstiges Bild zeichnet eine neuere Studie in weltweit 87 Zentren: Trotz beidseitig nervschonendem Vorgehen erreichten nach neun Monaten nur 25% der Patienten eine gute Erektionsfähigkeit (IIEF-EF > 22 Punkte). Bei denjenigen, die einen PDE-5-Hemmer erhalten hatten, lagen die Erfolgsraten bei 32 bis 48% [9].

Welche Maßnahmen bessern die postoperative ED?

Die Gegebenheiten des Patienten (Alter, präoperative Potenz) und die Kunst der Chirurgen (Grad des Nervenerhalts) bestimmen nicht allein das Langzeitergebnis der Operation. Folgende Probleme können auftreten:

  • Postoperativ können sich ischämische Defizite im neurovaskulären Bündel noch verschärfen.
  • Bei fehlender Oxygenierung des Corpus cavernosum, des paarigen Schwellkörpers des Penis, wird das Wachstum der glatten Muskelzellen gehemmt und die Bildung von Kollagen und Bindegewebe induziert. Es kommt zur Atrophie und Fibrose in den glatten Muskeln und im Endothel der Schwellkörper.

Weitgehend einig sind sich Experten, dass diesen Prozessen so früh wie möglich nach der Operation entgegengewirkt werden sollte. Jedoch werden die optimale Methode, die Dosis und die Dauer der Prophylaxe und Einnahmeschemata und -regeln von Medikamenten – z. B. PDE-5-Hemmstoffe regelmäßig vs. bedarfsweise – teils kontrovers diskutiert.

Gemäß Leitlinie sollte als supportive Maßnahme zur Be­hebung der erektilen Dysfunktion zunächst ein PDE-5-Inhibitor eingesetzt werden („Use it or lose it“). Bei Ineffektivität dieser Therapie sollten

  • intrakavernöse Injektionen (SKAT) oder
  • intraurethrale Prostaglandine (MUSE) oder
  • Vakuumerektionshilfesysteme

unter Berücksichtigung der Patientenpräferenz erwogen werden. Diese supportiven Maßnahmen nach lokaler Therapie bei Krebspatienten sollten am besten sehr früh während einer stationären Anschlussheilbehandlung (AHB) zum ­Zuge kommen. Die AHB verfolgt als primäre Ziele die Behebung postoperativer Funktionsstörungen wie Harninkontinenz und erektiler Dysfunktion. Laut Leitlinie kann die uroonkologische Rehabilitation unter Einschluss medikamentöser, psychoonkologischer und physiotherapeutischer Methoden sämtliche Inkontinenzparameter und die Beeinträchtigung durch die erektile Dysfunktion signifikant bessern, wie auch die körperliche Leistungsfähigkeit und die psychosoziale Lebensqualität. Eine neuere Studie bestätigt: Bei Teilnahme an einer evidenzbasierten fachspezifischen Rehabilitation konnten 48% der präoperativ potenten, nerverhaltend operierten Prostatakrebs-Patienten bereits in der AHB – also in der Frührehabilitation – „deutliche Tumeszenzen bis hin zu kohabitationsfähigen Erektionen“ erzielen [10].

1. Wahl: Phosphodiesterase-5-Inhibitoren

Der komplizierte „Wirkmechanismus“ der Erektion (s. Kasten) erklärt, warum PDE-5-Inhibitoren nur bei sexueller Stimulation wirken. Das in den glatten Muskelzellen angehäufte cGMP wird physiologisch durch die Phosphodiesterase Typ 5 (PDE 5) abgebaut. Spezifische orale Hemmstoffe dieses ­Enzyms ermöglichen bzw. erhalten die zur Erektion erforderliche Schwellenwert-Konzentration von cGMP. Sildenafil (Viagra® und Generika), Tadalafil (Cialis®, Generika in Kürze), Vardenafil (Levitra®, in Österreich und Schweiz: Vivanza®) und Avanafil (Spedra®) wirken pharmakodynamisch gleich. Unterschiede bestehen vor allem in der Pharmakokinetik und im Einfluss von Mahlzeiten auf die Resorption (s. Tab. 1). Für Tadalafil wird mit bis zu 36 Stunden die längste Wirkdauer angegeben, bei Mahlzeiten-unabhängiger Einnahme. Häufige Nebenwirkungen der PDE-5-Hemmer sind Kopfschmerzen, Gesichtsröte, Dyspepsie und verstopfte Nase. Kontraindiziert sind sie bei schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Einnahme von Nitraten.

Tab. 1: PDE-5-Inhibitoren: Anwendungsempfehlungen und Pharmakokinetik. GV = Geschlechtsverkehr. NE = Nüchterneinnahme.
Tadalafil (Cialis®)
Vardenafil (Levitra®)
Avanafil (Spedra®)
Sildenafil (z. B. Viagra®)
Dosisstärken
5/10/20 mg
5/10/20 mg
50/100/200 mg
25/50/100 mg
Empfohlener Einnahmezeitpunkt
mind. 30 min vor dem GV
25 bis 60 minvor dem GV
15 bis 30 minvor dem GV
etwa 60 minvor dem GV
Maximale Plasmaspiegel
2 Stunden
30 bis 120 min,im Mittel 60 min (NE)
30 bis 45 min (NE)
30 bis 120 min,im Mittel 60 min (NE)
Wirkdauer
bis zu 36 Stunden
4 bis 5 Stunden
6 Stunden
4 bis 5 Stunden
Terminale Halbwertszeit
17,5 Stunden
4 bis 5 Stunden
6 bis 17 Stunden
4 Stunden
Einnahme zu/nach einer Mahlzeit
kein Einfluss
Wirkung vermindert nach sehr fettreicher Mahlzeit
Wirkung vermindert nach sehr fettreicher Mahlzeit
Wirkung verzögert und schwächer nach einer Mahlzeit

Zur penilen Rehabilitation nach einer Prostata-Ca-Therapie sind PDE-5-Hemmer die Mittel der ersten Wahl. Zur Förderung nächtlicher Erektionen wurde lange die allabendliche Gabe eines PDE-5-Hemmers empfohlen, z. B. abendlich 5 mg Tadalafil, um die Plasmaspiegel hoch zu halten; laut aktueller Leitlinie ist auch die bedarfsweise Einnahme möglich. Gestützt wird dies durch die multizentrische, doppelblinde Vardenafil-Studie von 2008 [9]. Sie verglich die bedarfs­weise Einnahme mit der abendlichen Anwendung und einer Placeboeinnahme bei 628 Männern zwischen 18 und 64 Jahren, die vor einer RPX keinerlei Erektionsstörung angegeben hatten (IIEF-EF > 26 Punkte). Die bedarfsweise Anwendung von Vardenafil war der abendlichen Einnahme zur Erreichung eines IIEF-EF-Score > 22 mindestens gleichwertig, je nach betrachtetem Zeitraum (Nachbeobachtungsphase) sogar überlegen.

Komplizierte Erektion

Die Erektion wird normalerweise bei sexueller Stimulation durch die Erektionszentren im Rückenmark ausgelöst. Nervenbahnen aktivieren im Schwellkörperendothel die endotheliale Stickoxidsynthase (eNOS). Diese katalysiert bei Anwesenheit von Sauerstoff die Bildung von Stickstoffmon­oxid (NO) aus der Aminosäure L-Arginin. NO aktiviert die in der Schwellkörpermuskelzelle lokalisierte Guanylatcyclase. Die Anhäufung des in der Folge gebildeten cyclischen Guanosinmonophosphats (cGMP) in den glatten Muskelzellen des Schwellkörpers leitet die Erektion ein. Zunächst kommt es zu einer Entspannung der Muskulatur mit erhöhtem Blutzustrom (arterielle Perfusionssteigerung). Nach der Blutfülle mit Zunahme von Penislänge und -umfang (Kontumeszenz) erfolgt die venöse Absperrung mit dem Vollbild der prallen Erektion (Rigidität).

Was tun bei Non-Response auf PDE-5-Hemmer?

Die Erfolgsquote von PDE-5-Hemmern wird allgemein mit rund 70% angegeben. Wenn sich nichts regt, lohnt die Überprüfung einiger Anwendungsregeln:

  • Nüchtern einnehmen: Zwei Stunden Abstand zur letzten Mahlzeit sind sinnvoll bzw. bei Sildenafil erforderlich.
  • Das zeitliche Wirkungsfenster beachten. Die optimale Wirkung korrespondiert mit der maximalen Plasmakonzentration und ist nach einer Stunde (bzw. 2 Std. bei Tadalafil) zu erwarten. Da andererseits die Wirkung mindestens vier Stunden anhält (bei Tadalafil wesentlich länger), besteht kein Grund zur Eile.
  • Eine entspannte Atmosphäre schaffen: Eile, Hektik, Stress und Versagensangst dämpfen Lust und Erektionsfähigkeit.
  • Dosis steigern (nach Absprache mit dem Arzt).
  • Nicht aufgeben: Erst nach mindestens viermaliger Einnahme der Höchstdosis ohne befriedigende Wirkung kann man davon ausgehen, dass das Medikament nicht wirkt.
  • Wirkstoff wechseln: Trotz identischem Wirkprinzip besteht eine gewisse Chance, dass beim individuellen Patienten ein anderer PDE-5-Hemmer besser wirkt.
  • Kombination mit Arginin: tägliche Einnahme von 5 g bis 12 g L-Arginin versuchsweise für ein bis drei Monate [13].
Foto: Science Photo Library/Wecker, Jessica
Abb. 2: Die Injektion von Alprostadil führt mit etwa 80%iger Sicherheit zu einer Erektion.

Schwellkörper-Autoinjektionstherapien (SKAT)

Auch im Zeitalter von Viagra & Co. hat die seit 1984 bekannte Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) ihren Stellenwert behalten – nicht nur, weil rund 30% der Betroffenen auf die PDE-5-Hemmstoffe nicht reagieren und andere Betroffene sie wegen Kontraindikationen nicht einnehmen dürfen (Tab. 2, Abb. 2). Die SKAT kann auch Männern helfen, bei denen die Nervenbahnen entlang der Prostata zerstört sind. Es werden vasoaktive Substanzen mit einer ultradünnen ­Nadel seitlich in den Schwellkörper injiziert, woraufhin es meist binnen fünf bis zehn Minuten zu einer Gliedversteifung kommt. Das Blut fließt in beide Schwellkörper. Alpro­stadil, das mit dem natürlichen Prostaglandin E1 (PGE1) identisch ist, relaxiert die trabekuläre glatte Muskulatur und dilatiert die kavernösen Ar­terien. Dies führt zum Bluteinstrom in den Penis und zur Abflussbehinderung (veno­okklusiver Mechanismus).

Die Kombination aus Papaverin (15 mg/ml) und Phentol­amin (0,5 mg/ml) in Androskat® (Vertrieb z. B. in Österreich) wird in einer Dosierung von 0,2 bis 2 ml angewendet (Tab. 2). Papaverin wirkt lokal als nicht selektiver Phosphodiesterase-Hemmstoff. Phentolamin, ein nicht spezifischer α-Adreno­zeptorblocker, entfaltet Effekte an lokalen Rezeptoren [11].

Bei der SKAT handelt es sich um eine äußerst effektive und nebenwirkungsarme Therapiemethode der erektilen Dysfunktion mit Erfolgsquoten von 70 bis 90% und Zufriedenheitsraten ähnlich wie bei den PDE-5-Hemmstoffen. Voraussetzung ist ein kooperationsfähiger Patient, der die Technik erlernt. Die Dauer und Stärke der Erektion sind dosis- und medikamentenabhängig. Es sollte eine Dosis gefunden werden, bei der die Erektion eine bis höchstens zwei Stunden anhält. Alles darüber kann von Übel sein (Gefahr von Priapismus). Mögliche Nebenwirkungen bestehen neben der schmerzhaften Gliedversteifung in Knotenbildung an der Einstichstelle und (reversiblen) Hämatomen. Die SKAT sollte höchstens dreimal pro Woche angewendet werden, am selben Tag nur einmal.

Tab. 2: Präparate für die Schwellkörper-Autoinjektions­therapie (SKAT).
Handels­name
Darreichungs-form
Wirkstoff
Dosierung
Caverject®
Pulver und Lösungs­mittel
Alprostadil
10/20 μg
Caverject® Impuls
Zweikammer-zylinderampulle
Alprostadil
10/20 μg
Viridal®
Doppelkammerkarpule
Alprostadil
10/20/40 μg
Androskat®
Ampulle mit 2 ml wässriger Lösung
30 mg Papa­verin-HCl, 1 mg Phentol­aminmesilat
0,2 – 2 ml

Bei richtiger Technik ist die Injektion nahezu schmerzfrei. Wer dennoch die Nadel scheut, kann Alprostadil auch intra­urethral anwenden (medikamentöses urethrales System zur Erektion, MUSE). Dabei werden Mikropellets mittels ­sterilem Applikator in die Harnröhre eingeführt. Die Ansprechrate ist mit rund 40% deutlich niedriger als bei der SKAT [12].

Nach nervschonender Prostata-Operation kann die Gabe eines PDE-5-Hemmers die SKAT-Effekte verstärken. In manchen Fällen bewähren sich laut Prof. Hartmut Porst, Hamburg, bei unzureichender Wirkung einer Monotherapie die Kombinationsspritze aus verschiedenen vasoaktiven Sub­stanzen [13]. Manche Apotheken stellen SKAT-Mixturen aus zwei (Papaverin und Phentolamin) oder drei Wirkstoffen (Papaverin, Phentolamin und Alprostadil) her, die als „bimix“ und „trimix“ bezeichnet werden.

Das Vakuum füllen

Neben einem Beckenbodentraining können Vakuum-Penispumpen ergänzend zu allen Therapieformen der ED eingesetzt werden. Bei der Vakuumtherapie wird ein Zylinder über den Penis gestülpt und mit einer hand- oder batterie­betriebenen Pumpe so weit evakuiert, dass das Blut in die Schwellkörper strömt. Man hält den Unterdruck ein bis zwei Minuten aufrecht, belüftet den Zylinder, lässt die Erektion abklingen und beginnt von Neuem. Ein Stauring muss nicht zur penilen Rehabilitation benutzt werden.

Grafik: Science Photo Library/Visual Unlimited/Nucleus Medical Art
Abb. 3: Eine Penisprothese mit hydraulischer Mechanik bedeutet einen massiven Eingriff. Natürliche Erektionen sind danach nicht mehr möglich.

Die ultima ratio: Implantate

Sind nach radikaler Prostataektomie alle konservativen Möglichkeiten zur Besserung einer ED ausgeschöpft, so bleibt als letzte Option eine zweite Radikaloperation: die Implantation von Schwellkörperprothesen. Bei der einfacheren Variante werden biegsame Stäbe eingesetzt, die zu einem dauerversteiften (semirigiden) Zustand des Penis führen. Weitaus häufiger werden mehrteilige hydraulische Implantate verwendet (Abb. 3). Neben zwei aufblasbaren Zylindern, welche die Schwellkörper ersetzen, werden eine Pumpe in den Hoden­sack und ein Flüssigkeitsreservoir in den Bauchraum eingesetzt. Per Hand kann die Flüssigkeit in die Zylinder gepumpt und damit eine Erektion erzeugt werden, die durch ein an der Pumpe befindliches Ventil wieder „abgelassen“ wird. Hauptvorteil ist die bedarfsgesteuerte, sichere Wirkung, die bei vielen Prothesenträgern zu einer hohen Zufriedenheit führen soll.

Nachteile der Penisprothese sind

  • der technisch aufwendig und massive Eingriff,
  • der irreversible Verlust der „natürlichen“ Erektion,
  • die begrenzte Haltbarkeit der Apparatur (Neuimplantation nach 5 – 10 Jahren),
  • die hohen Kosten für Reparaturen und Austausch (bis in den fünfstelligen Bereich); nur in bestimmten Fällen ist eine Kostenerstattung möglich.

Unterm Strich entscheiden sich in Deutschland jährlich nur rund 600 Männer bzw. Paare für die Penisprothese, wohingegen sie z. B. in den USA ein Vielfaches mehr Anhänger hat.

Die Kosten trägt der Patient

Zwar handelt es sich bei der ED nach Prostatakrebstherapie medizinisch klar um eine Krankheitsfolge. Aber das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) hat ab dem 1. Januar 2004 Arzneimittel zur „Erhöhung der Lebensqualität“ von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen, was neben Haarwuchsmitteln und Appetitzüglern auch Mittel zur Behandlung der ED betrifft. PDE-5-Hemmer, Mittel für die SKAT sowie Yohimbin sind daher keine Kassenleistung. Im GKV-Hilfsmittelverzeichnis gelistete Vakuum-Erektionshilfen und Erektionsringe werden hingegen von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Bei den privaten Krankenkassen lohnt ein Blick in den Versicherungsvertrag. |

Literatur

 [1] Herkommer K et al. Versorgung der erektilen Dysfunktion nach radikaler Prostatektomie in Deutschland. Urologe 2006;45(3):336-342

 [2] „Jeder zweite Mann zwischen 50 und 60 Jahren hat bereits Potenzprobleme“; www.rheinruhrmed.de/interview/impotenz_heimbach.php

 [3] IIEF-EF-Domain-Fragebogen; www.jenapharm.de/service/iief_fb.pdf

 [4] Choo R et al. Prospective survey of sexual function among patients with clinically localized prostate cancer referred for definitive radiotherapy and the impact of radiotherapy on sexual function. Support Care Cancer 2010;18(6):715-22

 [5] Pahlajani G et al. Early intervention with phosphodiesterase-5 inhibitors after prostate brachytherapy improves subsequent erectile function. BJU Int 2010;106:1524-1527

 [6] van der Horst C et al. Pathophysiologie und Rehabilitation der erek­tilen Dysfunktion nach nerverhaltender radikaler Prostatektomie. Urologe 2005,44:667-673

 [7] Lindau ST et al. A Study of Sexuality and Health among Older Adults in the United States. N Engl J Med 2007;357:762-774

 [8] Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms – Dezember 2016, AWMF-Reg.-Nr. 043/022OL

 [9] Montorsi F et al: Effect of nightly versus on-demand vardenafil on recovery of erectile function in men following bilateral nerve-sparing radical prostatectomy. Eur Urol 2008;54:924-931

[10] Müller G. Welche Faktoren beeinflussen die Wiederherstellung der erektilen Funktion nach RPX? Vortrag beim Deutschen Urologie­kongress 25.9.2016

[11] Truß MC et al (Hrsg). Pharmakotherapie in der Urologie, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2005

[12] Schmelz H-U et al (Hrsg). Facharztwissen Urologie: Differenzierte Diagnostik und Therapie. Berlin/Heidelberg 2014

[13] Porst H. Potenzstörungen - Erektionsstörungen (Erektile Dysfunktion – ED-Impotenz); www.porst-hamburg.de/spezielle-andrologie/potenzstoerungen.html#c1052

Autor

Ralf Schlenger Apotheker, arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

PDE-5-Hemmer nach der Prostata-Operation

Kriterien für die Auswahl und eventuelle Kombinationen – Ein Interview mit Prof. Ricarda Bauer

Foto: privat
Prof. Dr. Ricarda Bauer

DAZ: Frau Professor Bauer, sind bestimmte PDE-5-Hemmer besser geeignet als andere?

Bauer: Prinzipiell gibt es keinen PDE-5-Hemmer, der besser ist als die anderen bei ED nach Prostata-Ca-Behandlung. Allerdings unterscheiden sich die Produkte bezüglich

  • Wirkdauer (Tadalafil wirkt am längsten),
  • Dauer bis zur Wirkung (Tadalafil braucht am längsten: Einnahme mindestens 1 Stunde vor dem Geschlechtsverkehr, alle anderen ca. 30 min vorher),
  • Nebenwirkungen (z. B. mehr Flush und gestörtes Farbensehen bei Sildenafil),
  • Besonderheiten (Sildenafil und Vardenafil keine Einnahme mit fettreichem Essen) und natürlich
  • Kosten (Sildenafil generisch und daher am billigsten).

Es ist immer sinnvoll, die Wirkung individuell auszuprobieren. Die meisten Patienten starten wegen des Preises mit einem Sildenafil-Generikum.

DAZ: Ab wann nach der Operation sollten PDE-5-Hemmer genommen werden? Sollte die Anwendung regelmäßig oder bedarfsweise erfolgen?

Bauer: Die penile Rehabilitation sollte so früh wie möglich begonnen werden. Häufig ist aber das Problem, dass die Patienten in der ersten Zeit nach der OP ganz andere Sorgen und Nöte haben als die Erektion. Sie müssen erstmal mit der Diagnose Krebs fertig werden; andere Probleme sind Inkontinenz, reduzierte körperliche Fitness usw.

Die Studienlage zu täglich versus bedarfsweise ist widersprüchlich. Wahrscheinlich macht täglich (dann aber besser ein langwirksamer PDE-5-Hemmer, niedrig dosiert wie Tadalafil 5 mg) am meisten Sinn für Männer mit mittlerem Risiko für eine postoperative ED. Am wenigsten sinnvoll ist sie bei Männern mit schon präoperativ ausgeprägter ED. Dies sollte aber auch immer eine individuelle Entscheidung zusammen mit dem Patienten entsprechend seiner Wünsche sein, da die tägliche Einnahme doch sehr kostenintensiv ist und die Behandlung nicht von den Krankenkassen übernommen wird. Nur die Vakuumpumpe wird von den Krankenkassen erstattet.

DAZ: PDE-5-Hemmer können sicher mit Vakuum-Erektionshilfen kombiniert werden – auch mit Alprostadil?

Bauer: Die Kombination von PDE-5-Hemmer und Vakuumpumpe ist immer dann sinnvoll, wenn eines von beiden nicht ausreichend ist und man den nächsten Schritt zur Anwendung von Alprostadil mit SKAT oder MUSE (noch) nicht gehen möchte. SKAT/MUSE braucht normalerweise keine zusätzliche Vakuumpumpe, hier macht bei nicht ausreichender Erektion eine Dosissteigerung mehr Sinn. Allerdings sollte diese kontrolliert erfolgen, damit es nicht zu einem Priapismus kommt.

DAZ: Vielen Dank für das Interview!

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