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Aus den Ländern
„Niedrige Preise verleiten zur Verschreibung von Reserveantibiotika“
Resistenzen, ABS und AMTS auf der Großen Fortbildungsveranstaltung der AK Nordrhein
Die Apotheker sollten sich nicht nervös machen lassen vom Urteil des EuGH, erklärte Lutz Engelen. Gleich zu Beginn der „Großen Fortbildung“, die am gestrigen Mittwoch zum 56. Mal in Köln stattfand, machte er klar, dass er das Urteil juristisch für überraschend halte, politisch sei es seiner Ansicht nach aber zu erwarten gewesen.
Solange die Apotheker ihren Job machten, werde alles gut. Alle Kammern und Verbände knüpften nun Netze, sagte er weiter. So plane auch die Kammer Nordrhein eine Kampagne zur Imagebildung und Kommunikation.
NRW für Rx-Versandverbot
Solche Projekte hält auch Staatssekretärin Hoffmann-Badache für wichtig. Sie überbrachte in Vertretung ihrer Chefin, der NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens, das Grußwort der Landesregierung. Man müsse den Menschen klarmachen, was es heißt, wenn Apotheken sterben. Die Staatssekretärin überbrachte zudem die Nachricht, dass der Gesundheitsausschuss des Bundesrats sich für ein Verbot des Rx-Versandhandels ausgesprochen hat. NRW hatte bereits im Vorfeld erklärt, für den Antrag aus Bayern zu stimmen.
Des Weiteren wies die Staatssekretärin in ihrem Grußwort auf die wichtige Rolle der Apotheker im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen hin. Dies erfordere die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen. Apotheker hätten eine wichtige Beratungsfunktion, erklärte sie und spannte so die thematische Brücke zum Thema der Fortbildung – „Antibiotika“.
Antibiotika differenziert einsetzen
In vier Vorträgen wurde das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet. So berichtete Prof. Dr. Michael Kresken, wissenschaftlicher Sekretär der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, über den Antibiotikaverbrauch und die Verbreitung von Resistenzen in der Human- und der Veterinärmedizin. Er ging u. a. darauf ein, was Länder mit niedrigeren Resistenzraten wie Dänemark oder die Niederlande beim Antibiotikaeinsatz anders machen als Deutschland. Sie verbrauchen nämlich in der Humanmedizin gar nicht unbedingt weniger Antibiotika, sondern andere. So wird z. B. in Dänemark im ambulanten Bereich nahezu kein Cefuroxim eingesetzt, dessen orale Anwendung Kresken aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit als resistenzfördernd erachtet, dafür aber mehr Penicillin. „Dänemark ist ein Penicillin-Land“, sagte Kresken.
Im zweiten Vortag ging es dann um die Perspektive der Klinikapotheke. Prof. Dr. Irene Krämer, Chefapothekerin der Universitätsmedizin in Mainz, sprach über die Inhalte und die Praxis des Antibiotic Stewardship (ABS). So werde z. B. jede Anforderung eines Reserveantibiotikums von der Apotheke kritisch geprüft. Auch wenn ABS primär ein Krankenhausthema ist, ließen sich doch gewisse Aspekte in den ambulanten Bereich übertragen, meinte Krämer. So auch die Frage, die man sich immer zuerst stellen sollte: Ist überhaupt eine Antibiotika-Therapie notwendig? Viele Atemwegsinfekte seien selbstlimitierend, so die Pharmazeutin. Krämer sieht zudem – wie auch ihr Vorredner – die niedrigen Preise nach Patentablauf kritisch, insbesondere bei den Reserveantibiotika. Denn Ärzte seien oft der Ansicht, dass sie Mittel, die günstig sind, bedenkenlos verordnen können.
Innovationen in Sicht
Der dritte Referent des Abends, Prof. Dr. Ralph Holl, von der Klinischen Chemie der Uni Hamburg, weckte bei dem einen oder anderen Erinnerungen an das Pharmaziestudium. Er stellte neue Wirkstoffe zur Bekämpfung resistenter Bakterien vor – inklusive der Strukturformeln. In der Pipeline befinden sich vor allem Weiterentwicklungen bekannter Antibiotika. Aber es ist auch Neuartiges in Aussicht, z. B. Inhibitoren bakterieller Topoisomerasen, die sich in Phase II der klinischen Prüfung befinden, sowie Wirkstoffe mit völlig neuem Wirkprinzip.
Nach den geballten Strukturformeln ging es dann zurück in die Praxis. Dr. Katja Renner von der Apothekerkammer Nordrhein sprach über AMTS in der Apothekenpraxis. Dabei ging es u. a. um Interaktionen, beispielsweise bei der gleichzeitigen Anwendung von oralen Kontrazeptiva und Antibiotika. Renner empfahl, die Kundinnen darauf hinzuweisen, dass eine Wirkbeeinträchtigung der Kontrazeptiva zwar möglich, aber unwahrscheinlich ist. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, solle zusätzlich verhüten – während der Einnahme und sieben Tage darüber hinaus.
Insgesamt nahmen knapp 400 Apothekerinnen und Apotheker an der Fortbildung teil, die bereits zum 56. Mal stattfand. Auch der Termin für die 57. Große Fortbildungsveranstaltung steht bereits fest: der 29. November 2017. Thema werden sexuell übertragbare Krankheiten sein. |
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