Arzneimittel und Therapie

Erster CDK4/6-Inhibitor gegen Brustkrebs

Palbociclib erweitert Behandlungsspektrum des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms

Mit Palbociclib (Ibrance®) wurde vergangene Woche der erste CDK4/6-Inhibitor in der EU zugelassen. Der oral einzunehmende Wirkstoff ist zur Behandlung von Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem fortgeschrit­tenem Mammakarzinom in Kombination mit einer endokrinen Therapie angezeigt. Im Vergleich mit einer antihormonellen Monotherapie führt der duale Behandlungsansatz zu einem deutlich verlängerten progressionsfreien Überleben.

Bei einem Hormonrezeptor-positiven (HR+) Mammakarzinom erfolgt in der Regel nach Operation, Bestrahlung und gegebenenfalls Chemotherapie eine mehrjährige endokrine Behandlung, um mögliche wachstumsstimulierende Signale auszuschalten. Die Ära der antihormonellen Therapie wurde mit Tamoxifen eingeleitet, Jahre später folgten die ersten Aromatase-Hemmer. Heute werden Tamoxifen, Aromatase-Hemmer, LHRH-Analoga oder Fulvestrant je nach Krankheits- und Menopausenstadium, Nebenwirkungsprofil sowie Begleiterkrankungen in unterschiedlichen Schemata eingesetzt. Mit Palbociclib steht nun eine zusätzliche Option zur Verfügung, die über einen neuen Wirk­mechanismus verfügt.

Neues Therapieprinzip

Palbociclib ist ein selektiver, reversibler Inhibitor der Cyclin-abhängigen Kinasen 4 und 6 (Cyclin-dependant kinases 4/6, CDK4/6). CDK4/6 kontrollieren den Übergang einer Zelle von der G1-Phase in die S-Phase und schaffen damit die Voraussetzung für eine Zellteilung. Durch eine Hemmung von CDK4/6 werden folglich die Zellteilung und damit das Tumorwachstum gehemmt (Abb.). Dieser Effekt zeigt sich vor allem beim luminalen Mammakarzinom, insbesondere bei Estrogenrezeptor-positivem Brustkrebs. Daraus resultiert auch das Indikationsgebiet für Palbociclib: Der Wirkstoff ist zugelassen zur Therapie eines Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs und zwar in Kombination mit einem Aromatase-Hemmer oder in Kombination mit Fulvestrant bei Frauen, die zuvor eine endokrine Therapie erhalten hatten. Bei prä- oder perimenopausalen Frauen sollte die endokrine Therapie mit einem LHRH-Agonisten kombiniert werden. Es handelt sich also um eine duale Behandlungsstrategie, bei der Palbociclib mit einer endokrinen Therapie kombiniert wird.

Die Cyclin-abhängigen Kinasen CDK4 und CDK6 spielen bei der Steuerung des Zellzyklus eine Schlüsselrolle in der Regulation des Übergangs von der Wachstumsphase 1 (G1) in die Synthese-Phase (S). Die Regulierung, die bei vielen Mammakarzinomen ausgeschaltet ist, erfolgt über den Phosphorylierungsstatus des Tumorsuppressors RB (Retinoblastom-Protein). Wenn im Zellzyklus die S-Phase beginnt, wird RB von Protein-Komplexen aus Cyclin-abhängigen Kinasen und Cyclinen phosphoryliert und auf diese Weise inaktiviert. Es kommt zur Freisetzung von Transkriptionsfaktoren, und der Zellzyklus setzt sich fort. Über die CDK4/6-Inhibitoren wird dieser Prozess antagonisiert, d. h. die Phosphorylierung von RB wird reduziert und damit in den aktivierten, unterdrückenden Zustand gebracht. Die Folge: Der Zellzyklus wird unterbrochen, die Apoptose gefördert. [Quelle: Pfizer]

Zulassungsstudien

Die Datenbasis für die EU-Zulassung lieferten die PALOMA-Studien 1, 2 und 3. In der Phase-III-Studie PALOMA 2 zeigte sich unter der Kombination Palbociclib/Letrozol in der Erstlinientherapie des HR-positiven/HER2-negativen metastasierten Brustkrebs eine signifikante Verlängerung des medianen progressionsfreien Überlebens auf 24,8 Monate gegenüber 14,5 Monaten unter Letrozol plus Placebo (Hazard Ratio [HR] 0,58). Auch in der Zweitlinie, nach Resistenz gegen eine vorangegangene Hormontherapie, zeigte Palbociclib ein signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben, wie Daten von PALOMA 3 zeigten: Unter Palbociclib in Kombination mit Fulvestrant lag das mediane progressionsfreie Überleben bei 9,5 Monaten gegenüber 4,6 Monaten bei Frauen, die ausschließlich mit Fulvestrant behandelt wurden (HR 0,46).

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten (≥ 20%) unerwünschten Arzneimittelwirkungen beliebiger Schweregrade waren Neutropenie, Infektionen, Leukopenie, Fatigue, Übelkeit, Stomatitis, Anämie, Alopezie und Diarrhö. Endgültige Behandlungsabbrüche aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen waren unabhängig von der Kombination bei etwa 4% der Patienten notwendig. Eine Studie zur Lebensqualität zeigte keine Verschlechterung unter einer Therapie mit Palbociclib und Fulvestrant.

Dosierung und Einnahme

Es liegen Hartkapseln mit 75 mg, 100 mg und 125 mg Palbociclib vor. Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich 125 mg Palbociclib über 21 aufeinanderfolgende Tage, gefolgt von sieben Tagen ohne Behandlung. Ein Behandlungszyklus umfasst somit 28 Tage. Dosierungen mit 100 mg oder 75 mg Palbociclib sind für Dosisanpassungen aufgrund von Nebenwirkungen vorgesehen. Die Kapsel sollte im Verlauf einer Mahlzeit eingenommen werden; die Einnahme mit Grapefruitsaft ist zu unterlassen.

Erste Wertungen

Nach ermutigenden Resultaten beim metastasierten oder fortgeschrittenen Mammakarzinom in Phase-III-Studien werden derzeit umfangreiche klinische Studien mit CDK4/6-Hemmern durchgeführt. Den Ergebnissen der PALOMA-Studien zufolge wird Palbociclib als Erweiterung der Therapie des HR-positiven/HER2-negativen fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinoms eingestuft, was sich unter anderem in der aktuellen Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie (AGO Mamma) zeigt: Hier wurden Kombinationen aus Palbociclib und Letrozol oder Palbociclib plus Fulvestrant bereits in die Therapieempfehlungen mit folgender Wertung aufgenommen: AGO+ [= begrenzter Benefit und kann durchgeführt werden]; Oxford Level of Evidenz 1b [= bei Vorliegen individueller kon­trollierter randomisierter Studien] und Oxford Empfehlungsgrad B.

Weitere CDK4/6-Inhibitoren sind Abemaciclib und Ribociclib, die beide von der FDA den Breaktrough-Status für die Therapie einer bestimmten Form von Brustkrebs erhalten haben. |

Quellen

Cristofanilli M, et al. Lancet Oncology 2016;17(4):425-439

Finn RS. J Clin Oncol 2016;34(suppl; abstr 507)

Harbeck N, et al. Ann Oncol 2016;27(6):1047–1054

Kenji Tamura. Japanese Journal of Clinical Oncology 2015;45(12):1097–1102

Fachinformation Ibrance® 75/100/125 mg Hartkapseln, Stand November 2016

www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/Maerz2016/de/2016D%2019_%20Endokrine%20und%20zielgerichtete%20Therapie%20metastasiertes%20Mammakarzinom.pdf

www.ema.europa.eu/ema/ (Pressemeldung vom 11.09.2016)

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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