- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 25/2016
- Safran gegen Depressionen
Phytoforschung
Safran gegen Depressionen
Der Metabolit Crocetin greift am NMDA-Rezeptor von Neuronen an
Safran wird aus den getrockneten Narben von Crocus sativus (Iridaceae) gewonnen (Abb. 1 und 2). Obwohl die Art im gesamten mediterranen, kleinasiatischen und nordafrikanischen Raum verbreitet ist, finden mehr als 75 Prozent der Weltjahresproduktion von Safran im Iran statt [1], dies vor dem Hintergrund günstiger klimatischer Bedingungen und sehr niedriger Löhne. Safran-Produkte mit den Herkunftsbezeichnungen „Marokko“ und „Spanien“ stammen nicht selten aus ursprünglich iranischen Lieferungen. Eine Kleinstproduktion, die im globalen Handel keine Rolle spielt, findet sich in der Schweiz sowie in Griechenland.
Inhaltsstoffe
Die phytochemische Zusammensetzung von Safran ist gut untersucht und bildet die Grundlage für eine zeitgemäße Standardisierung der sehr teuren Droge. Bis zu 30 Prozent der Trockenmasse entfallen auf die Crocine 1 bis 5, bei denen es sich um Diterpenoide handelt (Abb. 3). Sie entstehen durch Spaltung von Carotinoiden (C40) zu Crocetin (C20) – eine Dicarbonsäure mit all-trans-Polyenkette aus vier Isoprenbausteinen – und dessen ein- oder beidseitige Veresterung mit Zuckerbausteinen (Glucose oder Gentiobiose). Crocetin kommt in der Droge nur in Spuren vor, während die intensiv rot-orange gefärbten Crocine als gut wasserlösliche Verbindungen in den Vakuolen der Zellen gespeichert werden.
Eine weitere wichtige Verbindung im Safran, die bis zu 15 Prozent ausmachen kann, ist das Glucosid Picrocrocin, dessen zyklisches Monoterpen-Aglykon ebenfalls beim Abbau der Carotinoide entsteht (Abb. 3). Picrocrocin wiederum, das für den leicht bitteren und würzigen Geschmack von Safran verantwortlich ist, kann nach Deglucosylierung zu den flüchtigen Verbindungen Safranal, Isophoron und Ketoisophoron umgebaut werden, die als typische Aromageber von Safran gelten.
Gute Safranqualitäten werden auf folgende Mindestgehalte spezifiziert: 20 Prozent Crocine, 6 Prozent Picrocrocin und 0,3 Prozent der genannten flüchtigen Verbindungen [2].
Klinische Prüfung
Zur Evidenz der antidepressiven Wirkung von Safran liegen sechs randomisierte, doppelblinde klinische Prüfungen mit jeweils sechswöchiger Behandlung von 30 bis 50 Patienten vor. Geprüft wurde 30 mg Safrantrockenextrakt pro Tag im Vergleich zu
- Placebo (in 2 Studien),
- Fluoxetin (in 3 Studien) und
- Imipramin (in 1 Studie).
Die Untersuchungen zeigten für Safran eine bessere Wirkung als Placebo bzw. eine Gleichwertigkeit mit der Standardmedikation. Zwei kürzlich publizierte Metaanalysen bewerten diese Studien übereinstimmend durchaus positiv und sehen klinisches Potenzial in der Anwendung von Safranextrakt auch bei einer „major depression“ [3, 4]. Allerdings weisen sie auch darauf hin, dass alle bisher durchgeführten klinischen Untersuchungen aus dem Iran und größtenteils von denselben Autoren stammen. Weiterführende klinische Untersuchungen sollten von unabhängigen Prüfzentren nach GCP durchgeführt werden, um die vorliegende, durchaus vielversprechende Datenlage zu stützen.
Wirkungsmechanismen im ZNS
Wie kann man sich diese möglichen antidepressiven Effekte pharmakologisch erklären? Aus Rezeptorbindungsstudien ist bekannt, dass Safranextrakt eine antagonistische Wirkung am NMDA-Rezeptor von Neuronen hat und dass diese Hemmwirkung auf Crocetin beruht [2]. Dabei konnte eine Wechselwirkung von Crocetin mit der PCP-Bindungsstelle des Rezeptors belegt werden.
Weiterführende elektrophysiologische Ex-vivo-Untersuchungen an Schnitten von Rattenhirnen bestätigten die NMDA-Rezeptor-Aktivität von Safranextrakten und Crocetin und damit die Hemmung der glutaminergen synaptischen Neurotransmission [5]. Aus diesen pharmakologischen Befunden lassen sich schlüssig die positiven Effekte bei Depressionen ableiten, die auf Crocetin als Wirksubstanz zurückgeführt werden können.
Auch pharmakokinetische Untersuchungen wurden in den letzten Jahren mit Safranextrakt durchgeführt. In Studien konnte bei Ratten nach Gabe von Safranextrakt ein deutlicher Crocetin-Plasmaspiegel gemessen werden.
Eine systematische, kombinierte In-vitro-/Ex-vivo-Untersuchung ergab darüber hinaus folgendes Bild [6]: Safranextrakt wird unter Bedingungen des Magenmilieus nicht wesentlich verändert. Unter simulierten Dünndarmbedingungen hydrolysieren Enzyme auf der Oberfläche oder innerhalb von Dünndarmzellen einen Großteil der Crocine, sodass freies Crocetin entsteht. Auch die bakterielle Flora im unteren Bereich des Dünndarms und im Dickdarm bildet aus den noch verbliebenen Crocinen freies Crocetin.
Für Crocetin wurde in diversen In-vitro-Resorptionsmodellen eine sehr gute und schnelle Resorption durch Darmzellen gezeigt, wobei hohe Permeabilitätskoeffizienten bestimmt wurden und ein passiver, transzellulärer Transport belegt werden konnte. Die Crocine zeigten erwartungsgemäß keine oder nur eine sehr geringe Resorption. Weiterführend wurde gezeigt, dass Crocetin im Modellsystem relativ gut die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und somit im ZNS verfügbar sein sollte [6].
Aus den vorliegenden Daten können wir zusammenfassend schlussfolgern, dass nach oraler Applikation von Safranextrakt während der Darmpassage aus dessen Crocinen das pharmakodynamisch aktive Crocetin gebildet wird, welches systemisch und später im ZNS bioverfügbar ist. Über eine NMDA-Rezeptor-Antagonisierung wird dann die glutaminerge Neurotransmission beeinflusst, was entsprechende klinische Wirkungen verursacht.
Fazit
Aufgrund dieser Betrachtungen könnte Safranextrakt – oder noch besser: reines Crocetin – Potenzial für eine zielgerichtete Arzneimittelentwicklung haben. Trotzdem scheint derzeit kein pharmazeutisches Unternehmen diesbezüglich aktiv zu sein, lediglich die Nahrungsergänzungsmittelbranche hat den Ball aufgenommen und bietet (wahrscheinlich weitgehend ungeprüfte) Produkte an. Verschiedene Gründe halten die pharmazeutischen Unternehmer von einer solchen Entwicklung ab: Zum einen kann ein solches Produkt nicht durch ein Patent geschützt werden, da bereits zu viele Daten publiziert wurden. Weiterhin wirkt der hohe Rohstoffpreis von Safran abschreckend. Auch die fast ausschließliche Produktion der Droge in einer politisch kritischen Region wird als Hemmschuh gesehen. Allerdings könnten letztere Probleme gelöst werden, indem das reine Crocetin als Wirkstoff oder die Crocine als Prodrugs entwickelt würden. Diese Stoffe sollten auch chemisch-synthetisch darstellbar sein. Das Prodrug Crocin 1 könnte auch aus anderen, besser zugänglichen Pflanzenspezies (z. B. Gardenia-Arten) gewonnen werden.
Zusammenfassend kann man Safran, die als Prodrugs fungierenden Crocine und die Wirksubstanz Crocetin als sehr spannende Arzneistoffe mit Potenzial sehen. In jedem Fall muss einer wirtschaftlichen Vermarktung aber erst noch eine gezielte pharmazeutische Entwicklung vorangehen. |
Literatur
[1] Gohari AR, Saeidnia S, Kourepaz-Mahmoodabadi M. An overview on saffron, phytochemicals, and medicinal properties. Pharmacogn Rev 2013;7:61–66
[2] Lechtenberg M, Schepmann D, Niehues M, Hellenbrand N, Wünsch B, Hensel A. Quality and functionality of saffron: quality control, species assortment and affinity of extract and isolated saffron compounds to NMDA and sigma-1 receptors. Planta Med 2008;74:764-772
[3] Hausenblas HA, Saha D, Dubyak PJ, Anton SD. Saffron (Crocus sativus L.) and major depressive disorder: a meta-analysis of randomized clinical trials. J Integrative Med 2013;11:377-383
[4] Lopresti AL, Drummond PD. Saffron (Crocus sativus) for depression: a systematic review of clinical studies and examination of underlying antidepressant mechanisms of action. Hum Psychopharmacol Clin Exp 2014;29:517–527
[5] Berger F, Hensel A, Nieber K. Saffron extract and trans-crocetin inhibit the glutamatergic synaptic transmission in rat cortical brain slices. Neuroscience 2011;180:238-247
[6] Lautenschläger M, Sendker JD, Galla HJ, Brandt S, Hensel A. Intestinal formation of trans-crocetin from saffron extract (Crocus sativus L.) and in vitro permeation through intestinal and blood brain barrier. Phytomedicine 2014;22:36-44
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.