Gesundheitspolitik

Honorierung für Dienstleistungen durchsetzen!

Pharmacon: Diskussion über Apotheken-Zukunft in Deutschland, Österreich und Schweiz

DAVOS (wes) | Diskussionen über die zukünftige Ausrichtung des Apothekerberufs gibt es nicht nur in Deutschland. Auch in Österreich und der Schweiz wird über Medikationsmanagement, die Struktur der Honorierung und den Stellenwert von Dienstleistungen in der Apotheke debattiert.

Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Pharmacon-Kongresses im schweizerischen Davos wurde jedoch auch der unterschiedliche Stand dieser Diskussion sichtbar – und wie groß die Unterschiede zwischen den Apothekensystemen der Nachbarländer sind. Während der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Mag. Max Wellan, von einem stark regulierten und bedarfsgesteuerten System berichten konnte, charakterisierte Dominique Jordan, Präsident des Schweizer Apothekerverbands PharmaSuisse, die Situation in der Schweiz so: Hier gebe es alles, was von Übel sei für die traditionelle Apotheke – Fremdbesitz, Apothekenketten, Selbstdispensation der Ärzte, Versandhandel. Eines der Hauptprobleme der deutschen Apotheker ist nach Ansicht von Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, der extrem gestiegene Bürokratismus, für den er nicht zuletzt die Krankenkassen verantwortlich machte. Dazu kämen die Probleme der Finanzierung des Gesundheitssystems allgemein und der Honorierung der Apotheken im Besonderen. Sorge mache ihm auch die Attraktivität des Apothekerberufs.

Zukunft Dienstleistung?

Die Zukunft der Apotheke liegt für Jordan in einem Ausbau der Dienstleistungen. Bereits seit 2001 gebe es in der Schweiz neben der produktbezogenen Marge auch eine leistungsorientierte Abgeltung. Früher sei die Bezahlung der Dienstleistungen in der Marge der Arzneimittel enthalten gewesen. Diese sei jedoch so niedrig geworden, dass neue Angebote gesondert vergütet werden müssten. Das sei ein europaweites Phänomen.

Zwar gibt es auch in Österreich ein – begrenztes – Dispensierrecht für Ärzte. Dennoch berichtete Wellan von einer völlig anderen Apotheken-Welt als sein Schweizer Kollege. Im sehr regulierten österreichischen Gesundheitssystem herrscht flächendeckende Bedarfssteuerung. Wenn in einer Region genügend Menschen leben, wird eine neue Apotheke eröffnet. Nur in Gebieten, wo diese Kundenzahl nicht erreicht wird, dürfen Ärzte eine Hausapotheke führen. Bisher verdienen die österreichischen Apotheker laut Wellan ihr Geld ausschließlich aus der Handelsspanne, man verstehe sich sehr stark als Freier Beruf mit einem Versorgungsauftrag. Vor diesem Hintergrund sei die Diskussion über die Einführung des Medikationsmanagements als bezahlte Dienstleistung des Apothekers ein echter Kulturwandel. 2016 werde in Österreich eine elektronische Gesundheitsakte, ELGA genannt, eingeführt. Mit deren Daten sollen die Apotheken dann das Medikationsmanagement durchführen. Wellan ist sich sicher, dass die Apotheker bis dahin für diese Aufgabe gerüstet sein werden.

Die Schweizer Apotheker sind in diesem Bereich schon weiter. Schon seit einigen Jahren kann der Apotheker seinen Patienten einen Polymedikations-Check anbieten. Diese pauschal mit 56 Schweizer Franken (ca. 46 Euro) bezahlte Dienstleistung kann der Apotheker alle sechs Monate wiederholen. Mit Blick auf die Diskussionen in Deutschland empfiehlt der Schweizer Jordan, zwischen einer Grundversorgung und weiteren Dienstleistungen zu unterscheiden. Diese Grundversorgung, im Prinzip das, was die Apotheke heute bietet, müsse selbstverständlich auch weiterhin von allen Apotheken angeboten werden. Neue Dienstleistungen, beispielsweise Impfungen, müssten nicht von jeder Apotheke tatsächlich angeboten werden – aber jede Apotheke müsse in der Lage sein, sie anbieten zu können, wenn sie wolle.

Das will Kiefer für Deutschland so nicht gelten lassen. Bisher bekomme man in jeder Apotheke im Prinzip die gleiche Behandlung und das gleiche Angebot. An diesem Grundsatz wolle er festhalten. Auch in Zukunft müsse sich jeder Patient sicher sein können, dass ihm in jeder Apotheke geholfen werden kann. Jordan entgegnete, es sei eine Utopie zu glauben, dass auch noch in zehn oder zwanzig Jahren alle Apotheker die gleichen Dienstleistungen anbieten könnten. Künftig würden neue Kompetenzen benötigt, und nicht jeder Apotheker könne alle Kompetenzen für alle Angebote besitzen. Das sei vergleichbar mit der Entwicklung der Fachärzte.

Eine Frage der Haltung

Jordan widersprach auch der Vermutung, nur große Apotheken hätten die Ressourcen für neue Angebote. Der Polymedikations-Check werde beispielsweise von allen Schweizer Apotheken angeboten. Ob eine Apotheke neue Dienstleistungen anbiete, hänge nicht von ihrer Größe ab, sondern von der Haltung des Apothekenleiters.

Einigkeit zwischen den drei Präsidenten herrschte darüber, dass die neuen Dienstleistungen und Angebote gesondert honoriert werden müssen. Wellan gab jedoch zu bedenken, dass eine solche Erweiterung des Honorierungssystems ein Kulturwandel sei, den Apotheker und Kunden vollziehen müssen. Dem stimmte Jordan zu: Auch in der Schweiz habe es einige Zeit gebraucht, bis die Apotheker sich selbst davon überzeugt hätten, für Dienstleistungen, die bisher über die Marge bezahlt wurden, nun eine gesonderte Vergütung zu verlangen. Heute funktioniere dies jedoch gut. Für Kiefer klafft in Deutschland heute die Schere zu weit auseinander: Während immer mehr Erwartungen an die Apotheker gestellt würden, welche Aufgaben sie im Zuge ihrer Gemeinwohlpflichten zu erfüllen hätten, komme die Vergütung über das Fixhonorar dem nicht nach. Deswegen finde er auch die Idee der Nacht- und Notdienstpauschale so gut. Wenn es gelinge, eine Honorierung für Dienstleistungen der Apotheke durchzusetzen, sei viel erreicht. 

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