Arzneimittel und Therapie

Bessere Adhärenz durch vier Wirkstoffe in einer Kapsel

Die Idee, kardiovaskuläre Risikopatienten mit einem ganzen Cocktail an Medikamenten in nur einer einzigen Tablette zu versorgen, ist nicht neu. Bereits in den 90er Jahren wurde ernsthaft über das Konzept der "Polypille" nachgedacht. Als Wirkstoffkandidaten für eine fixe Kombination wurden Plättchenhemmer, Cholesterinsenker und Hochdruckpräparate wie Calciumantagonisten, ACE-Hemmer, Betablocker und Diuretika ins Spiel gebracht. Demgegenüber hat sich eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Simon Thom vom Imperial College, London (UK), mit der Frage beschäftigt, ob sich die Adhärenz verbessern lässt, wenn mehrere Medikamente bei klarer Indikationsstellung in einer Kapsel zusammengefasst werden.

Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie, die auf der Jahrestagung 2012 der American Heart Association (AHA) in Los Angeles, Kalifornien (USA), vorgestellt wurde, fielen positiv aus.

Von einer undifferenzierten Verteilung kardioprotektiv wirksamer Wirkstoffe nach dem Gießkannenprinzip, womöglich noch in der Primärprävention, wie es in diversen vorangegangenen Polypille-Konzepten zum Ausdruck kam, wollte Thom explizit nichts wissen. Ihm ging es vielmehr darum, die Wirksamkeit evidenzbasierter Therapien in der Kardiologie durch Steigerung der Einnahmetreue zu optimieren. Denn die Mehrzahl der Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, so der Kardiologe und Pharmakologe, nehme ihre empfohlene Medikation auf längere Sicht nicht oder nur unvollständig ein. Selbst in Ländern mit hohem Lebensstandard sinke die Adhärenz ein Jahr nach einem akuten Ereignis auf die Hälfte bis auf ein Drittel. Und in Niedriglohn-, Schwellen- und Entwicklungsländern gehe der Anteil der therapietreuen Patienten auf 20% und sogar auf bis zu 5% zurück. Hinlänglich bekannt sei zudem das Problem, dass die Therapieadhärenz mit der Anzahl der einzunehmenden Medikamente kontinuierlich abnimmt. In der UMPIRE-Studie (Use of multidrug pill in reducing cardiovascular events) wurde deshalb getestet, ob sich dieses Phänomen auch umkehren lässt, wenn mehrere Wirkstoffe in nur einem Präparat als Fixkombination zusammengefasst werden.

Einfaches Studiendesign: Einzelgabe oder Fixkombination

Bei insgesamt 2004 Teilnehmern, zur Hälfte aus Indien, aber auch aus London (UK), Dublin (Irland) und Utrecht (Niederlande), wurden zwei Therapieregime miteinander verglichen, die sich nur in einer Hinsicht unterschieden. Entweder wurden die vier Studien-Medikamente einzeln gegeben oder aber sie wurden als Fixkombination verabreicht, wobei sie lediglich in eine einzige Kapsel gesteckt wurden. Die Zusammensetzung bestand aus 75 mg Acetylsalicylsäure, 40 mg Simvastatin und 10 mg Lisinopril. Die vierte Komponente war mit 12,5 mg Hydrochlorothiazid oder 50 mg Atenolol ein weiteres Antihypertensivum. Für die Mehrzahl der Probanden waren diese Medikamente nicht neu, denn sie hatten bereits eine manifeste koronare Herzkrankheit (KHK) bzw. eine andere kardio- oder zerebrovaskuläre Erkrankung oder wiesen zumindest ein mehr als 15-prozentiges Risiko auf, in den nächsten fünf Jahren ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. So waren schon zuvor 88% der Patienten auf Statine, mehr als 90% auf Acetylsalicylsäure und rund 60% auf mindestens zwei Antihypertensiva eingestellt gewesen.

Adhärenz um ein Drittel höher

Nach einer Studiendauer von durchschnittlich 15 Monaten stellte sich heraus, dass mit der Fixkombinationsgabe die Adhärenz gegenüber der bisher üblichen Gabe als Einzel-Medikamente um ein Drittel verbessert werden konnte. Der Anteil der Patienten, die bis zum Studienende ihre Medikamente regelmäßig einnahmen, stieg von 65% auf 86%. Dies schlug sich auch in einer besseren Einstellung sowohl der Hypertonie wie auch der Dyslipoproteinämie nieder. Im Median kam es zu einer um 2,6 mmHg stärkeren Blutdrucksenkung und zu einer um 4,3 mg/dl verbesserten Senkung des LDL-Cholesterins. Beide Ergebnisse waren statistisch signifikant. Inwieweit diese Vorteile auch zu einer Reduktion kardio- oder zerebrovaskulärer Ereignisse beitragen könnten, ist bislang aber nicht untersucht worden.

Dass die Ergebnisse der Studie in Indien wie in Westeuropa gleich ausfielen, wertete Thom als Beleg für ihre Verallgemeinerbarkeit. Trotz der unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen stellte sich in beiden Regionen gleichermaßen die Vereinfachung der Therapie als ebenso einfaches wie wirksames Instrument heraus, die Behandlungsergebnisse zu verbessern. Insbesondere die Zusammenfassung mehrerer indizierter Medikamente in Fixkombination erweise sich dabei als probates Mittel, die Adhärenz und damit das Behandlungsergebnis zu optimieren. Für Schwellenländer wie Indien hätten die Studienergebnisse aber insofern eine besondere Bedeutung, da hier ökonomische Bedingungen besonders zum Tragen kommen. So könnte eine Fixkombination von vier kardioprotektiv wirksamen Substanzen in nur einer Kapsel, die alle als Generika erhältlich und deshalb preiswert sind, die indizierte Sekundärprävention in der Kardiologie erschwinglich und einer breiteren Bevölkerungsschicht leichter zugänglich machen.


Medizinjournalist Martin Wiehl



DAZ 2013, Nr. 7, S. 35

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