Fortbildungskongress

Alte Infektionskrankheiten wieder auf dem Vormarsch

Mehr als 30 Erreger sexuell übertragbarer Infektionen (STI) sind heute bekannt. Es handelt sich dabei um Bakterien, Viren, Pilze, Einzeller und Parasiten. Einige Krankheitsbilder wie die Syphilis kennt man schon seit Jahrhunderten, andere wie HIV-Infektionen sind verhältnismäßig jung. Die Probleme sind die gleichen geblieben: wie bekämpfen wir sie dauerhaft, ohne Rezidive unter möglichst geringer Schädigung des Wirtsorganismus? Welche Strategie wählt man, wenn Rezidive auftreten? Wie verhindern wir Resistenzen bzw. gehen mit Resistenzbildung um? Antworten auf diese Fragen gaben Prof. Dr. Helmut Schöfer, Frankfurt und Dr. Ralf Hartmann, Berlin.
Prof.Dr. Helmut Schöfer, Frankfurt Foto: DAZ/jb

Seit AIDS dank innovativer Medikamente nicht mehr als sicheres Todesurteil, sondern als zwar nicht heilbare, aber therapierbare chronische Krankheit angesehen wird, sind auch andere sexuell übertragbare Erkrankungen (STI) wie Syphilis und Gonorrhö wieder auf dem Vormarsch. Betroffen sind vor allem homosexuelle Männer.

Wechselspiele

Dies ist einerseits auf das geänderte sexuelle Risikoverhalten zurückzuführen, andererseits begünstigen HIV-Infektionen (auch mit Viruslast unter der Nachweisgrenze) die Infektion mit anderen Erregern. Diese erleichtern wiederum die Ansteckung mit HIV. Auch die vereinfachte Kontaktaufnahme über das Internet und die Verfügbarkeit von Lifestyle-Präparaten hat zu einer Verbreitung der STI auch bei Gruppen wie älteren Männern geführt, die bisher in der einschlägigen Szene weniger anzutreffen waren. Die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle stieg von rund 3000 im Jahre 2010 auf 3700 im Jahre 2011 an. Die Inzidenz bei Männern lag mit 8,6/100.000 Einwohnern 14-fach über der Inzidenz der Frauen. Früher war Syphilis unbehandelbar, im Jahre 1926 starben dreimal so viele Menschen an Syphilis wie an Krebs. Heute wird mit Depot-Penicillinen oder Ceftriaxon behandelt, bei Unverträglichkeit stehen Doxycyclin und Makrolide zur Verfügung. Letztere haben allerdings in einigen Ländern Resistenzraten von über 90%. Die Dosierung ist stadienabhängig (4 Stadien). Der Behandlungserfolg sollte vierteljährlich serologisch kontrolliert werden. Bei HIV-Infizierten ist verstärkt auf Symptome der Neurosyphilis, einer Ausprägung der Spätsyphilis, zu achten. Bei Verdacht wird nach dem empfohlenen Therapieschema behandelt, um spätere ZNS-Schäden wie Paralyse oder Demenz zu verhindern. Bei Immungesunden spielt die Neurosyphilis seit Einführung der Antibiotikatherapie kaum mehr eine Rolle.


Dr. Ralf Hartmann, Berlin Foto: DAZ/jb

Gonorrhö plus Chlamydien

Eine weitere STI, die besonders problematisch ist, da sie häufig symptomlos verläuft, ist die Gonorrhö. Sie tritt häufig in Ko-Infektion mit Chlamydien auf. Gonorrhö ist nicht meldepflichtig. Genaue Infektionszahlen liegen hier also nicht vor. Schwierigkeiten bei der Behandlung der Gonorrhö bereiten die zunehmenden Resistenzen. So sind 60% der Stämme resistent gegen Ciprofloxacin und auch die Resistenzen gegen die Cephalosporine der dritten Generation, die bisherige Standardtherapie, nehmen zu.

Neben Syphilis und Gonorrhö werden auch bei anderen bakteriellen Erregern wie Chlamydien und Klebsiellen steigende Infektionsraten verzeichnet.

Herpes: topische Therapie kommt oft zu spät

Zu den viralen sexuell-übertragbaren Erregern zählen Herpes-Simplex-Viren. Sie verursachen Haustläsionen. Typ 1 ist in Europa vor allem für den Ausbruch von Lippenherpes verantwortlich, HSV-2 verursacht meistens Herpes genitalis. Die Verteilung der Subtypen unterscheidet sich regional. Der akute Herpes wird mit Virustatika behandelt. Welches Virustatikum ausgewählt wird, richtet sich nach individuellen Parametern wie Nierenfunktion, Lebensumständen und Ko-Medikation. Die Kenntnis des Subtyps ist bei systemischer Therapie von Bedeutung, da HSV-2 beispielsweise auf eine Therapie mit Brivudin nicht anspricht. Lokale Virustatika zeigen in der Regel keine durchschlagende Wirkung, da sie meist erst bei Auftreten der Läsionen und damit zu spät angewendet werden.


Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt Foto: DAZ/jb

HPV: Impfungen zeigen Erfolge

Humane Papillomviren (HPV) sind für die Entstehung von Warzen verantwortlich. Es sind über 100 Subtypen bekannt. So gibt es einmal die Verursacher der normalen Warzen. Diese Läsionen werden entweder mit verschiedensten Methoden entfernt oder mit keratolytischen Substanzen behandelt. Die Rezidivquote ist unabhängig von der Methode hoch. Der Therapieerfolg hängt einzig und allein von der konsequenten Durchführung der Maßnahmen ab. Des Weiteren verursachen HPV Genitalwarzen, auch Condylome genannt. Mittlerweile weiß man, dass bestimmte HPV-Subtypen für die Entstehung bestimmter Krebsarten verantwortlich sind. So sind z. B. 100% der Cervixkarzinome HPV-assoziiert.

Genitalwarzen werden meist operativ entfernt. Alternativ kann lokal mit Imiquimod behandelt werden. Je nach Lokalisation können vom Apotheker alternative Applikationsformen hergestellt werden, z. B. Analtamponaden, da Imiquimod nur als Creme zur Verfügung steht. Die Therapie birgt zwar erhebliche Nebenwirkungen (Fieber, Entzündungen), aber die Rezidivrate ist im Gegensatz zur Ablation deutlich geringer. Ein weiterer Behandlungsansatz ist der Einsatz von Grünteeextrakten. Eindeutige Wirkungsnachweise stehen hier allerdings noch aus.

Seit einigen Jahren stehen Impfstoffe gegen HPV zur Verfügung. Sie sind zugelassen für Frauen bis 26 Jahre. Sie wirken zwar nur gegen bestimmte Subtypen, allerdings gibt es eine gewisse Kreuzimmunität. Daten aus Australien, wo die Impfraten deutlich höher sind als in Deutschland (79%vs. < 20%), zeigen, dass bei Geimpften die Zahl der abnormalen Abstriche zurückgeht. Außerdem tritt eine gewisse Herdenimmunität auf: auch bei den ungeimpften Jungen nahm die Zahl auffälliger Befunde ab. Allerdings wirkt der Impfstoff rein prophylaktisch. Therapeutische Impfstoffe, sowie universelle, gegen sämtliche Subtypen wirksame Impfstoffe befinden sich in der Entwicklung. Der entscheidende Durchbruch ist bisher nicht gelungen.

In den letzten Jahren treten Genitalwarzen häufiger auf. Dies ist dem Trend der Intimrasur geschuldet, denn vorhandene Erreger werden mit dem Rasierer verbreitet.

Windpocken – die unterschätzte Gefahr


Windpocken, also die Erstmanifestation einer Infektion mit dem Varicella-Zoster-Virus, gelten als harmlose Kinderkrankheit. Solange sie im bei ansonsten gesunden Kindern auftreten, mag das im ersten Moment weitestgehend stimmen. Allerdings ist der Körper nicht in der Lage das Virus vollständig zu eliminieren. Varicella-Zoster persisiert in den Ganglien und so besteht bei jedem, der jemals an Windpocken erkrankt ist, die Gefahr eines Rezidivs, einer Gürtelrose (Herpes zoster). Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter. Herpes zoster äußert sich in schmerzhaften Bläschen entlang der Nervenbahnen. Nach Abheilen der Läsionen kann der Schmerz bleiben: die sogenannte Post-Zoster-Neuralgie, der häufigste Suizid-Grund bei über 70-Jährigen. Zudem verursacht sie durch Arbeitsausfälle einen nicht unerheblichen volkswirtschaftlichen Schaden. Für Frauen ist das Risiko einer Post-Zoster-Neuralgie höhere. Weitere Risikofaktoren sind Alter über 50 Jahre, mehr als 50 Läsionen, Läsionen im Kopf- und Sakralbereich, hämorrhagische Läsionen und starke Schmerzen. In Deutschland werden circa 390.000 Zoster-Therapien durchgeführt. Da die Komplikationen und damit auch die Kosten mit der Dauer der Krankheit steigen, ist es wichtig, Windpocken im Erwachsenenalter sowie Gürtelrose frühzeitig und konsequent mit Virustatika zu behandeln. Außerdem sollten sich Erwachsene, die als Kind nicht erkrankt waren oder geimpft wurden, impfen lassen.


jb

HIV-Infektionen steigen wieder

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist in den letzten Jahren wieder leicht gestiegen. So stehen 2600 Neuinfektionen im Jahre 2006, 3400 Neuinfektionen im Jahre 2012 entgegen. Auch das ist – ähnlich wie der Anstieg anderer STI – auf verändertes Risikoverhalten zurückzuführen. Das Krankheitsbild AIDS mit den typischen opportunistischen Erkrankungen wie dem Kaposi-Sarkom sieht man Dank der Wirksamkeit der verfügbaren Medikamente heute kaum mehr. Dennoch ist eine HIV-Infektion bis heute nicht heilbar. Sie kann durch die Kombination von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Angriffspunkten im Replikationszyklus des Virus lediglich unterdrückt werden. Welche hier zur Verfügung stehen, erläuterte Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt:

  • Entryinhibitoren, die das Eindringen des Virus in die Wirtszelle unterbinden (z. B. Maraviroc). Sie sind allerdings nicht Mittel der ersten Wahl.

  • Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NRTI, NNRTI): sie verhindern das Umschreiben der viralen RNA in DNA (z. B. Stavudin, Efavirenz)

  • Integraseinhibitoren sind eine relativ neue Gruppe. Die Integrase vermittelt den Einbau der Virus-DNA, die zuvor aus der RNA übersetzt wurde, in das Genom der Wirtszelle. Hier ist bisher nur ein Wirkstoff verfügbar (Raltegravir), der allerdings bereits Eingang in die Leitlinien gefunden hat.

  • Protease-Inhibitoren: sie verhindern die Reifung der viralen Proteine und somit die Neubildung infektiöser Partikel. Die HIV-Protease gilt als das wichtigste Target.

Auch Hepatitis B kann durch ungeschützte sexuelle Kontakte übertragen werden. Die Behandlung erfolgt mit Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga (z. B. Adefovir, Lamivudin) und pegyliertem Interferon.


jb



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DAZ 2013, Nr. 7, S. 51

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