- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 36/2013
- Neue Runde im Rezeptdaten...
DAZ aktuell
Neue Runde im Rezeptdaten-Streit
Weichert: „zig-milliardenfacher“ Datenschutzverstoß
Selbst bei konservativer Schätzung handele es sich hier über einen Zeitraum von über zehn Jahren um eine „illegale ´zig-milliardenfache Weitergabe personifizierbarer sensibler Daten“, so Weichert in seiner Begründung. Ausführlich geht der schleswig-holsteinische Datenschützer auf das von VSA eingesetzte Verfahren der doppelten Anonymisierung von Rezeptdaten ein. Bei der sogenannten „doppelten Anonymisierung der Identifizierungsdaten“ handele es sich de facto um eine Pseudonymisierung, bei der die Personenbeziehbarkeit erhalten bleibe, so Weichert.
In seinem Schreiben untermauert Weichert seine Aussage, dass mit den übermittelten Datensätzen die Konsequenz verbunden sein könnte, „dass unter Umständen die Pharmaindustrie oder eben solche Dienstleister wie IMS Health diese Daten dann einem ganz konkreten Patienten zuordnen kann und dann auch unter Umständen Einfluss nehmen kann auf Behandlungsgeschehen beim jeweiligen Arzt.“ Tatsächlich habe seine Behörde eine Vielzahl von Rückmeldungen aus der Ärzteschaft erhalten, dass Pharmavertreter mit genauer Kenntnis des Verschreibungsverhaltens eines Arztes dieses durch Werbemaßnahmen zu beeinflussen versuchten. Ihm seien in der Vergangenheit Fälle vorgetragen worden, „bei denen Patienten mit einer spezifischen Krankheit von Pharmafirmen angeschrieben und zum Erwerb eines auf diese Krankheit genau passenden Arzneimittels beworben wurden“, so Weichert an VSA: „Es kommt also vor, dass mit Gesundheitsdaten individuelles Behandlungsgeschehen zu beeinflussen versucht wird.“
Interessiert hatten sich die VSA-Anwälte für die Zusammenarbeit von Weichert mit Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ und Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins e.V. Da NARZ „eine direkte Konkurrentin“ der VSA sei, dränge sich der Verdacht auf, „dass Sie Interessen vermischt haben, zumal Sie in den oben genannten Aussagen eindeutig Stellung gegen unsere Mandantin und zugunsten des NARZ nehmen“, zitiert Weichert aus einem Schreiben der VSA-Anwälte.
Diese wollten weiter wissen, ob er als Amtsträger ein Honorar bei Vorträgen erhalten habe, und ob „diese Bezahlungen im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Berichterstattung stehen“.
Zu einem Vortrag beim Apothekerverband Schleswig-Holstein am 30. Mai 2013 in Kiel sei er mit dem Fahrrad angereist. Ein Honorar sei nicht gezahlt worden. Weichert: „Als Dankeschön erhielt ich von den Veranstaltern eine Flasche Wein.“ Auch für einen Vortrag am 5. Juni 2013 beim Hamburger Apothekerverein habe er kein Honorar erhalten. „Auch hier erhielt ich von Herrn Dr. Graue, der sich mir gegenüber als Weinliebhaber outete, als Dankeschön eine Flasche mit Wein.“
Auf mehrfache Anfrage von DAZ.online wollte VSA nicht mitteilen, ob nach der Weigerung Weicherts, die Unterlassungsverfügung zu unterschreiben, weitere rechtliche Schritte gegen ihn unternommen werden.
BMG hält sich aus Datenschutz-Streit heraus
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält sich aus dem ungelösten Konflikt über den datenschutzkonformen Umgang mit Rezeptdaten heraus. In einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Gesundheitspolitikerin Dr. Marlies Volkmer verweist Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Zuständigkeit der Landesdatenschützer. Die Bundesregierung habe in dieser Frage keine „Prüf- oder Weisungsbefugnisse“.
Es obliege den Datenschutzbehörden der Länder zu prüfen und sicherzustellen, dass die bestehenden Vorschriften eingehalten würden. Mit Blick auf die im „Spiegel“-Bericht gegen das Münchener Apothekenrechenzentrum VSA erhobenen Vorwürfe verweist das BMG auf die zuständige bayerische Datenschutzbehörde: „Das zuständige BayLDA hat die Datenverarbeitung der VSA geprüft und in seinem Abschlussbericht vom 9. Januar 2013 keine datenschutzrechtlich unzulässigen Datenverarbeitungen durch die VSA festgestellt.“
Im weiteren Verlauf der Antwort verweist das BMG auf die gesetzlichen Vorgaben zur Datenverarbeitung. Eine Anonymisierung liege vor, wenn kein Personenbezug mehr oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand hergestellt werden könne. Zudem verweist Widmann-Mauz auf die Arbeit der „Ad-hoc-Arbeitsgemeinschaft Apothekenrechenzentren“ der Landesdatenschützer. Bei zwei Sitzungen sei es jedoch nicht gelungen, einen Konsens herzustellen: „Eine einvernehmliche Auffassung, welche konkreten Anforderungen an die Anonymisierung von den Apothekenrechenzentren im Einzelnen zu gewährleisten sind, wurde bei diesem Gespräch nicht erreicht.“
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.