Feuilleton

Omne vivum ex ovo

Vom Weltenei bis zum Fabergé-Ei

Schmuck- und Ostereier aus Asien und Australien sind das Thema der diesjährigen Osterausstellung im Schloss Altenburg (Thüringen). Bis zum 7. April sind dort rund tausend Objekte aus der Sammlung von Edith Breitkreutz, Gotha, zu sehen, die im Zusammenhang mit den vielen Mythen um "das Ei" stehen.
Ei aus Porzellan, China.

Verzierte Eier spielen nicht nur zu Ostern eine Rolle. Symbolisiert das Osterei im Christentum seit alters her das Grab Jesu, aus dem neues Leben hervorgeht, so steht das Ei in anderen Kulturen als Keimzelle der Schöpfung ("Weltenei") im Mittelpunkt von Mythen und Bräuchen. Ein chinesischer Mythos besagt, dass Pangu, das erste Lebewesen, in einem Hühnerei aufwuchs. Nachdem dessen Schale zerbrochen war, verwandelten sich der Dotter zum Himmel und das Eiklar zur Erde. Die Welt wurde aus den Körperteilen Pangus erschaffen.

Glücksbringer und mehr

Im Reich der Mitte ist auch heute noch die Tradition lebendig, neugeborenen Knaben ein rotes Ei als Glücksbringer in die Wiege zu legen. Für wohlhabende Auftraggeber fertigten die Kunsthandwerker kostbare Eier aus Metall mit farbenprächtigem Cloisonné-Dekor, einer sehr aufwendigen Emailliertechnik. Häufiger wurden jedoch Palmnüsse, Kalebassen, mitunter auch Elfenbein als Werkstoffe für Schmuckeier verwendet.

Auch nach einem japanischen Mythos bildeten Himmel und Erde ursprünglich ein Ei, in dessen Mittelpunkt der Ursprung alles Lebendigen lag. Diese Vorstellung inspirierte die Menschen auf mannigfache Weise, Eier künstlerisch zu gestalten. Mancherorts werden im Lande der aufgehenden Sonne zur Bestattung eines nahen Angehörigen eiförmige Puppen verbrannt, damit die Seele leichter entweichen kann.

In Indien steht das Ei ebenfalls am Anfang verschiedener Schöpfungsmythen. Oft bildet das "Innenleben" kunstvoll geschnitzter "Eier" die hinduistische Überlieferung ab, derzufolge Gott Brahma nach einjährigem Verharren in einem goldenen Ei dessen Schale gesprengt und aus den beiden Hälften Himmel und Erde erschaffen hat. Bemerkenswert ist das manuelle Geschick der Künstler, die in einem Stück Speckstein, Elfenbein oder Sandelholz von außen nach innen zwei- bis dreifach ineinander verschachtelte Figuren schnitzen.

Das Bemalen von Eiern in zarten Farbtönen ist – wie in Europa – auch in Indien eine weit verbreitete Volkskunst. Auf dem Subkontinent werden sie allerdings nicht zum Osterfest, sondern das ganze Jahr über als Symbole für Liebe, Glück und Wohlergehen verschenkt.

"Reich wie Stein, hart wie Stein, viel Glück und ein langes Leben wie ein Stein" wünschen in Vietnam Familienangehörige einem Neugeborenen, indem sie ein mit einer Landschaft dekoriertes Steinei in seine Wiege legen.


Schutz gegen böse Geister Ein "Maskenei" aus Korea.

Eier zum Beschwören

In Korea soll vor vielen Jahrhunderten ein Junge eine göttliche Vision gehabt haben und daraufhin begonnen haben, Eier mit Masken zu bemalen; solche "Maskeneiern" dienen noch heute zur Beschwörung von bösen Geistern.

In Polynesien ist die Tradition der "Maskeneier" noch jung; auch dort erzählt man schon seit alters her, dass die Welt aus einem Ei entstanden ist.

Die Bewohner von Bali opfern den Gottheiten bemalte Eier, um für sich ein glückliches Schicksal zu erbitten. Zudem ist es auf der Insel Brauch, ein unbemaltes Hühner- oder Gänseei einem "Schamanen" zu geben, der es mit Zauberformeln bespricht und mit geweihtem Wasser besprengt. Anschließend bemalt er das Ei mit Zeichen, die den Göttern den Wunsch des Opfernden vermitteln sollen. Etwa, dass er die Zuneigung eines begehrten Menschen gewinnen oder seine Manneskraft stärken möchte oder aber einer missliebigen Person eine Krankheit wünscht.


Emu-Ei, dekoriert von Aborigines in Australien.

"Gemälde" auf Emu-Eiern

Bei den australischen Aborigines hat die Verzierung von Emu-Eiern eine jahrhundertealte Tradition. Wird die grüne Schale mit einem scharfen Gegenstand geritzt, kommen unterschiedliche Farbnuancen zum Vorschein. Zudem werden mineralische Farben aufgetragen. Die Aborigines bilden vorwiegend Pflanzen und Tiere aus ihrem Lebensraum ab, und zwar meistens in der "Pünktchentechnik".

Osterpräsent für die Zarin: ein "Überraschungsei"

Die kostbarsten Ostereier sind die Fabergé-Eier, die in der Ausstellung verständlicherweise nur als Repliken vertreten sind. Zar Alexander III. (1845 – 1894) hatte seinen Hofjuwelier Peter Carl Fabergé (1846 – 1920) erstmals 1884 beauftragt, als Ostergabe für seine Gattin ein Ei mit besonderem "Inhalt" anzufertigen. Bis 1917 entstand in der St. Petersburger Werkstatt jedes Jahr ein neues Unikat, dessen Inhalt aber meistens nichts mit der christlichen Symbolik gemein hatte. Entdeckte die Zarin im ersten Ei noch einen goldenen Dotter, der in sich eine Henne aus Vierfarbgold mit Rubin-Augen verbarg, so zeigten spätere Editionen rein weltliche Motive wie ein Miniaturmodell der Krönungskutsche, ein winziges bespielbares Schachbrett oder die Transsibirische Eisenbahn en miniature. Diese "Überraschungseier" zeugen von der erstaunlichen Kreativität eines begnadeten Kunsthandwerkers.


Ausstellung


Schloss- und Spielkartenmuseum Altenburg

Schloss 2 – 4, 04600 Altenburg

Tel. (0 34 47) 51 27 12 und 51 27 33

www.residenzschloss-altenburg.de

Geöffnet dienstags bis sonntags von 9.30 Uhr bis 17 Uhr


Reinhard Wylegalla



DAZ 2013, Nr. 13, S. 112

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