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Management
So nutzen Sie den Jammer-Faktor
Von dem Trainer und Buchautor Ardeschyr Hagmaier stammt die Metapher, dass in jedem Menschen ein Adler-Herz und ein Enten-Herz schlägt: Mal sind wir zu Tode betrübt und sehen überall nur Probleme. Quakend und jammernd lassen wir uns aus über die bösen Kunden, den ungünstigen Markt, die unausgereifte Gesundheitsreform, die faulen Mitarbeiter und die ungerechten Chefs. Dann wiederum sind wir voll und ganz auf die Lösung fokussiert. Notorischer Problemsucher und konstruktiver Lösungsfinder – beides ist in uns angelegt. Es scheint aber, dass gerade die Deutschen dazu neigen, sich auf die Probleme zu fokussieren und darüber die Lösung zu vergessen. Es wird sich mehr beschwert als lösungsorientiert zu denken.
Das Haar in der Suppe finden
Ist es unsere Mentalität, eher das halb leere Glas zu sehen als das halb volle? Immerhin ist im Ausland für die Haltung dieser pessimistischen Zukunftssicht der Begriff der "German Angst" geprägt worden. Jüngst haben dieses Phänomen Annika Lohstroh und Michael Thiel in ihrem Buch "Deutschland, einig Jammerland. Warum uns Nörgeln nach vorne bringt" mit Humor beschrieben. Und tatsächlich: Nirgendwo haben die Menschen mehr Versicherungen abgeschlossen als in Deutschland, niemand beschwert sich, zum Beispiel im Urlaub, öfter als die Deutschen über Nichtigkeiten und Bagatellen.
All dies lässt sich durch Studien und Untersuchungen belegen. Wie es um den Jammer-Faktor in den Apotheken bestellt ist, lässt sich hingegen nicht genau beziffern. Aber warum sollte es in der Apotheke anders sein als in vielen anderen Firmen und an den meisten anderen Arbeitsplätzen.
Die Frage ist, wie sich die Jammerei in positive Bahnen lenken lässt, wie sich produktive Funken daraus schlagen lassen. Dabei gilt: Natürlich gibt es auf Apotheker-, Kunden- und auch Mitarbeiterseite immer wieder berechtigten Anlass, Dinge zu kritisieren und zu bejammern. Was aber ist mit jener übertriebenen und destruktiven Jammerei, die – bei objektivem Licht betrachtet – eher keinen sachlichen Grund hat? Wenn es dem Jammerer also primär darum geht, unbedingt das Haar in der Suppe zu finden? Wie soll der Apotheker damit umgehen?
Der jammernde Apotheker: konstruktiv(er) denken
Wer das halb volle Glas sieht, läuft Gefahr, sich bequem zurückzulehnen, nach dem Motto: "Alles im grünen Bereich! Es dauert ja noch zwei Monate, bis die neuen Verordnungen verbindlich für uns sind!" Wer jedoch das halb leere Glas in den Fokus rückt, denkt: "Nur noch zwei Monate Zeit! Ich fange gleich heute mit der Vorbereitung an und führe die notwendigen Gespräche, damit wir in unserer Apotheke rechtzeitig durchstarten können." Das bedeutet: Das Jammern hat nicht von vornherein nur negative Aspekte – entscheidend ist, nicht in der destruktiven Jammerhaltung stecken zu bleiben, sondern die produktiven Konsequenzen daraus zu ziehen.
Dies ist am ehesten möglich, wenn der Apotheker sich selbst unter die kritische Jammerer-Lupe legt und analysiert, ob er die Tendenz zum Jammern hat. Eine Verhaltensveränderung zu fordern, ist dann immer wohlfeil – zumindest aber sollte er sich fragen, welche Möglichkeiten er nutzen kann, das destruktive Jammern in engen Grenzen zu halten, sich von der Fixierung auf das Problem zu lösen und sich auf die Lösungsfindung zu konzentrieren.
Dazu ein einfaches Beispiel: Statt über die hohe zeitliche Belastung in der Apotheke oder etwa über die Zunahme der Büroarbeit zu schimpfen, führt sich der Apotheker abends vor Augen, was alles geklappt hat, dass er Menschen helfen und welche problematischen Führungssituationen er im Laufe des Tages bewältigen konnte. Es geht nicht darum, die Augen vor Problemen zu verschließen. Jedoch: Wenig zielführend ist es, sich ständig von zweifellos vorhandenen Problemen mental herunterziehen zu lassen. Des Weiteren sollte er den sachlichen "Jammer-Gehalt" so objektiv wie möglich prüfen – und dann entscheiden, ob es notwendig ist, bei sich selbst eine Verhaltens- oder Einstellungsveränderung einzuleiten.
Wichtig ist, sich aus den sogenannten Jammer-Zirkeln zurückzuziehen, die oft entstehen, wenn mehrere Apotheker miteinander Erfahrungen austauschen, etwa auf einem Kongress. Die Jammerei des einen Apothekers zieht dann die Nörgelei des anderen nach sich, man zieht sich gegenseitig herab, die Lösungsfindung gerät vollends aus dem Blickwinkel.
Der jammernde Mitarbeiter: Lösungen abfordern
Und dann sind da ja auch noch die jammernden Mitarbeiter und Kunden. Bei den Mitarbeitern gibt es gewiss Situationen, in denen der Apotheker darauf achten muss, dass der Jammerer nicht zur Demotivation des gesamten Apothekenteams beiträgt. Eine elegante Lösung besteht darin, die – auf berufliche Angelegenheiten bezogene – Jammerei ernst zu nehmen, aber dann den Mitarbeiter unmissverständlich aufzufordern, einen konkreten Lösungsvorschlag dazu zu formulieren. Auch hier gilt: Raus aus der Jammerecke, rein in die konstruktive Lösungsfindung.
Ein Extremfall: Es kann sein, dass sich der Jammerer als das "beste Pferd im Stall" entpuppt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich hinter den Nörgler-Äußerungen eines Mitarbeiters ein bedenkenswerter Kern verbirgt. Der Mitarbeiter legt den Finger in die Wunde, macht auf einen Missstand in der Apotheke aufmerksam, der beseitigt werden sollte. Die Form, also wie er das tut, mag dabei nicht immer zielführend sein. Trotzdem sollte der Apotheker prüfen, ob die fachliche Kritik hinter der Jammerfassade nicht berechtigt ist und Anlass zu einer Korrektur eines Prozesses oder Arbeitsablaufes in der Apotheke gibt. Gerade die "beruflich bedingte Jammerei" hat mithin nicht nur Schatten-, sondern durchaus auch Sonnenseiten.
Der jammernde Kunde: humorvoll reagieren
Die Kommunikation mit unzufriedenen Kunden folgt anderen Regeln als bei der Mitarbeiterführung. Im Umgang mit nörgelnden Kunden sind Optimismus, Geduld und Humor gefragt, insbesondere wenn es zur Mentalität des Kunden zu gehören scheint, bei Kälte die Sonne herbeizusehnen und bei Sonnenschein die Hitzewelle zu beklagen. Aber: Der Apotheker sollte zugleich prüfen, ob der Kunde mit seinen Jammereien nicht etwas verdeckt. Fingerspitzengefühl und sensibles Vorgehen helfen, die wahren Gründe aufzuspüren. Verbirgt sich hinter der Meckerei ein tiefgehendes Misstrauen gegenüber der Apotheke, dem Team und dem Apotheke selbst? Ist er unentschlossen und unsicher, weiß er nicht, was er will, übertüncht er so sein wenig entwickeltes Selbstwertgefühl im Gespräch mit der Koryphäe "Apotheker"? Der nützliche Aspekt der Jammerei des Kunden besteht also darin, Hinweise auf dessen wahre Befindlichkeit zu erhalten.
Und so sollten Team und Apotheker die Begegnung mit dem jammernden und meckernden Kunden als besondere Herausforderung betrachten, trotz widriger Umstände ein erfolgreiches Kundengespräch auf den Weg zu bringen.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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