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Management
Verabschieden Sie sich von 08/15-Lösungen!
Die genannten Studien beziehen sich auf die Führungskräfte allgemein – aber es ist zu befürchten, dass die Bewertung der Apotheker in ihrer Eigenschaft als Führungskräfte nicht sehr viel anders ausfällt. Dies vorausgesetzt, lohnt sich die Beschäftigung mit einem Führungskonzept, das der Managementtrainer und Coach Volker Schneider entwickelt hat und den Namen "FührungsIntelligenz" trägt (www.volkerschneider.net).
Komplexität akzeptieren
Das Konzept basiert auf dem Gedanken, dass es keine einfachen Führungsrezepte gibt, bei denen nach dem Motto "Tue dieses und es folgt jenes" durch eindimensionale Handlungsanweisungen Mitarbeiter zu Verhaltens- und Einstellungsveränderungen angeleitet werden können. Vielmehr ist die Führungsarbeit bunt wie ein Kaleidoskop. Jede Führungssituation, jedes Gespräch mit einem Mitarbeiter in der Apotheke verläuft anders und höchst individuell. Nehmen wir nur den kleinen Ausschnitt der Mitarbeitergespräche, die ein Apotheker führen muss – etwa das Motivationsgespräch, das Konfliktgespräch, das Kritikgespräch, das Einstellungsgespräch, das Beurteilungsgespräch, das Qualifikationsgespräch. Allein dieser überschaubare Ausschnitt der Mitarbeiterkommunikation verdeutlicht die Komplexität der Führungsarbeit.
Nach Volker Schneider ist es notwendig, der Komplexität der Führungssituationen mit FührungsIntelligenz zu begegnen. Damit ist die Fähigkeit gemeint, zweckvoll in Führungsprozessen zu handeln, vernünftig zu denken und sich aktiv und zielführend mit der Führungsumgebung – mit den Mitarbeitern und im Rahmen der Arbeitsprozesse in der Apotheke – auseinanderzusetzen. Freilich muss die Entwicklung der FührungsIntelligenz einen Bezugspunkt haben, von dem aus beurteilt werden kann, was etwa "zweckvolles Handeln" und "vernünftiges Denken" konkret heißt. Und dieser Bezugspunkt ist das Erreichen der Apothekenziele. Mit anderen Worten: Führungsintelligente Apotheker führen sich selbst und ihre Mitarbeiter derart, dass alle einen optimalen Beitrag leisten können, die Apothekenziele zu erreichen.
Führungsintelligenzen entwickeln
Das hört sich zunächst einmal wie eine Selbstverständlichkeit an. Doch bereits bei dem ersten dazu notwendigen Schritt – nämlich die Komplexität der Führungsprozesse anzuerkennen – hat so mancher Apotheker Probleme. Der Grund: Die meisten Apotheker sehen sich zunächst einmal als pharmazeutische Experten, und erst in zweiter Linie als Führungskräfte, die jede Führungssituation als einzigartige Herausforderung definieren sollten.
Hier helfen Gespräche mit anderen Apothekern oder einem externen Berater weiter. So kann sich der Apotheker darüber klar werden, dass er nicht nur Pharmazeut ist, sondern ebenso Führungskraft, Kommunikator, Innovator, Mentor, Kontrolleur oder auch "Menschenentwickler". Viele Führungsprobleme ließen sich lösen, wenn der Apotheker nachvollziehen könnte, dass Menschen zuweilen motiviert werden wollen, sich mit ihrer Tätigkeit identifizieren möchten, aber dazu einen Anlass benötigen. Der führungsintelligente Apotheker erwirbt darum eine Vielzahl an Führungsinstrumenten, die es ihm erlauben, verschiedene Führungsrollen einzunehmen – je nach Situation und Mitarbeitertypus.
Ebenso wie die multiple Intelligenztheorie nach Howard Gardner darauf verweist, der Mensch besitze verschiedene Intelligenzen, setzt sich die FührungsIntelligenz aus einem Set an Intelligenzfaktoren zusammen: Der Apotheker sollte demnach über Fachintelligenz, kommunikative Intelligenz, emotionale Intelligenz, soziale, methodische Intelligenz und Team-Intelligenz verfügen. Erst im Zusammenspiel dieser Faktoren bildet sich dann FührungsIntelligenz heraus.
Kompetenz zur Selbstreflexion aufbauen
Nun mag so mancher Apotheker einwerfen, dafür keine Zeit zu haben. Im Mittelpunkt stünden doch die Kundenorientierung und die wirtschaftliche Etablierung und Stabilisierung der Apotheke. Richtig: Aber sind dazu nicht auch Mitarbeiter notwendig? Führungsintelligente Mitarbeiterführung ist ein notwendiger Entwicklungsschritt in Richtung Kundenorientierung.
Entscheidend ist nun weniger, in jeder Führungssituation immer alles richtig zu machen. Das wird nie gelingen. Was aber gelingen kann und muss, ist die Bereitschaft zur ständigen Selbstreflexion: Der führungsintelligente Apotheker geht regelmäßig – zumindest jedoch nach schwierigen Führungssituationen – in die Selbstbefragungsphase:
"Was hat in dieser Situation wirklich gut geklappt? Und was nicht?"
"Hat das Gespräch dazu beigetragen, dass der Mitarbeiter noch besser in der Lage ist, die Apothekenziele zu erreichen? Hat es dazu geführt, dass er sich als Mit-Gestalter der Arbeitsprozesse in der Apotheke einbringen kann und will?"
"Welche meiner Verhaltensweisen kann ich optimieren, welche Handlungsalternativen muss ich mir erarbeiten, um noch flexibler und angemessener auf die Menschen und die Führungssituationen einzugehen?"
Sinnvoll ist es wiederum, ein Feedback einzuholen – durch Gespräche mit anderen Apothekern oder einen Kompetenz-Check, bei dem der Apotheker seine Führungsfähigkeiten messen lässt. Hilfreich ist es zudem, ein Tagebuch zu führen und seine Tätigkeit im Schreibprozess zu spiegeln. Die schriftliche Auseinandersetzung erlaubt es, eine Distanz zu sich selbst einzunehmen. Aus der Helikopter-Position gelangt der Apotheker zu einem höheren Grad an Objektivität.
Bedingungen des eigenen Handelns reflektieren
Apotheker, die Führungsintelligenz entwickeln, gehen im Vergleich zu den Verfechtern der schnellen 08/15-Führungskonzepte den schwierigeren Weg. Es ist jedoch ein Weg, mit dem sie der Komplexität der Führungsrealität gerecht werden.
Der entscheidende Aspekt, die Komplexität zu beherrschen, liegt in der selbstkritischen und konstruktiv-produktiven Beschäftigung des Apothekers mit den Bedingungen seines Denkens und Handelns. Dazu zählen die Werte, auf deren Grundlage er agiert. Über diese Werte sollte er sich Klarheit verschaffen.
Neben den Werten gehören die Aspekte dazu, die seine Entscheidungen beeinflussen, und die Fähigkeit, Veränderungen in einem sich ständig wandelnden Umfeld zu managen.
Mit der Reflexionsarbeit allein, so Führungsintelligenz-Experte Volker Schneider, ist es jedoch nicht getan: Denn jetzt muss der Apotheker immer wieder aufs Neue festlegen, was all dies für sein Handeln in konkreten Führungssituationen bedeutet – für Führungsaktivitäten etwa wie die Delegation, die Teammotivation, die Konferenzführung, das Mitarbeitergespräch.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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