Management

Kundenorientierung – wie man sich auf Kunden einstellt

So schwingt sich das Apothekenteam mit den Kunden auf einer Wellenlänge ein

Die Hirnforschung zeigt: Es sind die Spiegelneuronen, die uns veranlassen zu gähnen oder zu lächeln, wenn dies auch unser Gesprächspartner tut. Wir ahmen die Handlungen anderer Menschen nach – lässt sich dieser Zusammenhang für den Kundenkontakt nutzen?

Nicht jeder Apotheker ist bereit, sich mit den Erkenntnissen der Hirnforschung zu beschäftigen. Allerdings: Wer diese Flexibilität an den Tag legt, erhält wertvolle Hinweise, wie er in die Sprach- und Vorstellungswelt des Kunden eintauchen und sein Beratungsgespräch schließlich ganz und gar auf die Erwartungen des Gesprächspartners abstellen kann.

Die Bedeutung der Spiegelneuronen

Der neurophysiologische Hintergrund: Spezielle Nervenzellen in unserem Gehirn reagieren beim Betrachten einer Aktion genau so, als würde der Zuschauer die Aktion selbst ausführen. Die Spiegelneuronen lassen uns Schmerzen empfinden, wenn wir die Schmerzen eines anderen Menschen miterleben. Sie sorgen umgekehrt dafür, dass wir gute Laune haben und lächeln, wenn unser Gesprächspartner diese Gefühle zeigt. Sie veranlassen uns zuweilen sogar dazu, die Handlungen anderer Menschen nachzuahmen.

Das heißt für das Beratungsgespräch in der Apotheke: Der Kunde empfängt das, was der Apotheker und seine Mitarbeiter ausstrahlen. Wenn der Apotheker also griesgrämig-lustlos in das Beratungsgespräch geht, darf er sich nicht wundern, wenn der Kunde dieses Verhalten spiegelt. Doch da das Ganze zum Glück auch umgekehrt funktioniert, helfen die Spiegelneuronen dabei, sich mit dem Kunden auf einer Wellenlänge einzuschwingen. Helmut Seßler resümiert in seinem Buch "Limbic® Sales: Spitzenverkäufe durch Emotionen" (Haufe Verlag): "Spiegelneuronen können in unserem Körper eine Handlung oder eine Empfindung hervorrufen oder aktivieren, wenn der gleiche Vorgang bei anderen Personen nur beobachtet wird. Ihre Resonanz setzt spontan und unwillkürlich ein, ohne dass es des Prozesses des Nachdenkens bedürfte. Spiegelneuronen benutzen das neurobiologische Inventar des Beobachters, um ihn in einer Art innerer Simulation spüren zu lassen, was in anderen, die er beobachtet, vorgeht. Die Spiegelresonanz ist die neurobiologische Basis für spontanes intuitives Verstehen."

Zustand positiv beeinflussen

Dass man dem Kunden freundlich und mit Wertschätzung entgegentreten soll, wird wohl jeder im Apothekenteam wissen. Durch die Entdeckung der Spiegelneuronen und ihrer Bedeutung für die Entstehung sympathischer Beziehungen zwischen dem Kunden und dem Mitarbeiter erhält dieser Zusammenhang einen noch höheren Stellenwert. Und darum sollte der Apotheker diesen Zusammenhang im Meeting ansprechen und mit dem Team überlegen, welche praktischen Konsequenzen er für den Kundenkontakt hat.

Wie zum Beispiel lässt sich verhindern, dass ein Mitarbeiter, der – aus welchen Gründen auch immer – von blockierenden und negativen Gefühlen überschwemmt wird, ins Kundengespräch geht? Bei einem demotivierten Mitarbeiter droht die Gefahr, dass der Kunde den Zustand des Gegenübers spiegelt. Und ein demotivierter, unlustiger und schlecht gelaunter Kunde wird niemals eine positive Kaufentscheidung treffen.

Darum: Ist es nicht besser, wenn der Mitarbeiter seine schlechte Laune oder negative Haltung offen kommuniziert und an diesem Tag möglichst wenig Kundenkontakt hat? Und was können Apotheker und Mitarbeiter unternehmen, wenn jene Gefühlslage durch dauerhafte Überzeugungen geprägt ist, der Mitarbeiter also grundsätzlich von blockierenden Gefühlen beeinträchtigt wird? Wie also lässt sich der Zustand des Mitarbeiters so beeinflussen und managen, dass er einen produktiven Einfluss auf das Kundengespräch hat? Diese Fragen sollten offen im Meeting diskutiert werden.

In die individuelle Vorstellungswelt der Kunden eintauchen

Welche grundsätzliche Haltung ein Mensch hat – die sich dann im Verhalten seines Gesprächspartners spiegeln kann – , hängt auch davon ab, welches Emotionssystem bei ihm dominiert. Die Gehirnforschung geht von vier verschiedenen Emotionssystemen aus. Helmut Seßler betont, wie wichtig es sei, dass jedem Mitarbeiter bewusst ist, welches Emotionssystem bei ihm selbst vorherrscht – und welches beim Kunden. Der Apotheker sollte daher gemeinsam mit seinem Team die folgenden Schritte gehen:

  • Schritt 1 – das dominante Emotionssystem und das Persönlichkeitsprofil der Teammitglieder analysieren, zum Beispiel: Gehört Apothekerin Gisela Schmidt zu den Menschen, die das Neue und Unbekannte, die Abwechslung und das Innovative lieben (Stimulanz-System)? Will die angestellte Apothekerin Manuela Müller jede Gesprächsrunde dominieren, Top-Ergebnisse erzielen und besser sein als andere (Dominanz-System)? Geht es der PTA Marion Meier um Beziehungen, Geborgenheit, um Vertrauen und Menschlichkeit (Balance-Unterstützer-System)? Stehen für Sabine Schulz die Zahlen, Daten und Fakten und der Erhalt des Status quo im Mittelpunkt (Balance-Bewahrer-System)? Unter http://www.intem.de/schnelltest können Apotheker und Mitarbeiter eine erste Einschätzung des vorherrschenden Emotionssystems vornehmen.

  • Schritt 2 – anhand der Emotionen, Werte und Motive den Kundentyp erkennen: Das ist der entscheidende Schritt. Der Apotheker verschafft sich detaillierte Beschreibungen der möglichen Limbic® Sales-Kundentypen und geht seinen Kundenstamm durch: Wer gehört zu welchem Kundentyp? Diese Frage kann im Team, in dem es sicherlich immer mindestens einen Mitarbeiter geben wird, der einen Stammkunden besonders gut kennt, beantwortet werden. Gehört also Kunde A zu den sicherheitsorientierten Bewahrern, Kunde B zu den innovativen Entdeckern und Kunde C zu den dominanten Eroberern?

  • Schritt 3 – kundentyporientierte Strategien erstellen: Jetzt ist es möglich, für die verschiedenen Kundentypen spezifische Gesprächsleitfäden zu stricken, passgenaue Gesprächseinstiege zu kreieren sowie typengerechte Argumente zu entwerfen, kurz: Jetzt kann das Team festlegen, wie es am besten gelingt, in die jeweilige Vorstellungswelt der Kundentypen einzutauchen.

  • Schritt 4 – den typengerechten Erstkontakt trainieren: Apotheker und Mitarbeiter schulen ihre Wahrnehmungsfähigkeit, um an Indikatoren wie der Körpersprache, der Sprache, dem äußeren Erscheinungsbild und den Kundenaussagen das Emotionssystem der Gesprächspartner einzuschätzen.

Die Vorbildfunktion des Apothekers

Die "emotionale Ansteckung", die durch die Spiegelneuronen bewirkt wird, wirft überdies ein Licht auf die Vorbildfunktion des Apothekers. Lässt sich dieser zum Beispiel in schwierigen Zeiten von negativen Stimmungen herabziehen, könnte dies zur Demotivation der Mitarbeiter beitragen, selbst wenn er sich bemüht, seine Haltung zu verbergen. Seine verräterische unbewusste Körpersprache könnte dem Team signalisieren, in welcher Verfassung er sich befindet.

Aber auch hier lautet die gute Nachricht, dass der Apotheker durch ein aktives Zustandsmanagement die gegenteilige Wirkung erzielen kann: Wer gut gelaunt, motiviert und engagiert daran geht, die schwierige Situation zu meistern, darf hoffen, dass die Mitarbeiter diese Einstellung spiegeln.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2011, Nr. 25, S. 6

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