Arzneimittel und Therapie

Antihypertonika verlangsamen diabetische Retinopathie

Seit einiger Zeit existiert die Hypothese, eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems könnte einer diabetischen Nephropathie vorbeugen, denn eine effektive Blutdrucksenkung gilt als wichtigste Maßnahme, um das Fortschreiten einer Nephropathie aufzuhalten. Aktuelle Studienergebnisse enttäuschten aber diesbezüglich und stellen das Konzept grundsätzlich in Frage. Allerdings verlangsamten der AT1 -Antagonist Losartan und der ACE-Hemmer Enalapril in dieser Studie die Progression einer diabetischen Retinopathie. Sie gilt als eine der wichtigsten Komplikation bei Diabetikern.
Verlust der Sehfähigkeit Zwar konnten Renin-Angiotensin-Antagonisten nicht die Nephropathie beeinflussen: Die morphologischen Veränderungen der Niere besserten sich nicht. Aber die Progression der diabetischen Retinopathie ver­ringerte sich signifikant.
Foto: art tempi communications, Köln

In den USA ist die diabetische Nephropathie für mehr als 45% aller Nierenerkrankungen im Endstadium verantwortlich. Positive Befunde aus Tierexperimenten und ersten klinischen Studien nährten die Hoffnung, der systematische Einsatz von Renin-Angiotensin-Inhibitoren könnte das Risiko renaler Diabeteskomplikationen reduzieren. Dabei blieb jedoch unklar, ob die Progression dieser Erkrankung durch eine frühzeitige Gabe von Renin-Angiotensin-Blockern auch langfristig gebremst werden kann. Jüngst veröffentlichte eine amerikanische Forschergruppe nun eine kontrollierte randomisierte Multicenter-Studie an 285 normotensiven Typ-1-Diabetikern mit normaler Albuminausscheidung, die den Nutzen der Therapie mit Renin-Angiotensin-Inhibitoren über einen Zeitraum von fünf Jahren untersuchte. Die Probanden erhielten entweder den AT1 -Antagonisten Losartan (100 mg/Tag), den ACE-Hemmer Enalapril (20 mg/Tag) oder Placebo. Der primäre Endpunkt war die durch Biopsie festgestellte morphologische Veränderung der Niere. Als Bewertungskriterium der diabetischen Retinopathie wurde eine Verschlechterung um zwei oder mehr Stufen auf der Retinopathie-Skala definiert.

Nephropathie nicht positiv beeinflusst

Für insgesamt 90% der Patienten standen am Ende vollständige Daten aus der renalen Biopsie zur Verfügung. Bei 82% waren die Datensätze zur Retinopathie komplett. Die morphologischen Veränderungen der Niere unterschieden sich zwischen den verschiedenen Behandlungsgruppen nicht signifikant. Die kumulierte Inzidenz einer Mikroalbuminurie betrug im Fünf-Jahres-Zeitraum 6% in der Placebogruppe, während sie in der Losartangruppe mit 17% deutlich höher, in der Enalaprilgruppe hingegen mit 4% etwas niedriger lag. Auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion konnte durch die Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems nicht verhindert werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Progression von zwei oder mehr Stufen auf der Retinopathie-Skala sank hingegen durch Enalapril um 65%, durch Losartan sogar um 70%, unabhängig von der Veränderung des Blutdrucks. Demnach hatte die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems keinen Einfluss auf die Nephropathie, verlangsamte aber die Progression der Retinopathie signifikant.

Ergebnisse überraschend

Da sich die Hypothese, eine Renin-Angiotensin-Blockade würde diabetische Nephropathien positiv beeinflussen, bereits zu einem weithin akzeptierten Konzept entwickelt hat, waren die Forscher von den Ergebnissen ihrer Studie durchaus überrascht. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass sich die bisher existierenden Studien zum Zusammenhang zwischen einer Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems und Nephropathien auf die Untersuchung von Frühstadien und Kurzzeitbeobachtungen beschränken und sich meist lediglich auf die Mikroalbuminurie als Surrogatparameter beziehen. Die vorliegende Studie ist daher nicht nur die längste Untersuchung auf diesem Gebiet, sondern zugleich die erste, die neben dem Auftreten von Mikroalbuminurie auch die glomeruläre Filtrationsrate sowie morphologische Veränderungen in die Beobachtungen mit einbezog. Wobei für keinen der Parameter eine signifikante Verbesserung festgestellt werden konnte.

Auch bei der Retinopathie bleiben Fragen offen

Trotz der im Hinblick auf die Retinopathie ermutigenden Ergebnisse bleiben einige Fragen offen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorangegangene Studien mit Candesartan wesentlich moderatere Ergebnisse gezeigt hatten. Zudem litt die überwiegende Mehrheit der Probanden in der vorliegenden Studie initial an keiner bzw. einer frühen nicht-proliferierenden diabetischen Retinopathie, woraus sich keine positiven Effekte für weiter fortgeschrittene Stadien ableiten lassen. Des Weiteren ist unklar, ob die protektiven Effekte über den fünfjährigen Beobachtungszeitraum hinaus anhalten. Obwohl präklinische Studien darauf hindeuten, dass eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems diabetische Makulaödeme – die Hauptursache für einen Verlust der Sehfähigkeit – reduziert, wird dieser Aspekt in der vorliegenden Studie nicht untersucht.

Im Rahmen der Biopsie-Durchführung kam es während der Studie zu drei schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, die jedoch keine bleibenden Schäden hinterließen. Chronischer Husten trat in der Enalapril-Gruppe bei zwölf, in der Losartangruppe bei sechs und in der Placebogruppe bei vier Probanden auf. Zwei Probanden aus der Enalaprilgruppe brachen aus diesem Grund die Behandlung ab. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren selten und gleichmäßig zwischen den drei Patientenkollektiven verteilt. Drei Patienten starben: einer in der Enalaprilgruppe an Ketoazidose, einer in der Losartangruppe an einer traumatischen Hirnblutung und einer in der Placebogruppe an einer tödlich verlaufenden Hypoglykämie. Es traten zwei renale Hämatome und ein Blasenkoagel auf, die jedoch nicht zu Folgeschäden führten. Ingesamt blieben damit die Nebenwirkungen im für die eingesetzten Wirkstoffe erwarteten Rahmen.

 

Quelle

Mauer M.; et al.: Renal and Retinal Effects of Enalapril and Losartan in Type 1 Diabetes. N Eng J Med 2009 361: 40 – 51.

 


Apotheker Dr. Andreas Ziegler

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