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Ärzte kommen mit einem blauen Auge davon
Ob großzügige Rabatte für Apotheker oder Schmiergelder für Ärzte – im Jahr 2005 machte der Ulmer Generikahersteller Ratiopharm reihenweise negative Schlagzeilen. Was folgte, war eines der größten Korruptionsverfahren der Bundesrepublik. Die Staatsanwaltschaft Ulm begann Ermittlungen gegen zahlreiche Außendienstmitarbeiter von Ratiopharm sowie mehr als 3000 Ärzte. Der Vorwurf: Das Unternehmen soll die Mediziner mit einer zwei- bis achtprozentigen Umsatzbeteiligung für die Verschreibung seiner Medikamente belohnt haben – zunächst in Form von Sachleistungen, später dann per Scheck. Weder Ratiopharm noch die Ärzte hatten diese Praxis damals ernsthaft bestritten.
Ermittlungen vielfach eingestellt
Rund 600 Verfahren hatte die Ulmer Staatsanwaltschaft dann im Juni dieses Jahres eingestellt, weil die Beschuldigten Ärzte nicht mehr als 250 Euro kassiert hatten. Die restlichen Verfahren wurden an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesgebiet abgegeben. Nachdem dann noch im gleichen Monat zwei Mediziner für schuldig befunden worden waren, von Mai 2002 bis September 2005 Schecks über zusammen 19.180 Euro von der Pharmafirma erhalten und gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg verschwiegen zu haben, zeichnet sich nun eine überraschende Wendung ab: Mehrere Staatsanwaltschaften stellten in den vergangenen Wochen die Strafverfahren gegen beteiligte Ärzte ein. Allein in Bielefeld, Paderborn, Bochum und ganz Hessen wurden die Ermittlungen in über 200 Fällen eingestellt, wie "Der Spiegel" berichtet. Die Staatsanwälte könnten in der Geschenk- und Geldverteilungspraxis von Ratiopharm gegenüber niedergelassenen Ärzten keinen Straftatbestand erkennen. Grundlage der Entscheidungen ist nach Angaben des Nachrichtenmagazins ein mehr als 30-seitiges, nicht öffentliches Gutachten von Alexander Badle, dem Leiter der Ermittlungsgruppe Betrug und Korruption im Gesundheitswesen bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Darin kommt der Experte zu dem Schluss, dass die Mediziner für die erhaltenen Belohnungen nicht belangt werden können. Die Argumentation des Staatsanwalts fußt dabei vor allem auf der Tatsache, dass, anders als bei Medizinern, die in öffentlichen Kliniken tätig sind, der Korruptionsparagraf bei niedergelassenen Ärzten keine Anwendung findet.
Ratiopharm sieht sich bestätigt
Bei Ratiopharm sieht man sich ob dieser Wendung bestätigt: "Ratiopharm hat seinerzeit niemanden geschädigt und nicht gegen Gesetze verstoßen", so ein Sprecher des Unternehmens. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, die Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Bochum und weitere Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet seien offensichtlich zu demselben Schluss gekommen. Gleichwohl, so der Sprecher weiter, nehme Ratiopharm seit vielen Jahren Abstand von sämtlichen vertriebsfördernden Maßnahmen, die von der Öffentlichkeit als unredlich empfunden werden könnten, und halte sich an strenge Marketing- und Vertriebsrichtlinien.
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