Wirtschaft

DAX: Niedergang in Raten

DAX erholt sich leicht nach Rückschlag / Anleger bleiben skeptisch

(hps). Kaum hat der DAX ein paar bescheidene Gewinne aufzuweisen, setzen schon Gewinnmitnahmen ein. Warum sollte man auch Aktien kaufen, wenn selbst die US-Notenbank die US-Wirtschaft immer tiefer in die Krise schlittern sieht? Und manchem Investor mag der DAX inzwischen sogar überbewertet erscheinen.

Die aktuelle Marktlage

Die Pessimisten haben sich auf ein neues Argument eingeschossen: Die Wirtschaft in Osteuropa und die (Teil-) Verstaatlichung von Großbanken sind die neuen Sorgenkinder an der Börse. Insbesondere bei der – letztlich kaum vermeidbaren – Verstaatlichung von Kreditinstituten bewegt sich der Aktienmarkt im Kreis. Niemand wird Bankwerte kaufen, wenn eine Enteignung droht. Nun kommt aber den Banken eine Schlüsselrolle in der Finanzkrise zu, weshalb die generelle Aversion gegen Risikopapiere noch eine gewisse Zeit anhalten dürfte. Aus der Politik kommen unterdessen die ersten Durchhalteparolen: Man werde aus der Krise gestärkt hervorgehen, schallt es da aus dem Weißen Haus. Präsident Obama arbeitet sogar schon an einer Halbierung des Defizits bis 2013. Er selbst ist zu einem schmerzlichen Einschnitt bereit und verzichtet auf einen neuen Präsidentschaftshubschrauber. Quasi die halbe Miete – bei 800 Milliarden Dollar Neuschulden. Zuletzt hellte sich der Horizont allerdings ein wenig auf: In China ist der Einkaufsmanagerindex zum dritten Mal in Folge gestiegen – wohl hauptsächlich in Vorfreude auf die aufgelegten Konjunkturpakete. Kritiker führen indes an, dass sich der Index immer noch im Minusbereich bewege und die Hilfsgelder ausschließlich der heimischen Infrastruktur zugute kommen sollen. Ausländische Unternehmen dürften davon nicht profitieren. Entsprechend kurzatmig fiel dann auch der Kursaufschwung an den Weltbörsen aus.

Aus der Perspektive der Analysten

Geht man nach der Stimmungslage der Analysten, so stehen sich Optimisten und Pessimisten inzwischen näher, als sie zugeben möchten. Während die einen aus dem Bruch der psychologisch wichtigen 4000er Marke folgern, dass es nun mit dem Markt nur noch weiter bergab gehen kann, vertreten die anderen mit überzeugendem Brustton die Ansicht, dass ein Absinken bis auf 3600 Punkte schon das Äußerste sein dürfte, was dem DAX an Bösem noch bevorstehen könnte. In diesem Sinne äußern sich auch die Analysten der National-Bank Essen, der WGZ-Bank und der Stuttgarter Ellwanger & Geiger Privatbank. Dabei verweisen die Institute auf die charttechnisch starke Unterstützung, die auf diesem Niveau verläuft.

Wirtschaft: Licht am Ende des Tunnels?

Auf der Suche nach Hinweisen auf eine wirtschaftliche Trendwende hat sich insbesondere der Baltic Dry Index als ganz brauchbar erwiesen. Der Indikator misst die Frachtraten von Massengutfrachtern, wie sie beispielsweise zum Verschiffen von Eisenerz verwendet werden. Er gilt als Frühindikator. Denn die Erfahrung lehrt: Zuerst steigt die Tonnagenauslastung der Massengutfrachter, dann folgen die Tanker, die die zur Verarbeitung nötigen Energieträger anliefern und schließlich folgen die Containerschiffe, mit denen die Fertigprodukte auf den Weg gebracht werden. Der Baltic Dry Index ist erst jüngst auf 2000 Punkte angestiegen, nachdem er in der Krise von 11.000 auf rund 700 Punkte abgestürzt war. Maßgeblicher Auslöser für den jüngsten Anstieg: Die Chinesen kaufen in Brasilien Eisenerz, worin einige Experten schon die ersten Reaktionen auf die weltweiten Konjunkturprogramme erkennen wollen. Überbewerten sollte man diese Zahlen indes noch nicht. Der Bezug von Eisenerz aus Brasilien, statt, wie bisher, aus Australien, bedeutet eine wesentlich längere Fahrt und damit eine entsprechende Verringerung des – begrenzten – Tonnagenangebots, was die Frachtraten anspringen lässt. Dennoch sollte man den Index im Auge behalten. Möglicherweise kommt die Wirtschaft doch schneller zurück, als die Experten denken. Wenn es Hinweise auf eine Trendwende der Weltwirtschaft gibt, wird man sie eher in Asien finden.

Musterdepot und Strategie

Der Metro Put-Optionsschein ist mit 50%igem Aufschlag mit Limit 0,18 Euro (aktuell 0,22 Euro) am Montag (3. März) aus dem Depot ausgeschieden. Für diese Performance hat der Schein gerade einmal drei Tage gebraucht. Damit ist auch der vierte Optionsschein positiv abgeschlossen worden. Wir lassen jetzt die Finger von der Spekulation auf fallende Kurse, weil unklar ist, wie viel Luft der DAX noch nach unten hat. Die Gefahr einer kräftigen Gegenbewegung wird zu groß. Allzu perfekt wollen wir hier ja auch nicht erscheinen, denn Sie wissen ja: Die Konkurrenz ist da schnell beleidigt und will dann nicht mehr mit einem spielen ...

DAX am 5. März (13.20 h): 3799 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Mit den Charttechnikern ist das so eine Sache. Da werden Unterstützungslinien und Widerstände aus der Vergangenheit herausgearbeitet und die zukünftige Entwicklung an eine "Wenn-dann-Bedingung" geknüpft. Nun ist die 3600er Marke aus technischer Sicht ohne Zweifel eine wichtige Unterstützung. Das bedeutet zunächst aber nur, dass die Chartisten Zeter und Mordio schreien werden, wenn diese Linie je nicht halten sollte, und im anderen Fall eben kurzerhand die Wende ausrufen. Alles in allem haben solche Aussagen für den ratsuchenden Anleger also keinerlei sittlichen Nährwert.

Aufschlussreich erscheint unterdessen der Kursverlauf der Börse vom letzten Mittwoch. Da schießt der DAX zunächst bis auf knapp 3900 Punkte nach oben, verliert aber bereits tags darauf einen Großteil seiner Gewinne wieder. Wenn also bei 3600 Punkten nach herrschender Meinung unter den Analysten die Massenbekehrung der Bären stattfinden soll, hätte der Auftritt der Optimisten schon etwas enthusiastischer ausfallen müssen. Die magere Gegenreaktion dürfte ein Hinweis darauf sein, dass das wahre Kursziel beim DAX doch deutlich unterhalb der 3600er Linie anzusiedeln ist. Jedenfalls ist uns das Börsenbarometer die erhoffte Ausverkaufsstimmung nach wie vor schuldig, denn die Euphorie entsteht grundsätzlich aus der Panik heraus. Die Teilnehmer sondieren stattdessen immer noch vorsichtig das Gelände.


Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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