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Ausfransungen des Versandhandels eindämmen
Keller erinnerte in seinem Lagebericht auf dem 45. Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands am 17. April in Baden-Baden daran, dass sich die Mehrheit der EU-Staaten nicht zu einer Legalisierung des Versandhandels entschlossen hatte. Diese Staaten hätten – im Gegensatz zu Deutschland – jetzt nicht mit den Auswüchsen des Versandhandels zu tun, wie zum Beispiel Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten.
Auch Arzneimittelfälschungen hätten aufgrund des Versandhandels zugenommen. Die Verbraucher müssten davor gewarnt werden, da sie seriöse von unseriösen Anbietern nicht unterscheiden könnten. Die Bevölkerung müsse über die Gefahren des Versandhandels aufgeklärt werden – von staatlicher Seite werde hier zu wenig getan.
Keller: "Eine Einschränkung des Versandhandels auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel würde verhindern, dass Bürger sich arg- und hemmungslos in eine unseriöse und illegale Angebotswelt begeben." Mit der Legalisierung des Versandhandels mit Arzneimitteln zum 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber fahrlässig eine grundlegende Veränderung der Arzneimittelversorgung eingeleitet. Erst dadurch kam es dann zum "dm-Urteil" des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008, das die Entkopplung von Medikamentenabgabe und Patientenberatung erlaubt. In Drogeriemärkten könnten Angestellte den Patienten keine Auskünfte geben. Kellers Fazit: "Die Apothekerschaft fordert 100 Prozent Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit. Eine sofortige Einschränkung des Versandhandels auf das EU-konforme Maß ist notwendig."
Keller beklagte in seinem Lagebericht auf dem Wirtschaftsforum außerdem eine fehlende Planungssicherheit für die Apotheken aufgrund ständiger Reformen im Gesundheitswesen. "Die Stimmung unter den Apothekern ist schlecht wie nie zuvor", so Keller. In diesem Zusammenhang wies er auf die mit dem GKV-Wettbewerbsgesetz geschaffene Möglichkeit der Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern hin, deren Umsetzung ohne die Apotheker nicht möglich gewesen wären. Er, Keller, empfinde es als Affront, wenn nun Kassen den Apothekern vorwerfen, sie hätten die Rabattverträge unterlaufen. Immerhin, die Barmer stoppte bereits angekündigte Retaxationen, um sie erneut zu prüfen. Keller hoffte, dass andere Kassen diesem Beispiel folgen.
Der neue mit den Krankenkassen abgeschlossene Rahmenvertrag trage dazu bei, dass bei der Arzneimittelabgabe mehr pharmazeutische Kompetenz eingesetzt werden könne und mehr Flexibilität möglich sei.
Der Verbandschef hob besonders hervor, dass auch der Deutsche Apothekerverband die Qualitätsoffensive der Kammern unterstütze, da dadurch die inhabergeführte Apotheke gestärkt werde. So seien Maßnahmen wie ZL-Ringversuche, Fortbildung und die Etablierung von Qualitätsmanagementsystemen (QMS) sehr zu begrüßen.
Zum vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, mit dem das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken zur Disposition stehe, berichtete Keller, dass die Bundesregierung unlängst in einer Stellungnahme dieses Verbot verteidigt habe. Würde der Fremd- und Mehrbesitz zugelassen, würden die Interessen der Patienten den Interessen von Großkonzernen geopfert. Denn Großunternehmen verfolgten in höchstem Maß finanzielle Eigeninteressen, was nicht zu einem optimalen Ergebnis für die Patienten führe. Auch die vertikale Integration bei Großkonzernen (von der Arzneimittelproduktion über den Großhandel bis hin zur Apothekenkette) lässt sich dann nicht verhindern. Und dies steht einer objektiven Arzneimittelabgabe diametral entgegen. Keller erklärte: "Die pharmazeutische Entscheidungsfreiheit ist mit dem Gewinnstreben von Kapitalunternehmen nicht vereinbar.".
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