Arzneimittel und Therapie

Hepatozelluläres Karzinom

Lebertumoren Der bereits zur Behandlung von Nierenkrebs zugelassene Raf-Kinase-Inhibitor Sorafenib kann die Gesamtüberlebenszeit von Patienten mit Leberzellkarzinom verlängern. ­Leberzellkarzinome (hier links die braunen Bereiche in der blau gefärbten Leber) zählen zu den häufigsten Formen von Leberkrebs.
Foto: SPL/Agentur Focus

Sorafenib wirkt auch gegen Leberzellkrebs

Die gezielte Ausrichtung einer medikamentösen Therapie auf bestimmte molekulare Defekte (targeted therapy) soll die Behandlung auch von Tumoren revolutionieren. Für dieses Prinzip steht der Multi-Kinasehemmer Sorafenib (Nexavar®), der in den Tumorzellen außer Kontrolle geratene Signalwege blockiert. Bereits seit Juli 2006 zur Therapie des Nierenzellkarzinoms zugelassen, hat Sorafenib jetzt auch günstige klinische Ergebnisse in der Phase-III-Studie gegen Leberzellkrebs geliefert. Die Zulassung für diese Indikation wird für Ende 2007 erwartet.

Entwickelt wurde Sorafenib ursprünglich als Raf-Kinase-Inhibitor. Bei rund 30% der Tumore ist der für die normale Zellteilung verantwortliche Ras/Raf-Kinase-Signalweg gestört: Das Signalprotein Ras schaltet sich dabei nach erfolgter Zellteilung nicht wieder ab. Die Folge ist ein überschießendes, unkontrolliertes Zellwachstum. "Für die Weiterleitung der Signale in den Zellkern wird Raf als weiteres Signalprotein benötigt", so Enghofer, "und genau dieses wird durch Sorafenib blockiert. Der Wachstumsstimulus kann nicht weitergegeben werden." Außerdem hemmt der Wirkstoff noch weitere Kinasen, so die Tyrosinkinasen des VEGF-Rezeptors (vascular endothelial growth factor) sowie des PDGF-Rezeptors beta (platelet derived growth factor). Sie sind maßgeblich an der Bildung neuer tumorversorgender Blutgefäße beteiligt.

Die Wirkung von Sorafenib gegen das hepatozelluläre Karzinom (HCC) wurde in der internationalen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie SHARP (Sorafenib HCC Assessment Randomized Protocol Trial) getestet. 602 Patienten erhielten zweimal täglich 400 mg Sorafenib bzw. Placebo, Einschlusskriterien waren ein histologisch nachgewiesenes hepatozelluläres Karzinom mit mindestens einer radiologisch messbaren Läsion, ein guter Allgemeinzustand, das Fehlen einer systemischen Vorbehandlung und ein Child-Pugh-Score der Klasse A. Mit diesem Score kann eine Leberzirrhose in Stadien eingeteilt werden, es lässt sich gleichzeitig anhand dieser Stadien die Prognose des Patienten abschätzen. Ein Child-Pugh-Score der Klasse A entspricht einem noch nicht allzu sehr fortgeschrittenem Krankheitsstadium, wie es in Deutschland auf etwa drei von fünf Patienten zutrifft.

Die Ergebnisse der SHARP-Studie waren so überzeugend, dass sie im Februar 2007 vorzeitig beendet wurde, um nunmehr auch den Patienten der Placebo-Gruppe das Verum anzubieten. Denn der Multi-Kinasehemmer war in beiden primären Endpunkten dem Placebo hochsignifikant überlegen: Das Gesamtüberleben betrug in der Verum-Gruppe durchschnittlich 10,7 Monate vs. 7,9 Monate unter Placebo. Die Zeit bis zum symptomatischen Progress lag mit Sorafenib bei 24 Wochen (5,5 Monaten), mit Placebo dagegen bei nur 12,3 Wochen (2,8 Monaten). Die verlängerte Zeit bis zur Tumorprogression spricht zudem für eine bessere Lebensqualität der Patienten im Sorafenib-Studienarm. Die in der Studie beobachteten Nebenwirkungen von Sorafenib wurden als "akzeptabel" bezeichnet. Sie bestanden vor allem in Diarrhö, Hautreaktionen an Händen und Füßen sowie Gewichtsverlust.

Ein Wirkmechanismus – viele mögliche Indikationen

Neben dem Nieren- und Leberzellkarzinom soll Sorafenib auch gegen etliche weitere Krebserkrankungen eingesetzt werden. In klinischen Studien der Phase II bzw. III werden derzeit Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sorafenib bei Mammakarzinom, kleinzelligem und nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, Ovarialkarzinom und auch bei der akuten myeloischen Leukämie (AML), einer seltenen hämatologisch-onkologischen Erkrankung, untersucht. Hier gilt es vor allem fest zustellen, ob die von Sorafenib beeinflussten Kinasen bei diesen Tumorerkrankungen tatsächlich eine ähnlich große Rolle spielen wie beim Nierenzellkrebs und beim hepatozellulären Karzinom.

Quelle

Dr. Erich Enghofer, Leverkusen; Prof. Dr. med. Tim Greten, Hannover: "Innovativer Therapieansatz zur Lebensverlängerung beim Leberzellkarzinom", Frankfurt/Main, 22. Juni 2007, veranstaltet von der Bayer HealthCare AG, Leverkusen.

Simone Reisdorf, freie Medizinjournalistin
Sorafenib ist ein Multi-Kinaseinhibitor, der in vitro und in vivo sowohl antiproliferative als auch antiangiogene Eigenschaften zeigte.
Hemmung der Ras-Kinase …
Normalerweise erhalten Zellen die Befehle für Teilung und Wachstum von außen, indem ein Wachstumsfaktor an der Zelloberfläche andockt. Dann wird das Signal in das Zellinnere übertragen. Hierbei fungiert das Ras-Protein als zentrale Schaltstelle, es wird aktiviert und schaltet die Raf-Kinase ein. Dadurch wird eine Kaskade von Enzymreaktionen ausgelöst, die sich gegenseitig aktivieren. Schließlich gelangt die Botschaft bis in den Zellkern, wo die Zellteilung ausgelöst wird. Bei vielen Tumorarten ist die Raf-Kinase und damit auch der Signalweg durch einen Defekt dauerhaft aktiv - auch ohne äußeres Wachstumssignal. Dadurch kommt es zur unkontrollierten Zellvermehrung. Sorafenib setzt an dieser zentralen Schaltstelle in der Zelle an: Es blockiert den Ras-Signalweg. Dabei bindet es nicht an das Ras-Protein selbst, sondern an das nächste Enzym in der Reihe, die Raf-Kinase. So kann verhindert werden, dass der Wachstumsbefehl weitergegeben wird.
… und der Angiogenese

Sorafenib hemmt außerdem die VEGF-RezeptorTyrosinkinase in den Blutgefäßzellen. Dadurch wird die Neubildung von Blutgefäßen am Ort des Tumors, die Angiogenese, verhindert. Diese ist bereits ab einer Geschwulstgröße von wenigen Millimetern für das Überleben der Tumors notwendig. Darüber hinaus hemmt Sorafenib noch andere Tyrosinkinasen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.