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Komplementärmedizin
Mikronährstoffe in der komplementären Onkologie
Therapieerfolg und Heilungsprozesse werden bei Tumorerkrankungen wesentlich vom Ernährungsstatus beeinflusst. Der Ernährungszustand sollte daher bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose erfasst und eine ernährungsmedizinische Betreuung von Anfang an in die Therapieplanung einbezogen werden.
Mangelernährung ist einer der häufigsten Todesursachen von Krebspatienten. Bereits zum Zeitpunkt der Tumordiagnose haben 50% der Patienten an Gewicht verloren. Bis zu 20% weisen einen Gewichtsverlust von über 10% ihres Ausgangsgewichtes in 6 Monaten auf, was den Kriterien einer Mangelernährung (Malnutrition) entspricht. In einer Untersuchung zur Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern waren 38% der Tumorpatienten nicht ausreichend ernährt.
Die Pathogenese der Malnutrition ist komplex. An der Entwicklung der Malnutrition sind zahlreichen Faktoren beteiligt (siehe Abb. 1). Neben dem direkt konsumierenden Einfluss des Tumors spielen dabei vor allem die Anorexie (z.B. Appetitlosigkeit, vorzeitige Sättigung, Nahrungsmittelaversionen, Geschmacksstörungen), Nebenwirkungen der Tumortherapie (z.B. Übelkeit, Erbrechen) sowie Hormon- und Zytokin-bedingte Stoffwechselstörungen eine Rolle.
Malnutrition beeinträchtigt das Immunsystem sowie die Organ- und Stoffwechselfunktionen. Die Folge ist eine erhöhte Komplikationsrate durch Entzündungen (z.B. Schleimhäute), Sekundärinfektionen (z.B. Pneumonien, Dekubitus, Thrombose), lebensbedrohliche Blutvergiftungen (Sepsis), verlängertem Krankenhausaufenthalt und verzögerter Wundheilung. Die Krebssterblichkeit ist bei Malnutrition um etwa 30% erhöht. Die schwerste Form der Malnutrition mit körperlicher Auszehrung wird als Kachexie (Tumorkachexie) bezeichnet. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 60 bis 80% bei Bronchial-, Magen-, Pankreas- und Prostatakarzinomen auf. Die Kachexie ist neben der Sepsis die zweithäufigste und bei 20% der Krebspatienten die unmittelbare Todesursache.
Die verschiedenen Faktoren, die zur Entwicklung der Malnutrition führen, betreffen natürlich nicht nur die energieliefernden Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Proteine, Fette), sondern auch die biokatalytischen und immunmodulierenden Mikronährstoffe. Viele Tumorpatienten haben bereits bei der Diagnosestellung ihre Vorräte an Vitaminen und anderen Nährstoffen aufgebraucht und sind deshalb auf eine adäquate Supplementierung mit geeigneten Präparaten angewiesen.
Therapie-orientiertes Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen
Die Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkmechanismen sind mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie deutlich ansteigen, andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen (z.B. Acetyl-L-Carnitin bei Cisplatin-induzierter Neuropathie) zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und das onkologische Nebenwirkungsmanagement.
Die diätetische Versorgung mit Vitaminen und anderen essenziellen Mikronährstoffen ist bei Tumorpatienten häufig nur unzureichend. Zum Zeitpunkt der Tumordiagnose weisen viele Betroffene bereits Mikronährstoffmängel auf, da im Kampf gegen den Tumor die Speicher einzelner Nährstoffe zum Teil aufgebraucht wurden. Neben der immunmodulierenden Ernährungstherapie zählt der indikations- und therapieangepasste Einsatz von Mikronährstoffen zu den wichtigsten supportiven Maßnahmen moderner komplementär-onkologischer Therapiekonzepte.
Eine an das Krankheitsstadium und an die individuellen Bedürfnisse angepasste Supplementierung von Mikronährstoffen (z.B. Selen) kann dazu beitragen,
- die Lebensqualität der Tumorpatienten zu steigern,
- das geschwächte Immunsystem zu stärken,
- die Regeneration nach einer Operation zu fördern,
- Entzündungsprozesse zu hemmen,
- der Rezidiv- und Metastasenbildung vorzubeugen sowie
- die Nebenwirkungsrate tumordestruktiver Maßnahmen (z.B. Neurotoxizität) zu verringern und deren Effektivität durch eine bessere Compliance, weniger Therapieabbrüche und höhere Dosierung zu steigern.
Kritische Mikronährstoffe bei Tumorpatienten
Im Vergleich zu Gesunden sind bei Tumorpatienten bereits bei Diagnosestellung und weit vor dem Auftreten klinisch relevanter Veränderungen des Ernährungsstatus erniedrigte Konzentrationen an Spurenelementen und Vitaminen im Vollblut und Plasma nachweisbar. Dabei ist die Versorgungslage mit immunmodulierend und antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen, sowie solchen mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität (z.B. B1, B6, B12, Folsäure) besonders kritisch (siehe Kasten). Eine bereits vor der Tumormanifestation bestehende Fehlernährung sowie Inappetenz und Nahrungsmittelaversionen infolge einer Anorexie (z.B. durch Zytokine) sind die wesentlichen Ursachen, die bei den Betroffenen zur Entwicklung eines Mikronährstoffmangels beitragen (siehe Abb. 1). Tumorpatienten weisen häufig einen erhöhten Ruheenergieumsatz auf, der insbesondere von der Größe und Lokalisation des Tumors sowie von Zytokin-induzierten entzündlichen Reaktionen abhängt. Zytokine wie Interleukin-1(IL-1) und Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) hemmen die viszerale Proteinsynthese und steigern den Abbau von Strukturproteinen. Dabei schwindet die Muskelmasse und erhöht sich der Proteinumsatz.
Der Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ist bei Tumorpatienten erhöht und kann auch durch eine gesunde, vollwertige Kost kaum noch gesichert werden. Eine ausgewogene Ernährung ist vor allem in der Phase der Chemo- und/oder Strahlentherapie aufgrund der häufigen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen nur schwer möglich. Anorexie und Erbrechen sind häufig mit Störungen des Elektrolyt- (z.B. Hypokaliämie, Hyperkalzämie) und Säure-Basen-Haushaltes verbunden. Chemo- und Bestrahlung-induzierte Schleimhautschäden (z.B. Strahlencolitis, Diarrhöen) beeinträchtigen zusätzlich die Nährstoffresorption und verursachen ausgeprägte Nährstoffverluste.
Die Plasmaspiegel vieler immunmodulierend und antioxidativ wirkender Mikronährstoffe sinken unter der Chemo- und Strahlentherapie auf extrem niedrige Werte ab. So können die Vitamin-C-Konzentrationen im Plasma auf Werte sinken, die sich im Bereich der Skorbutgrenze bewegen (< 6 µmol/l). Dementsprechend werden klinische Symptome einer Vitamin-C-Avitaminose wie Gingivitis, Muskelschwäche, Purpura, Gewichtsverlust und Anorexie bei Tumorpatienten nicht selten beobachtet. Ähnliches trifft auf das mitochondriale Substrat L-Carnitin zu. Eine unzureichende Carnitinversorgung (Serumspiegel von freiem Carnitin < 30 µmol/l) findet sich vor allem bei Tumorpatienten mit Fatigue und Tumoranämie.
Spezifische Interaktionen zwischen Zytostatika und Mikronährstoffen sollten bereits in die Planungsphase der tumordestruktiven Therapie miteinbezogen werden (siehe Tab. 1). So kann 5‑Fluorouracil einen Vitamin-B1-Mangel verursachen und dadurch Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel hervorrufen (z.B. Lactatazidose bei Glucoseinfusionen).
Die onkologischen Basistherapien (Chemo- und/oder Strahlentherapie) sind zwar sehr effektiv, aber leider auch entsprechend aggressiv. Aufgrund ihrer fehlenden Selektivität wird außer Tumorzellen auch Normalgewebe geschädigt, insbesondere das hämatopoetische System (z.B. Granulozytopenie) sowie die rasch proliferierenden Zellsysteme der Schleimhäute (→ Schleimhauttoxizität), des Immunsystems (→ Immundefekte, z.B. schwere bakterielle und virale Infekte) und des Knochenmarks (→ Störungen der Knochenmarkregeneration). Die Schleimhäute im Bronchial- und im Magen-Darm-Trakt reagieren besonders empfindlich auf eine Chemo- oder Strahlentherapie. Schädigungen der Darmschleimhaut sind mit Abdominalschmerzen, Zerstörung der intestinalen Flora, erhöhten Nährstoffverlusten (→ Erbrechen, Übelkeit) sowie einer gestörten Nährstoffresorption (→ Durchfall) und -utilisation verbunden. In der Phase der Chemotherapie (Tab. 2) und/oder Strahlentherapie (s. Kasten) nehmen die Betroffenen dadurch zum Teil wochenlang weniger als die Hälfte ihres eigentlichen Bedarfs an essenziellen Mikronährstoffen auf.
Darüber hinaus wird eine der wichtigsten Immunbarrieren des Körpers im Darm (GALT: Gut Associated Lymphatic Tissue) und Bronchialtrakt (BALT: Bronchus Associated Lymphatic Tissue) geschädigt, so dass infektiöse Mikroorganismen leichter über die Schleimhäute in den durch die Krankheit und Therapie geschwächten Körper eindringen können (→ bakterielle Translokation). Erhöhte Komplikationsraten, die sich in Form von Sekundärinfektionen und Sepsis äußern können, sind die Folge. Das Darmschleimhautsystem ist das größte körpereigene immunkompetente System und leistet im gesunden Organismus essenzielle lokale und systemische Abwehr- und Kontrollfunktionen.
Ausgeprägte immunmodulierende und antiinflammatorische Wirkungen besitzen die langkettigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren sowie die Aminosäuren Glutamin, Glycin und Arginin. Zur Unterstützung des Immunsystems und dem Erhalt der Darmfunktion werden mit Glutamin, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidanzien angereicherte Trinklösungen, so genannte Immundiäten (Immunonutrition), angeboten. Die Aminosäure Glutamin ist für den Dünndarm das primär energieliefernde Substrat und ein unentbehrlicher Nährstoff zur Aufrechterhaltung der normalen Darmfunktion. Mit Glutamin angereicherte Immundiäten können bei Krebspatienten die Häufigkeit infektiöser Komplikationen und die Krankenhausaufenthaltsdauer verkürzen. Glutamin (ca. 0,2 bis 0,5 g/kg KG/Tag) wird vor allem in Kombination mit Tributyrin, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidanzien im Rahmen enteraler oder parenteraler Ernährungsregimes bei Knochenmarktransplantationen und in der Therapie hyperkataboler Zustände wie der Tumorkachexie eingesetzt.
Neben Chemo- und Strahlentherapie können auch operative Eingriffe im Bereich des Magen-Darm-Traktes ausgeprägte Resorptions- und Verwertungsstörungen von Mikronährstoffen auslösen und einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen hervorrufen (s. Kasten).
Bedacht werden sollten auch die Nebenwirkungen der in der Tumorschmerztherapie eingesetzten Opioid-haltigen Analgetika und anderen adjuvanten Arzneimitteln (z.B. Glucocorticoide, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Neuroleptika). Opioide besitzen eine ausgeprägte obstipierende Wirkung, die sowohl durch eine Herabsetzung der Darmmotilität und der intestinalen Sekretion als auch durch die Wirkung auf zerebrale und spinale Rezeptoren bedingt ist.
Die Obstipation ist neben der Übelkeit die wichtigste und hartnäckigste Nebenwirkung der Opioid-Analgetika. Eine Schmerztherapie mit Opioiden muss daher fast immer mit einer Gabe von Laxanzien unterstützt werden. Ist die Dünndarmpassage beschleunigt, werden komplexe Nahrungsinhaltsstoffe nur noch unzureichend aufgespalten. Darüber hinaus sinkt auch der Resorptionsumfang, da die Kontaktzeit mit dem absorbierenden Epithel verkürzt wird. Opioide und Laxanzien führen dadurch zu erheblichen Störungen der Mikronährstoffdigestion und -utilisation.
Einsatz von Antioxidanzien während der Chemotherapie
Eine Reihe experimentelle und klinische Studien sowie eigene praktische Erfahrung lassen vermuten, dass die orale Substitution einer breit gefächerten Nährstoffkombination mit hohem Antioxidanziengehalt (z.B. Vitamin C, E, Selen) vor, während und nach der tumordestruktiven Therapie in der Lage ist, die Effektivität einer Chemo- oder Strahlentherapie durch eine verbesserte Verträglichkeit und erhöhte Sensibilität der Tumoren zu steigern sowie die toxischen Effekte auf gesunde Zellsysteme abzuschwächen. Antioxidanzien wie Vitamin C, E, Retinoide oder Selen fungieren nicht nur als Radikalfänger, sondern üben neben ihrer antioxidativen Zellschutzfunktion eine Vielzahl von essenziellen Stoffwechselaufgaben aus. Dabei stehen vor allem immunmodulierende, Apoptose-induzierende sowie die Zellproliferation und -differenzierung regulierende Eigenschaften im Vordergrund. Generell sollte jedoch die Supplementierung auf das jeweilige Therapieschema abgestimmt werden. Eine labordiagnostische Objektivierung des Mikronährstoffstatus (z.B. Selen im Vollblut) und entsprechende Verlaufskontrolle ist in jedem Fall sinnvoll.
Die adjuvante Einnahme diätetischer Antioxidanzien während der tumordestruktiven Maßnahmen wird aber immer noch sehr kontrovers diskutiert, da die Wirkungsweise von Chemo- und Strahlentherapie zum Teil auf der Bildung von freien Radikalen beruht. Allerdings wirkt der überwiegende Anteil der gegenwärtig in der Therapie eingesetzten Zytostatika, wie zum Beispiel die Antimetaboliten, die Stickstofflost-Derivate oder die Anthracycline, nicht primär über oxidativen Stress. Die häufige pauschale Ablehnung einer Supplementierung von antioxidativ wirksamen und immunmodulierenden Mikronährstoffen während der Phase der Chemotherapie ist demnach nicht gerechtfertigt. Auch ein aktuell publizierter Review kontrollierter randomisierter Studien zum Einfluss von Antioxidanzien auf die Chemotherapie kommt zu dem Schluss, dass die Supplementierung von Antioxidanzien sich nicht nachteilig auf die Chemotherapie auswirkt, sondern eher einen günstigen Einfluss auf die Nebenwirkungsrate und die Tumorresponse hat [2].
Studien mit Antioxidanzien bei Krebspatienten
Studien an Zellkulturen zeigen, dass Antioxidanzien wie Vitamin C, Vitamin E oder Carotinoide in der Lage sind, den wachstumshemmenden Effekt verschiedener Zytostatika (z.B. 5-FU, Doxorubicin, Vincristin) auf bestimmte Krebszellen selektiv zu verstärken. Die Ergebnisse der wenigen bisher vorliegenden Anwendungsbeobachtungen und kleineren Studien an Tumorpatienten sowie eigene praktische Erfahrungen legen nahe, dass die Kombination definierter Antioxidanzien mit der Chemo- und/oder Strahlentherapie einen günstigen Einfluss auf die Effektivität der tumordestruktiven Maßnahmen und die Lebensqualität der Patienten hat.
In einer Anwendungsbeobachtung erhielten 18 nicht randomisierte Patienten (4 Frauen, 14 Männer) mit kleinzelligem Bronchialkarzinom zusätzlich zur Chemo- und/oder Strahlentherapie eine Kombination definierter Antioxidanzien (Vitamine, Spurenelemente, Fettsäuren, p. o.). Die mittlere Überlebenszeit war signifikant verlängert, und die Patienten tolerierten die Chemo- und Strahlentherapie besser unter der begleitenden Antioxidanzientherapie. 14 Patienten überlebten länger als zwölf Monate und sechs Patienten mehr als zwei Jahre.
Bei der großen Mehrzahl aller Fälle von Lungenkrebs (ca. 80%) handelt es sich um nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC). Bei den meisten NSCLC-Patienten ist der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose bereits in einem so weit fortgeschrittenen Stadium, dass er inoperabel ist. Von diesen Patienten überleben nur wenige die nächsten fünf Jahre.
In einer randomisierten Studie an 57 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC war die Ansprechrate in der Gruppe, die zusätzlich zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) eine Kombination definierter Antioxidanzien erhielt, besser als in der Gruppe, die nur mit Chemotherapie behandelt wurde (siehe Tab. 3). Die Patienten der ersten Gruppe erhielten bereits 48 Stunden vor der Chemotherapie die folgende Komedikation (Tagesdosis, oral):
- Vitamin C 6100 mg
- D-α-Tocopherol 1050 mg
- Betacarotin 60 mg
- Kupfersulfat 6 mg
- Mangansulfat 9 mg
- Zinksulfat 45 mg
- Selen 900 µg
Die Antioxidanzien-Kombination wurde in dieser Dosierung während des gesamten Behandlungszyklus sowie anschließend einen Monat lang gegeben. Danach wurde die Medikation mit der halben Dosis weitergeführt.
In einer Studie an postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom reduzierte die adjuvante Einnahme von (täglich, oral)
- Vitamin C 500 mg und
- Vitamin E 400 I.E.
gegenüber der Kontrollgruppe signifikant die Tamoxifen-induzierte Hypertriglyceridämie. Zusätzlich führte sie zu einem Anstieg des HDL-Cholesterins und einer Reduktion des Gesamt- sowie des LDL-Cholesterins. Die Autoren gehen davon aus, dass die Effektivität der Tamoxifen-Therapie durch eine definierte orale Gabe von Antioxidanzien optimiert werden kann.
In einer aktuellen Studie mit Brustkrebspatientinnen unter einer Therapie mit Tamoxifen zeigte die tägliche Supplementierung von
- Coenzym Q10 100 mg
- Riboflavin 10 mg
- Niacin 50 mg
einen günstigen Einfluss auf die Tumormarker CEA und CA 15-3. Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass die Supplementierung von mitochondrialen Substraten wie Coenzym Q10 zusammen mit Tamoxifen bei Frauen mit Brustkrebs das Risiko der Rezidiv- und Metastasenbildung verringern kann.
Eine Verbesserung der tumordestruktiven Therapie bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungsrate durch definierte (hohe) Dosen von Antioxidanzien (oral und parenteral) wurde 2003 in einer Anwendungsbeobachtung der University of Kansas an zwei Frauen mit fortgeschrittenem epithelialem Ovarialkarzinom (Stadium IIIc) beschrieben, die nach einer Primäroperation adjuvant zur First-line-Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel regelmäßig hochdosierte diätetische Antioxidanzien erhielten (Tab. 4). Zusätzlich erhielten sie einmal alle zehn bis 14 Tage bzw. zweimal wöchentlich eine intravenöse Applikation von 60 g [!] Vitamin C; die letztere Dosierung orientierte sich an einem Vitamin-C-Plasmaspiegel von über 200 mg/dl, der die Wirkung antineoplastischer Substanzen verstärken soll. Diese Komedikation mit Antioxidanzien zeigte einen überaus günstigen Effekt auf die tumordestruktive Effektivität und die Nebenwirkungsrate der Chemotherapie (z.B. Paclitaxel: Neurotoxizität, Myelosuppression) sowie auf die Remissionsdauer (z.B. Tumormarker CA 125) und die Lebensqualität der Patientinnen [3]. Die positiven Resultate sollen nun im Rahmen einer größeren randomisierten und kontrollierten Studie an der University of Kansas bestätigt werden. Ich selbst betreue derzeit eine Brustkrebspatientin, die neben der klassischen tumordestruktiven Chemotherapie hochdosierte diätetische Antioxidanzien und Vitamin-C-Infusionen (Hochdosisinfusionsschema GL) erhält. Auch hier sind nach über einem halben Jahr die vorliegenden Daten positiv zu bewerten.
Interaktionen von Mikronährstoffen und Zytostatika
Zu den Mikronährstoffe, die sich vor allem für ein gezieltes Nebenwirkungsmanagement eignen, zählen insbesondere das Spurenelement Selen in Form des Natriumselenits, die mitochondrialen Substrate L-Carnitin und Coenzym Q10, das Tripeptid L-Glutathion sowie Vitamin C. Dabei kommt der parenteralen Prämedikation mit einigen Mikronährstoffen wie L-Carnitin und Nariumselenit eine entscheidende Bedeutung zu, da bestimmte Zytostatika in der Lage sind, die zellulären Transportsysteme von Substanzen (z.B. L-Carnitin) komplett zu blockieren.
Das Platinderivat Cisplatin weist eine ausgeprägte Nephrotoxizität auf. Cisplatin beeinträchtigt die glomeruläre Filtration und kann zu akutem Nierenversagen führen. Die renale Toxizität manifestiert sich durch eine Abnahme der Kreatinin-Clearance (glomeruläre Filtrationsrate) bzw. durch eine Erhöhung des Serumkreatinins und der Serumharnsäure. Die Cisplatin-induzierte Toxizität wird überwiegend durch oxidative Organschäden verursacht, bedingt durch die Bildung von freien Radikalen. Die Prämedikation mit Selen vor einer Chemotherapie mit Cisplatin kann die Cisplatin-assoziierte Nephrotoxizität verringern.
Die klinisch eingesetzten Anthracycline (z.B. Doxorubicin) sind redoxzyklierende Anthrachinone, die durch das Flavocoenzym NADPH-Cytochrom-P450-Reduktase zum Anthracyclin-Semichinon-Radikal unter der Bildung von Superoxidanion-Radikalen (• O2 ¯) und Wasserstoffperoxid (H2 O2) metabolisiert werden. Ein weiterer Weg der Radikalgenese erfolgt über die Bildung von Anthracyclin-Fe3+ -Komplexen. Anthracyclin-Fe3+ -Komplexe sind starke Oxidanzien mit der Fähigkeit der direkten Lipidperoxidation an der Mitochondrienmembran der Kardiozyten. Dies kann zur Myokardfibrose führen und damit zur Kardiomyopathie. Die Bedeutung des Eisens, insbesondere des chelatisierten Eisens, für die Kardiotoxizität wird dadurch unterstrichen, dass Eisenchelatoren (z.B. ICRF-187 = Dexrazoxan) die kardiotoxischen Wirkungen signifikant verringern können. Bei bis zu 40% aller mit Anthracyclinen behandelten Patienten treten während oder unmittelbar nach der Anthracyclininfusion Herzrhythmusstörungen auf. Die parenterale Prämedikation mit L-Carnitin (z. B. 2000 mg L-Carnitin, 1 bis 2 h vor CT) kann die kardiotoxische Wirkung der Anthracycline ohne Beeinträchtigung ihrer zytotoxischen Wirksamkeit senken (Tab. 5).
Literatur[1] Gröber U. Arzneimittel und Mikronährstoffe. Medikationsorientierte Supplementierung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2007.
[2] Block KI, et al. Impact of antioxidant supplementation on chemotherapeutic efficacy: A systematic review of the evidence from randomized controlled trials. Cancer Treat Rev 2007;33(3).
[3] Drisko JA, et al. The use of antioxidants with first-line chemotherapy in two cases of ovarian cancer. J Am Coll Nutr 2003;22:118-123.
Anschrift des Verfassers: Uwe Gröber Rüttenscheider Str.66 45130 Essen uwegroeber@gmx.netTab. 1: Spezielle Zytostatika-Mikronährstoff-Interaktionen (Beispiele) | |||
Zytostatikum |
Mikronährstoff |
Mechanismus |
Mögliche Folgen |
5-Fluorouracil |
Vitamin B1 |
Hemmung der Phosphorylierung von Thiamin |
Risiko für Herzinsuffizienz, Neuropathien, Lactatazidose |
Ifosfamid |
L-Carnitin |
L-Carnitin-Exkretion (iatrogener Carnitinmangel) |
Hypocarnitinämie Risiko für Fatigue u. Lipidanomalien |
Interleukin-2 |
Vitamin C |
Vitamin-C-konsumierende Stoffwechselprozesse |
Vitamin-C-Mangel, Risiko für Skorbut, Störungen der Immunkompetenz |
Cisplatin |
L-Carnitin |
L-Carnitin: Exkretion (iatrogener Carnitinmangel |
Hypocarnitinämie Risiko für Fatigue u. Lipidanomalien |
Magnesium |
Magnesium: Exkretion |
Hypomagnesiämie - Plasma-Mg Erythrozyten-Mg Hypokaliämie |
|
Methotrexat |
Folsäure |
Folsäure-Antagonist |
Folatmangel, Homocysteinämie, Mukositis |
Tab. 3: Vorläufige Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie zum Einsatz hochdosierter definierter Antioxidanzien als Komedikation zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) bei Patienten mit NSCLC | ||
Behandlung und Tumorantwort |
CT (n = 29) |
CT + Antioxidanzien (n = 28) |
Mittlere Anzahl der Chemotherapiezyklen |
3 |
6 |
Patienten, die 6 Zyklen absolviert haben |
11 |
16 |
Patienten mit kompletter Remission |
0 |
1 |
- mit partieller Remission |
9 |
15 |
- mit stabiler Erkrankung |
5 |
4 |
- mit fortschreitender Erkrankung |
15 |
8 |
Mittlere Überlebenszeit nach 1 Jahr |
7 Monate |
14 Monate |
Tab. 2: Typische Nebenwirkungen von Zytostatika, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen hervorrufen | |
Nebenwirkung |
Zytostatikum |
Übelkeit und Erbrechen |
hochemetogen: Cisplatin, Carmustin, Dacarbazin, Lomustin
emetogen: Anthracycline, Carboplatin, Cyclophosphamid, Ifosfamid, Mitomycin C
|
Diarrhö |
5-Fluorouracil, Methotrexat, Anthracycline, Cisplatin, Irinotecan |
Mukositis und Ulzerationen des Magen-Darm-Traktes |
Anthracycline, 5-Fluorouracil, Methotrexat, Vinorelbin |
Anorexie und Inappetenz |
Praktisch alle Zytostatika |
Tab. 4: Komedikation mit Antioxidanzien bei zwei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom [3] | ||
Mikronährstoff |
Patientin I (55 Jahre alt) |
Patientin II (60 Jahre alt) |
oral |
||
Vitamin C |
9000 mg/d |
3000 mg/d |
Vitamin E |
1200 I.E./d |
1200 I.E./d |
Coenzym Q10 |
300 mg/d |
– |
Carotinoide |
25 mg/d |
25 mg/d |
Vitamin A |
10.000 I.E./d |
5000 I.E./d |
parenteral
während der CT |
||
Vitamin C- Infusion |
60 g, 2x/Woche
Vitamin-C-Plasmaspiegel: > 200 mg/dl
|
|
parenteral
nach der CT | ||
Vitamin C- Infusion |
60 g, 1x/10–14 Tage |
60 g, 2x/Woche
Vitamin-C-Plasmaspiegel: > 200 mg/dl
|
Tab. 5: Radikal-induzierte Nebenwirkungen durch Zytostatika (Beispiele) und therapeutische Gegenmaßnahmen | |||
Zytostatikum |
Mechanismus |
Organ |
Therapeutische Intervention/Prämedikation |
Anthracycline (z.B. Doxorubicin) |
Bildung von Anthracyclin-Fe3+-Komplexen, Reduktion zum Anthracyclin-Semichinon-Radikal, Wechselwirkung mit Cardiolipin |
Herz
(Anthracyclin-induzierte Kardiotoxizität)
|
a) Intravenöse Applikation von L-Carnitin (2000 mg in 250 ml 0,9% NaCl) 1 h vor
der Anthracyclin-haltigen CT
b) Perorale Prämedikation mit: Coenzym Q10 (z.B. 240 mg/d), Selen (1000 µg/d) und L-Carnitin (3000 mg/d)
|
Cisplatin |
Radikalinduktion |
Niere (kumulative Nephrotoxizität) |
Intravenöse Applikation von Na-Selenit (1000 µg in 100 ml 0,9% NaCl) 1 h vor
der Cisplatin-Therapie |
- Vitamin A, α-, γ-Tocopherole (z. B. Lungenkarzinom), Carotinoide wie Betacarotin (z. B. Lungenkarzinom) oder Lycopin (z.B. Prostatakarzinom)
- Vitamin C (z. B. Zervix-, Magenkarzinom)
- Coenzym Q10 (v.a. bei Mammakarzinom)
- L-Carnitin (v. a. bei Cisplatin-, Ifosfamidtherapie und Fatigue-Syndrom)
- L-Cystein, L-Glutathion
- Selen (z. B. Prostatakrebs),
- Zink (z. B. Kopf-/Halstumoren)
- Omega-3-Fettsäuren (v.a. bei Tumorkachexie)
- Vitamin B1 4 –10 Tage
- Vitamin K 2 – 6 Wochen
- Vitamin B* 2 – 4 Monate
- Vitamin C und D
- Vitamin E 6 –12 Monate
- Magnesium, Kalium
- Appetitlosigkeit, Anorexie
- Übelkeit und Erbrechen
- Geruchs-, Geschmacks- und Schluckstörungen
- Mundtrockenheit
- Diarrhö
- Mukositis
- Ulzerationen des Magen-Darm-Traktes
- Fisteln (z. B. Ösophagus)
- Akute und chronische Strahlenenteritis
- Vitamin B12 (→ Intrinsic Factor-Mangel), Vitamin A, D, E, K, Carotinoide (z. B. Lycopin), Folsäure (→ pH-Gradient), Vitamin C
- Calcium (→ Lactoseintoleranz, Anazidität), Magnesium
- Zink, Eisen (→ Anazidität), Selen
- Vitamin B12 (→ bakterielle Fehlbesiedlung/Dysbiose),
- Vitamin A, D, E, K, Carotinoide (→ Steatorrhö)
- Vitamin A, D, E, K, B12, Carotinoide (→ Steatorrhö), Coenzym Q10
- Omega-3-Fettsäuren (→ Steatorrhö)
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