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- DAZ 30/2006
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Cool bei Hitze (Glosse)
Die Luft steht, zum Schneiden dick. Der Schweiß steht, wie ein feiner Film, auf der Stirn. Wir bewegen uns träge, jeder Handgriff macht Mühe. Ausgedörrt unsere Kehlen. Und auch geistig waren wir schon mal schneller als in diesen Zeiten: "Is' des a Hitz'n", sagen sie in Bayern –und lassen an der Nordsee die Markisen runter, schon morgens früh vor acht, wenn die ersten Strahlen unbarmherzig in die längst ausgebleichte Schaufensterdekoration knallen.
Deutschlands Apotheken bei 38 Grad. Weich gekocht und durchge–gart. Klimaanlagen sind schon heiß gelaufen. Deostifte lang schon ausverkauft. Unser Getränkehändler zuckt die Schultern – Mineralwasser Fehlanzeige. Nur noch Limo da, warme, schale Limo. Wer konnte, der hat Urlaub eingereicht und ist geflohen – Zugspitze, nur 22 Grad. Kreuzfahrt in die Antarktis. Aushilfsjob im Kühlhaus. Doch irgendwann müssen die Hitzeflüchtlinge auch wieder zurück. In unsere Offizin. Wo die Luft steht, heiß, verbraucht, das Hirn lähmt. Deutschlands Apotheken bei 40 Grad.
Alle thermosensiblen Präparate sind in Kühlräume und Kühlschränke evakuiert. Die Wasserschale vorm Eingang – ausgetrocknet wie der Schott al-Dscherid – müssen unsere Hunde nun verdursten? Draußen vor der Tür immer öfter Notarztwagen im Blaulichteinsatz: Kreislaufkollaps, Hitzschlag. In der Tagesschau bringen sie Hinweise, bei Hitze sollen wir nur lauwarm duschen. Und nix Kaltes trinken. Vielleicht rufen wir unseren Getränkehändler doch noch mal an, warme Limo, besser als nichts. Der Schweiß klebt am ganzen Körper. Und wir dürfen den Kittel nicht ausziehen. Auf gar keinen Fall, der Chef hat's verboten, und wenn wir hinterm Tresen umfallen. Was ihr drunter anzieht, ist mir egal, hat er noch gesagt, bevor er in sein Häuschen am Waldrand geflohen ist. Dort hat es derzeit nur 31 Grad. Der Kittel bleibt an. Oder doch nicht? Immer mehr Apothekerinnen, Apotheker und PTA lassen ihn im Schrank hängen. Treten in flatternden Stoffteilchen und kaum die Haut bedeckenden Kleidungsstückchen vors schwitzende Publikum.
Einsichtige Chefs planen die Anschaffung hitzeadäquater Sommer-Uniformen (Hot pants bzw. Bermudas) – sie wollen nämlich nicht wegen Verletzung der Menschenrechte belangt werden. Und die alte Apo-Bestechungsformel "Zwei Kugeln für jeden – ich nehm Schoko und Straciatella!" reicht halt nicht mehr aus. Deutschlands Apotheken bei 42 Grad. Die Limo klebt Zunge und Mund zusammen. Der Klimaanlagen-Reparateur hat vom Baggersee angerufen – er kommt nächste Woche vorbei. Wenn überhaupt. Eine Ansichtskarte vom Südpol – bringt auch keine Kühlung. Der Kittel kann uns mal – wir müssen doch irgendwie überleben. Denn irgendwann hat's wieder 12 Grad in Deutschland – und Dauerregen. Und deshalb müssen wir cool bleiben – bei dieser Hitze.
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