Prisma

Autismus ist keine seltene Erkrankung

Bis Ende der 1980er Jahre galt der frühkindliche Autismus noch als seltene Störung mit einer Prävalenz von 5 zu 10.000. Seither klettern die Zahlen immer weiter nach oben. Die höchsten Werte beschrieben nun britische Wissenschaftler in der aktuellen "Lancet"-Ausgabe. Demnach sind 39 von 10.000 Kindern von Autismus betroffen.

Bei weiteren 77 von 10.000 fanden die Autoren andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen, zu denen das Rett-Syndrom, das Asperger-Syndrom und sonstige desintegrative Störungen des Kindesalters gehören. Insgesamt ergab sich in der Veröffentlichung eine Prävalenz von 116 zu 10.000, also mehr als ein Prozent.

Basis für die Zahl ist die systematische Untersuchung der Daten von 56.946 Kindern im Alter von neun bis zehn Jahren. Von dieser Kohorte wurden zunächst alle Kinder erfasst, bei denen die Diagnose einer autistischen Störung zunächst gestellt, später teilweise jedoch wieder revidiert worden war. Weiterhin wurden alle Kinder in die Studie eingeschlossen, die Sonderschulen besuchten oder den Schulbehörden aufgrund besonderer Lernschwächen gemeldet worden waren. 1770 Eltern wurden angeschrieben, 255 Kinder tatsächlich näher untersucht. Dabei kamen neben den ICD-10-Kriterien auch spezielle diagnostische Instrumente wie ADI-R (autism diagnostic interview revised) und weitere Tests zu Intelligenz, Sprache und Verhalten zum Einsatz.

Wahrscheinlich ist diese intensive Vorgehensweise ein Grund für die hohe Prävalenz, schreibt Hiroshi Kurita in einem Editorial in der entsprechenden Lancet-Ausgabe. Er vermutet, dass derzeit viele leichte Störungen nicht erkannt werden und die Kinder einfach als lernschwach oder verhaltensgestört gelten, ohne dass eine medizinische Ursache vermutet wird. ral

Quelle: Lancet 368, 210-215 (2006).

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