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Arzneimittel und Therapie
Narkolepsie: Natriumoxybat reduziert kataplektische Anfälle
Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) wurde 1960 erstmals im Rahmen eines Forschungsprogramms der französischen Marine synthetisiert. Durch Austausch der Aminogruppe von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) wurde eine Substanz gewonnen, die im Gegensatz zur Gamma-Aminobuttersäure die Bluthirnschranke passieren kann und vielfältige pharmakologische Eigenschaften aufweist.
Enthemmend, aphrodisierend und sedativ
In niedriger Dosierung (0,5 bis 1,5 g) wirkt Natriumoxybat, das Natriumsalz der Gamma-Hydroxybuttersäure, stimulierend und enthemmend, in Dosierungen bis 2,5 g aphrodisierend und in höheren Dosen sedativ. In den ersten Jahren wurde es vor allem als Narkotikum verwendet. Hierzu steht es bis heute unter dem Handelsnamen Somsanit® zur Verfügung. Seine Schlaf-induzierenden Eigenschaften und seine kurze Wirkdauer konnten auch in der Narkolepsie-Behandlung genutzt werden. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sich unter Natriumoxybat-Behandlung auch die Tagessymptomatik – und hier in erster Linie die Kataplexie – besserte. Wie dies geschieht, ist ungeklärt. Es wird angenommen, dass Natriumoxybat durch Förderung des langsamen Delta-Wellen-Schlafs den Schlaf verfestigt und so möglicherweise die Tagessymptomatik und Kataplexie günstig beeinflusst. Man vermutet, dass Gamma-Hydroxybuttersäure über einen eigenen Rezeptor verfügt. In pharmakologischen Dosierungen wirkt die Substanz vor allem als GABA-B-Rezeptoragonist. Darüber hinaus interagiert sie mit dopaminergen, serotonergen und opioidergen Systemen.
Möglicherweise hat aber auch die Begleitmedikation der Betroffenen einen Einfluss auf die positiven Wirkungen von Natriumoxybat bei Kataplexie. Zu bedenken ist, dass mehr als 80% aller Patienten in den dokumentierten klinischen Studien gleichzeitig mit Stimulanzien wie Methylphenidat oder Modafinil behandelt wurden.
Wirksamkeit in klinischen Studien belegt
Als Wirksamkeitsnachweis für Natriumoxybat zur Behandlung der Kataplexie dienten zwei randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studien. An der ersten Studie nahmen 136 Narkolepsie-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Kataplexie teil (durchschnittlich 21 Kataplexieanfälle pro Woche). Sie erhielten entweder Placebo oder Natriumoxybat in Dosierungen von 3 g, 6 g oder 9 g pro Tag als nächtliche Gabe. Eine bestehende Stimulanzienbehandlung wurde beibehalten. Während mit einer Dosierung von 3 g/d kein Effekt erzielt wurde, ließen sich die kataplektischen Anfälle mit Dosierungen von 6 g/d und 9g/d signifikant um zehn (6 g/d) bis 16 (9 g/d) Attacken pro Woche reduzieren.
Bei der zweiten Studie handelte es sich um eine Absetzstudie, an der 55 Patienten teilgenommen hatten, die zuvor sieben bis 44 Monate lang mit Natriumoxybat behandelt worden waren. Sie wurden dann in der Studie randomisiert mit Placebo oder Natriumoxybat weiter behandelt. Dabei kam es zu einem signifikanten Anstieg der Kataplexie-Attacken in der Placebogruppe von durchschnittlich vier auf 21 Attacken in zwei Wochen, während bei Weiterbehandlung mit Natriumoxybat in Dosierungen zwischen 6 g/d und 9 g/d kein Anstieg zu verzeichnen war.
Einnahme an der Bettkante
Natriumoxybat ist keine einfach zu handhabende Substanz. Zunächst muss die Behandlung unter der Anleitung eines Arztes, der Erfahrung in der Behandlung von Schlafstörungen hat, begonnen und durchgeführt werden. Die Wirkung kann innerhalb von wenigen Minuten eintreten, so dass das Medikament nur unmittelbar vor dem Zubettgehen, also "an der Bettkante" eingenommen werden sollte. Da die Patienten in der Regel bei Harndrang bedingt durch die extreme Schlaftiefe nicht aufwachen, sollten sie vor dem Zubettgehen die Blase entleeren. Die kurze Halbwertszeit von Natriumoxybat führt dazu, dass die Patienten nach 2,5 bis vier Stunden spontan wieder aufwachen. Deshalb wird die Gesamtdosis auf zwei, eventuell auch auf drei Einzelgaben in der Nacht verteilt. Durch fettreiche Mahlzeiten wird die Resorption von Natriumoxybat verzögert. Ein ausreichender Abstand zwischen Mahlzeit und Medikamenteneinnahme von mindestens zwei bis drei Stunden muss daher gleichbleibend eingehalten werden. Zu bedenken ist, dass bis zum Eintritt der antikataplektischen Wirkung von Natriumoxybat oft einige Wochen vergehen können.
Gefahr Atemstillstand
Natriumoxybat ist ein hochpotentes Hypnotikum mit geringer therapeutischer Breite und einem hohen Interaktionspotenzial. Vor allem die Kombination mit Alkohol und anderen Hypnotika kann zu Übelkeit und Erbrechen führen, mit der Gefahr, dass der Betroffene im Schlaf an Erbrochenem ersticken kann. Weiterhin muss mit lebensbedrohlichen Atemdepressionen und Herzrhythmusstörungen gerechnet werden. Natriumoxybat ist in jedem Fall bei Behandlung mit Opiaten und Barbituraten kontraindiziert. Gamma-Hydroxybuttersäure und damit auch Natriumoxybat haben ein hohes Missbrauchspotenzial (s. Kasten). Besondere Vorsicht ist daher bei Patienten mit Drogenkonsum in der Vorgeschichte geboten. Sie müssen bei Behandlung mit Natriumoxybat genau beobachtet werden. Bislang gibt es keine eindeutigen Hinweise, dass durch Natriumoxybat in therapeutischen Dosierungen eine Abhängigkeit induziert werden kann. Sicher ist, dass Gamma-Hydroxybuttersäure nach wiederholter illegaler Einnahme von 18 bis 250 g/Tag zu psychischer Abhängigkeit führen kann.
Seit kurzem steht Natriumoxybat (Xyrem) zur Behandlung der Kataplexie bei Narkolepsie zur Verfügung. Es ist ein hochpotentes Hypnotikum mit geringer therapeutischer Breite und hohem Interaktionspotenzial und kann die Zahl von kataplektischen Anfällen deutlich senken.
Die Narkolepsie ist eine relativ seltene, aber schwerwiegende Schlafstörung, an der in Deutschland mindestens 16.000 Patienten leiden (Prävalenz 2 bis 5/10.000 Personen). Betroffen sind vor allem Männer. Die Ursache ist nicht bekannt. Das wichtigste Leitsymptom ist eine massive Tagesschläfrigkeit, geprägt durch unüberwindliche zwanghafte Schlafanfälle von einer Dauer bis zu 30 min. Das zweite Kernsymptom der Narkolepsie ist die Kataplexie. Sie ist durch einen plötzlichen Tonusverlust der willkürlichen Muskulatur charakterisiert.
Ein starker Affekt wie Freude oder Ärger lässt die Betroffenen plötzlich bei vollem Bewusstsein jegliche Muskelspannung verlieren und zusammenbrechen. Dieses Symptom tritt bei etwa 90% aller Narkolepsiepatienten auf. Eine kausale Behandlung der Narkolepsie und auch der Kataplexie gibt es nicht. Gegen die Tagesschläfrigkeit gelten zur Zeit die Stimulanzien Methylphenidat und Modafinil als Mittel der Wahl, zur Behandlung der Kataplexie war zuletzt lediglich Clomipramin zugelassen.
Auf der einen Seite ist Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) ein wertvolles Therapeutikum, auf der anderen Seite ist sie ein hochpotentes Hypnotikum mit erheblichem Missbrauchspotenzial. In der Szene wird sie unter Bezeichnungen wie Liquid Ecstasy, Liquid X, Liquid E, Fantasy, Soap, G-Juice usw. als Partydroge gehandelt. Besonders gefährlich ist die Kombination mit Alkohol und anderen Drogen. Durch Potenzierung der atemdepressiven Wirkung kann es zu Atemnot und Atemstillstand kommen.
Unkalkulierbar werden die Wechselwirkungen bei Kombination mit stimulierenden Drogen wie Ecstasy, Kokain oder Speed. Längere Anwendung kann zu psychischer Abhängigkeit führen. In den 1980-er Jahren wurde GHB als Dopingmittel missbraucht, nicht zuletzt wegen Wachstumshormon-freisetzenden Eigenschaften. Auch hinter den so genannten K.O.-Tropfen verbirgt sich nichts anderes als die Gamma-Hydroxybuttersäure. Da sie in Reinform eine farblose, wasserlösliche Substanz ist, deren an sich salziger bis seifiger Geschmack gut durch Zumischung von Getränken zu überdecken ist, wird sie immer wieder von Kriminellen benutzt, um in Tiefschlaf gefallene, wehrlose Opfer auszurauben oder zu vergewaltigen. Wie oft das geschieht, liegt im Dunkeln, da die Substanz innerhalb von zwölf Stunden bis unter die Nachweisgrenze abgebaut wird und die Opfer oft Erinnerungslücken aufweisen.
Seit März 2002 unterliegt Gamma-Hydroxybuttersäure der Betäubungsmittelverordnung.
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