Prisma

Die Liebeskrankheit ernst nehmen

Schmetterlinge im Bauch, Watte im Kopf, Herzklopfen und schwitzende Hände – Verliebtheit hat eine ganz eigene Symptomatik und nicht umsonst gibt es den Begriff "Liebeskrankheit". Tatsächlich kann es sich dabei um ein ernst zu nehmendes Krankheitsbild handeln, meint der Psychologe Frank Tallis.

Tallis hat, beginnend mit den alten Griechen, die historische Entwicklung der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Liebe und geistiger Erkrankung erforscht. Dabei hat er herausgefunden, dass noch bis ins 18. Jahrhundert hinein die so genannte Liebeskrankheit als echtes Krankheitsbild angesehen wurde. Erst in den letzten 200 Jahren wurde sie von den Ärzten nicht mehr als eine ernste Diagnose anerkannt. Das ist Tallis zufolge jedoch falsch und sollte künftig wieder geändert werden.

Denn so schön die Liebe an und für sich ist, kann sie doch auch krankhafte Züge annehmen. Zu den Symptomen, in denen sich die Liebeskrankheit äußert, gehören z. B. Hochstimmungen (Manien), ein übertriebenes Selbstbewusstsein sowie Depressionen, die sich unter anderem in Schlafstörungen manifestieren können. Des Weiteren können Anzeichen von Zwangsneurosen auftreten, z. B. das permanente Abrufen von E-Mail-Nachrichten oder das ständige Warten auf Textmitteilungen per Handy.

Die Untersuchungsergebnisse von Tallis sagen aus, dass diese Symptomatik und die Effekte der Liebeskrankheit durchaus mit Hilfe der heutigen medizinischen Fachausdrücke diagnostiziert werden können. Doch trotz der offensichtlichen Problematik werde kein Patient mit der Diagnose: "liebeskrank" an den Psychologen überwiesen, so Tallis. Er warnt, dass das offensichtliche Unterschätzen der Liebeskrankheit ernste Folgen bis hin zum Selbstmordversuch haben könnte. Daher fordert Tallis nun weitergehende Studien zur Liebeskrankheit und ihren Folgen und wünscht sich, dass dem Phänomen mehr Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit entgegen gebracht wird. ng

Quelle: The Psychologist 18 (2), 72 – 74 (2005)

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