Selbstmedikation

Gallenbeschwerden – nur mit Vorsich

"Ich habe es oft so mit der Galle! Geben Sie mir etwas dagegen!" Von Patienten wird ein solcher Wunsch beiläufig dahingesagt, als wäre damit alles klar. Wer es allerdings noch nie selbst "mit der Galle" zu tun hatte, weiß vielleicht gar nicht, was damit gemeint ist. Wer selbst Gallenbeschwerden kennt, weiß, dass diese Beschwerden ganz unterschiedlich sein können.

Um Patienten mit Gallenbeschwerden gut zu beraten, muss also die erste Frage lauten: "Welche Beschwerden haben Sie genau?"

Funktionelle Gallenstörungen

Gallenbeschwerden zeigen sich häufig durch diffuse Oberbauchbeschwerden mit Völlegefühl, leichter Übelkeit, Aufstoßen und Meteorismus, selten auch Durchfall und Erbrechen. Patienten berichten von einem Druckgefühl oder Ziehen insbesondere nach Genuss von Kaffee, fettem Essen oder Alkohol. Treten diese Symptome einmal auf, wird der Patient wahrscheinlich die Einzelsymptome behandeln wollen und die Beschwerden anschließend bald wieder vergessen. Treten sie allerdings häufiger auf, sollte er sie durch eine ärztliche Diagnose abklären.

Grund für funktionelle Gallenbeschwerden ist meist eine Gallenblasenentzündung durch Gallensteine, häufig durch Cholesterinmischsteine. Die Ursachen hierfür sind neben genetischer Veranlagung eine Fehl- und Überernährung und Hypercholesterinämie. Längst nicht alle Gallensteine verursachen Beschwerden. Die Hälfte aller Patienten mit Gallensteinen haben keinerlei Beschwerden, weitere 40% klagen allerdings über die oben genannten Gallenbeschwerden.

Schmerzhafte Gallenkoliken

Die restlichen 10% der Patienten mit Gallensteinen klagen über immer wiederkehrende Schmerzen. Gallensteine können sich innerhalb der Gallenblase bewegen. Eine ungünstige Lage eines Gallensteins im ausführenden Gallengang (Ductus cysticus) kann zum Spasmus der Gallenwege und zur Kontraktion der Gallenblase führen. Diese Gallenkoliken werden meist mit krampfartigen Schmerzen im rechten Oberbauch beschrieben. Manchmal strahlen diese Schmerzen in das rechte Schulterblatt aus. Gleichzeitig kann Übelkeit bis zum Brechreiz auftreten. Die Patienten spüren eine Abneigung gegen fettige Speisen. Bei Aufnahme von Fett kommt es zu einer Verstärkung der Beschwerden.

Komplikationen

Während des akuten Schmerzanfalls kommt es fast immer zu einer Temperaturerhöhung. Eine leichte Erhöhung ist dabei unbedenklich. Das Auftreten starker Schmerzen und Fieber über 38,5 °C – meist mit Schüttelfrost – jedoch ist Zeichen einer bakteriellen Entzündung der Gallenwege, die sofort eine ärztliche Therapie erfordert. Meist erfolgt eine antibiotische Therapie bei stationärem Aufenthalt.

Beim Durchtritt eines oder mehrerer Steine durch den ableitenden Gallengang kann es zu starken Gallenkoliken kommen. Begleitsymptome sind eine flüchtige Gelbsucht mit Gelbfärbung der Haut und Lederhaut des Auges, Stuhl- und Urinentfärbung, und in einigen Fällen Juckreiz der Haut. Auch diese Beschwerden werden in der Klinik unter ständiger ärztlicher Kontrolle therapiert.

Den Gallenfluss fördern 

Choleretika erhöhen die Gallenproduktion in der Leber, Cholekinetika fördern die Entleerung der Gallenblase. Diese Begriffe sind an Stelle des ungenauen Ausdrucks Cholagoga getreten, der übergeordnet Substanzen bezeichnet, die den Gallenfluss fördern.

Allgemeine Maßnahmen

Die wichtigste Maßnahme gegen wiederkehrende Gallenbeschwerden ist eine dauerhafte Ernährungsumstellung:

  • isokalorische Ernährung mit dem Ziel einer Gewichtsnormalisierung einhalten,
  • fett- und cholesterinarme Nahrungsmittel bevorzugen, fettreiche Speisen meiden,
  • Reizstoffe wie Kaffee, Alkohol, Nicotin meiden.

Bei leichten Beschwerden helfen warme Oberbauchwickel zur Krampflösung und Schmerzlinderung. Bei akuten Entzündungen sind kalte Wickel zur Unterstützung der ärztlichen Therapie möglich.

Verstärkung des Galleflusses

Gegen funktionelle Gallenbeschwerden stehen in der Selbstmedikation Choleretika zur Verfügung. Alle Choleretika können allerdings Gallenkoliken auslösen oder vorliegende Koliken verschlimmern. Generell gilt ein Verschluss der Gallenwege als Kontraindikation. Bei Vorliegen von Gallensteinen dürfen sie nur nach ärztlicher Rücksprache angewendet werden. Sinnvoll sind sie bei Vorliegen von Gallensteingrieß, weil sie das Ausspülen des Grieß fördern können.

Beispiele hierfür sind

  • Hymecromon
  • Curcumawurzelstock
  • Artischockenblätter
  • Löwenzahnwurzel
  • Schafgarbenkraut

Besonders geeignet ist Hymecromon, da es neben den choleretischen auch spasmolytische Eigenschaften besitzt. Das Cumarinderivat hat auf die glatte Muskulatur eine erschlaffende Wirkung. Pflanzliche Choleretika können entweder in Form von Tees oder als standardisierte Extrakte in Fertigarzneimitteln angewendet werden. Cholekinetika, die den Gallenabfluss dadurch verstärken, indem sie die Gallenblase zu Kontraktionen veranlassen, sind nicht indiziert.

Gegen krampfartige Schmerzen

Zur Behandlung der Schmerzen bei Gallenkoliken eignen sich Spasmolytika. Neben Schöllkraut und Hymecromon in Fertigarzneimitteln wird traditionell auch Kamillentee verwendet. Als chemisches Spasmolytikum steht Butylscopolaminiumbromid zur Verfügung, das sich gerade auch in der Kombination mit Paracetamol bei kolikartigen Schmerzen bewährt hat. Bei der Anwendung sind als Kontraindikationen Engwinkelglaukom, Prostataadenom, mechanische Stenosen im Magen-Darm-Trakt sowie Tachyarrhythmien zu beachten.

Ärztliche Therapie

Bei Gallensteinpatienten mit häufig wiederkehrenden starken Koliken wird eine weiterführende Therapie notwendig. Zur Verfügung stehen hier

  • laparoskopische oder konventionelle Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie)
  • Steinzertrümmerung durch Stoßwellen oder Ultraschallwellen bei Patienten mit hohem OP-Risiko und Vorliegen von nicht mehr als drei Steinen
  • medikamentöse Gallensteinauflösung (Litholyse) mit Chenodeoxycholsäure oder Ursodeoxycholsäure nur bei reinen Cholesterinsteinen mit gesicherter Kalkarmut.

 

Dr. Kirsten Lennecke, Sprockhövel

 

GALLEFLUSS ANREGEN Gegen funktionelle Gallenbeschwerden stehen in der Selbstmedikation Choleretika zur Verfügung. Sie können allerdings Gallenkoli- ken auslösen, insbesondere beim Vorliegen von Gallensteinen dürfen sie nur nach ärztlicher Rücksprache angewendet werden. Quelle: Selbstmedikation für die Kitteltasche, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 2004 

Wer selbst Gallenbeschwerden kennt, weiß, dass sich diese ganz unterschiedlich äußern können. Um Patienten mit Gallenbeschwerden gut zu beraten, muss also die erste Frage lauten: "Welche Symptome haben Sie denn genau?

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