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Einstieg in die Sucht immer früher
"Es gibt durchaus positive Tendenzen im Suchtgeschehen in Deutschland", erklärte der DHS-Vorsitzende Prof. Jobst Böning anlässlich der Vorstellung des "Jahrbuch Sucht 2005" am 12. Januar in Berlin. So geht der Alkoholkonsum seit sechs Jahren jährlich um 0,1 Liter reinen Alkohols pro Kopf zurück. Das Bewusstsein um die Gefährlichkeit dieser legalen Droge nehme zu, so Böning. Dies zeige sich auch darin, dass sich die Zahl alkoholbedingter Verkehrsunfälle seit 1995 halbiert habe.
Dennoch nehmen die Deutschen nach wie vor einen Spitzenplatz in Europa ein: 2003 nahmen sie durchschnittlich 147 Liter alkoholische Getränke zu sich. Rückläufig ist auch die Zahl der Raucher. 2003 wurden 8,6 Prozent weniger Zigaretten geraucht als noch im Vorjahr. Für den DHS-Vorsitzenden ist dieser Trend auch auf gesundheitspolitische Maßnahmen wie die Tabaksteuererhöhung und Restriktionen, etwa in Schulen, zurückzuführen. Der Konsum von Heroin und Partydrogen geht ebenfalls zurück. Die Zahl der Todesfälle durch harte Drogen liegt mittlerweile wieder auf dem Niveau der 80er Jahre.
Suchtgefährdete Kinder
Doch nach wie vor steht die Suchthilfe vor großen Herausforderungen. "Es geht um unser Zukunftspotenzial, unsere Jugend", warnte Böning: So greifen Kinder immer früher zur Zigarette, in Nordrhein-Westfalen liegt das Einstiegsalter bereits bei 11,6 Jahren. Zudem konsumieren immer mehr junge Menschen Cannabis. Rund eine viertel Million Kinder und Jugendliche haben bereits Erfahrungen mit der Droge. Böning räumte ein, dass man diesen Bereich vernachlässigt habe. Gerade bei Kindern, deren Gehirn noch nicht ganz ausgebildet sei, könne die Droge verheerende Wirkungen haben. "Es besteht dringender Hilfebedarf", so Böning. Darüber hinaus ist auch das Einstiegsalter bei Essstörungen bereits unter 15 Jahre gesunken.
Etwa 1,4 Millionen Medikamenten-Abhängige
Dem Thema Medikamenten-Abhängigkeit nimmt sich im Jahrbuch Prof. Gerd Glaeske an. Schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen sind hierzulande von Arzneimitteln abhängig – vor allem Frauen. Fünf bis sechs Prozent der verordneten Medikamente hat ein Missbrauchspotenzial – insbesondere solche mit Wirkstoffen aus der Familie der Benzodiazepine. In den letzten Jahren sind hier die Verordnungen zwar zurückgegangen. Glaeske zufolge reichen sie aber noch immer aus, um 1,1 Millionen Abhängige zu versorgen.
DHS fordert mehr frauenspezifische Suchtarbeit
Ein Schwerpunkt des "Jahrbuch Sucht 2005" ist die frauenspezifische Suchtarbeit. Prof. Klaudia Winkler von der Fachhochschule Regensburg, die das Thema für die DHS bearbeitet hat, betonte, dass Suchtarbeit für Frauen bislang ein "eher geduldetes als respektiertes Nischendasein" gefristet habe. Frauen stellen in der Suchthilfe eine Minderheit dar – zum einen entwickeln sie seltener Süchte, zum anderen bestehen für sie oft höhere Barrieren, Hilfsangebote anzunehmen. Doch sie spielen auch in den Konzepten der Suchtforschung praktisch keine Rolle, kritisierte Winkler.
Selbst "geschlechtsneutrale" Forschung orientiere sich an der männlichen Zielgruppe. Allerdings sei in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung zu erkennen. So gehöre es zu den künftigen Aufgaben geschlechtssensibler Suchtarbeit, bisher wenig beachtete Gruppen wie z. B. niedrigkonsumierende medikamentenabhängige Frauen, Raucherinnen und ältere Frauen verstärkt in den Blick zu nehmen, so Winkler.
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