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Compliance gemeinsam fördern

Compliance ist die Therapietreue des Patienten, die Befolgung der medizinischen Empfehlungen und Verordnungen. Eine unzureichende Compliance führt zu unbefriedigenden Therapieergebnissen, die wiederum zusätzliche Kosten verursachen und die Effektivität des gesamten Gesundheitssystems mindern können; andererseits mindert sie die Umsätze der pharmazeutischen Industrie. Daher gibt es trotz verschiedener Interessenlagen gemeinsame Bestrebungen der Kostenträger und der Industrie, die Compliance zu fördern.

Verschiedene Studien belegen das Ausmaß der Non-Compliance. So befolgen nur 51% der medikamentös behandelten Hypertonie-Patienten in den USA bei der Einnahme ihrer verschriebenen Arzneimittel die Anweisungen des Arztes [1]. Einer Erhebung in Australien zufolge waren nur 43% der Asthma-Patienten therapietreu, und bezüglich präventivmedizinischer Behandlung waren es sogar nur 28% [2]. In Deutschland wendet vermutlich nur ein Drittel der Patienten ihre Medikamente ordnungsgemäß an, während die verbleibenden zwei Drittel das Therapieschema des Arztes falsch oder gar nicht befolgen.

Patient im Mittelpunkt

Das Complianceverhalten von Patienten wird teils vom Krankheitsbild und dem dadurch verursachten Leidensdruck, teils von Grundeinstellungen und Erwartungshaltungen sowie der jeweiligen sozialen und familiären Situation beeinflusst. Daher muss eine Complianceförderung immer differenziert nach Indikationsstellung und Patiententyp erfolgen. Gefragt sind dabei im Prinzip alle, die an der Behandlung beteiligt sind, vor allem die Patienten selbst, die nicht selten über eine unzureichende Kommunikation und Aufklärung klagen.

Die WHO fordert deshalb, dass Programme zur Förderung der Compliance gezielter auf unterschiedliche Patientengruppen zugeschnitten sein müssen. Solche Ansätze müssen multidisziplinär sein. Die noch bessere Schulung der Heilberufler und die Stärkung der Patientenorganisationen, die eine Schlüsselfunktion für die Compliance haben, ist zwar wichtig, aber nicht allein entscheidend.

GMG als Hemmschuh

Die Kostenträger schätzen die Kosten für die Non-Compliance auf etwa 10% der gesamten Arzneimittelausgaben. Aus ihrer Sicht wird die Compliance in der Kostenbetrachtung noch zu wenig berücksichtigt. Die durch das GMG eingeführte Praxisgebühr und der Ausschluss von OTC-Arzneimitteln von der Kostenerstattung haben sich als Hemmfaktoren für die Compliance erwiesen. Verbessert wird die Compliance hingegen durch die Applikation von Arzneistoffen in Retard- oder Depotformen, durch Tablettendispensierer bzw. einnahmekonforme Spezialverblisterungen und nicht zuletzt durch die persönliche Zuwendung von Pflegepersonal, Arzt und Apotheker.

Misstrauen aufgrund der Packungsbeilage

Die Packungsbeilage verängstigt viele Patienten aufgrund des Missverhältnisses von aufgeführten Arzneimittelrisiken und Nebenwirkungen gegenüber den beschriebenen Nutzeffekten. Je nach Bildungsgrad und Urteilsfähigkeit kann eine Anwendungsverweigerung die Folge sein. Hier ist der Apotheker gefragt, die Aussagen des Beipackzettels zu erläutern und zu relativieren, wobei er zusätzlich das Einnahmeschema auf der Packung notieren sollte.

Als ein weiteres Compliance-Hemmnis hat sich eine für den Patienten nicht durchschaubare Diagnostik mit vielen Nachfolgeüberweisungen erwiesen. Der Patient ist irritiert und ersetzt ggf. aufgrund eines gestörten Vertrauens zum Arzt das vorgegebene Therapieschema durch eigene Dosierungen. Man geht davon aus, dass 5 bis 10% aller Krankenhauseinweisungen Folgen mangelnder Arzneimittel-Compliance sind.

Kommunikationsplattformen der Industrie

Einige große Pharmafirmen haben im Internet Kommunikationsplattformen mit Patient relationship management teams etabliert, die den Patienten als Ansprechpartner und Berater in Arzneimittelfragen zur Verfügung stehen. Dadurch will man auch diejenigen Patienten erreichen, die den direkten Kontakt mit anderen Personen zu Fragen ihrer Gesundheit scheuen. Die Information ist vom Patienten aktiv nachzufragen und kann mit computergestützten Remindersystemen kombiniert werden.

Bei der Beurteilung dieser Internetseiten muss zwischen Seiten für den "normalen Konsumenten" und speziellen Beratungs- und Begleitungsseiten für bestimmte Patientengruppen unterschieden werden. Die letzteren Seiten sind Passwort-geschützt und sind ausschließlich den jeweils medikamentös behandelten Patienten zugänglich. Für Asthmapatienten gibt es z.B. die Seite www.leichteratmen24.de. Andere Seiten betreffen einzelne Präparate, z.B. Xenical von Roche, Lipitor von Pfizer und Avonex von Schering. Die Compliance von MS-Patienten, die mit einem entsprechenden Programm betreut wurden, lag nach 12 Monaten noch bei 90%, während nur 65% der nicht speziell betreuten Patienten ihre Medikamente regelmäßig einnahmen [3].

Da die EU noch keine Direktiven zur Gestaltung solcher Internetseiten erlassen hat, unterliegen diese zum jetzigen Zeitpunkt noch der jeweiligen nationalen Rechtsprechung.

Anrufprogramme

Ein Projekt der dänischen Firma ClinTel will die Compliance mithilfe eines automatisierten und zuvor mit dem Patienten vereinbarten Anrufprogramms fördern. Durch das Telefon erhält der Patient wichtige Informationen über seine Krankheit sowie über das vom Arzt verordnete Arzneimittel und wird an die Einnahme erinnert. Der Patient kann auf Fragen, zum Beispiel zu Beschwerden, antworten, indem er eine entsprechende Taste drückt.

Es ist vorgesehen, dass das Programm bestimmte Fragen, die vom Patienten gestellt werden, an den behandelten Arzt weiterleitet, der sich dann zeitnah mit dem Patienten in Verbindung setzt. Dies gilt insbesondere für mögliche Gefahrensituationen, etwa in der psychiatrischen Betreuung. Durch die Auswertung der von den Patienten gegebenen Antworten hofft man Verhaltensmuster in der medikamentösen Therapie und Ursachen der Non-Compliance erkennen und die Anrufprogramme entsprechend verbessern zu können.

Schlussfolgerungen

Prof. Dr. Marion Schaefer zog folgende Schlussfolgerungen aus dem Workshop:

  • Programme zur Complianceförderung sollten gezielt auf bestimmte Patientengruppen zugeschnitten werden. Gleichzeitig muss eine begleitende Evaluation sichern, dass die Ziele zu vertretbaren Kosten erreicht werden.
  • Die an der Complianceförderung beteiligten Partner müssen stärker miteinander kooperieren.
  • Eine informative Werbung der Industrie, die sich der Förderung der Compliance verpflichtet fühlt, ist prinzipiell zu begrüßen.

 

Eigene Initiativen Die Teilnehmer des Workshops entwickelten in kleinen Gruppen eigene Projekte zur Complianceförderung, z.B.: eine internetgestützte Fall-Kontroll-Studie zur pharmazeutischen Betreuung von Kindern mit Asthma bronchiale unter Einbeziehung der behandelnden Ärzte, Apotheker sowie der jeweiligen Krankenkasse; eine schriftliche Information über Hepatitis B und ihre Behandlungsmöglichkeiten; eine telefongestützte Fall-Kontroll-Studie für Patienten mit Depressionen.

 

Editha Räuscher und Kathrin Richter, Berlin

www.consumer-health-care.de

 

Quelle 
Prof. Dr. Marion Schaefer, Dr. Klaus Jürgen 
Preuss, Dr. Jenny Müller, Len Starnes, 
Robin Drinkal; Workshop über Arzneimittel- 
Compliance am 1.12. 2004 in Berlin, 
veranstaltet von Fa. ClinTel in Zusammenarbeit 
mit der Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie 
am Institut für Klinische 
Pharmakologie der Charité. 
[1] Am. J. Manag. Care, 2000, 6, 211 – 221 
[2] Reid et al., Respirology, 2000, 5, 281 – 
287. 
[3] Halper et al., 2003.

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