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Recht
Profilierung durch Dienstleistunge
Serviceleistungen zur Kundenbindung
Derzeit macht sich nahezu jeder Apotheker Gedanken darüber, welche Akquisitions- und Kundenbindungsmaßnahmen ihm zur Verfügung stehen. Auch wenn die Preisgestaltung im OTC-Bereich mittlerweile freigegeben ist: Auf eine Preisschlacht wollen sich die wenigsten Apotheker einlassen, da dies unmittelbar Gewinne schmälert und andererseits den Apotheker als kompetenten Berater eher in den Hintergrund drängt.
Als Berater profilieren kann sich der Apotheker dagegen mit Gesundheitsaktionen, die oft auch Messungen von beispielsweise Blutdruck, Cholesterin oder Blutzucker beinhalten; auch Knochendichte- und Venenmessungen fallen in diesen Bereich. Messungen, die direkt am Körper des Kunden vorgenommen werden müssen, bieten auch eine willkommene Gelegenheit, sich gegenüber Versandapotheken abzugrenzen. Zwar ist es der Versandapotheke möglich, per E-Mail oder per Telefon ihren Beratungspflichten nachzukommen, körperliche Untersuchungen sind DocMorris und Co. aber gänzlich verwehrt.
Die Grenze zur "Ausübung von Heilkunde"
Physiologisch-chemische Bestimmungen und andere Gesundheitsdienstleistungen gehören traditionell nicht zum Kerngeschäft des Apothekers – ihm obliegt vor allem die Abgabe von Arzneimitteln und die dazugehörige Beratung. Heilpraktikern und Ärzten ist dagegen die Ausübung der Heilkunde vorbehalten. Es stellt sich also die Frage, welche Tätigkeiten unter den Begriff der "Heilkunde" fallen. Das "Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung" (kurz: Heilpraktikergesetz, HPG) definiert in § 1 Abs. 2 als Ausübung der Heilkunde jede "berufsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperbeschwerden bei Menschen".
Es liegt auf der Hand, dass Leistungen angefangen von Blutdruckmessungen bis zu Knochendichtemessungen nur schwer von "Tätigkeiten zur Feststellung von Krankheiten" abzugrenzen sind und damit nahe an einer für den Apotheker verbotenen "Ausübung der Heilkunde" liegen.
Nach § 5 HPG kann die Ausübung der Heilkunde mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt werden, wenn man weder Arzt ist noch eine Heilpraktiker-Erlaubnis besitzt. Auch wenn hierauf kaum zurückgegriffen wird: Die unzulässige Ausübung von Heilkunde hat die Gerichte bereits des Öfteren veranlasst, sowohl berufsrechtliche als auch wettbewerbsrechtliche Sanktionen zu verhängen. An den grundlegenden Entscheidungen kann sich der Apotheker orientieren, um Anhaltspunkte für eigene "Gesundheitsaktionen" zu gewinnen.
BVerfG: kein generelles Verbot
Früher hatten Gerichte unter Berufung auf den Gesundheitsschutz die "unzulässige Ausübung der Heilkunde" oft schon bei geringen Anlässen gerügt. Bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wurde die Frage der Grenzen der Heilkunde dann getragen, als die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. einen Optiker abmahnte, weil er – ohne Heilpraktiker zu sein – Augeninnendruckmessungen, Gesichtsfeldprüfungen und ähnliche Dienstleistungen angeboten hatte.
Das zuständige Oberlandesgericht war noch der Meinung, solche Angebote seien nicht zu beanstanden, wenn der Kunde darauf hingewiesen wird, dass nur eine Untersuchung durch den Augenarzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann. Dem Bundesgerichtshof war dieser Hinweis aber zu wenig – er wollte jegliche Werbung für Messungen unterbinden. Begründung: Bei einem unauffälligen Befund würden viele Betroffene mit einem Gefühl trügerischer Sicherheit darauf vertrauen, dass "schon alles in Ordnung" sei, obwohl sich die zugrunde liegende Aussage nur auf eine einzelne Messung stützt und daher Risiken nicht endgültig ausschließen kann.
Das BVerfG wollte jedoch das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht bestätigen – es stellte sich in seinem Beschluss vom 17. Juli 2000 auf den Standpunkt, "dass die Wahrscheinlichkeit einer Aufdeckung von vorhandenen oder drohenden Augenerkrankungen nach Durchführung von Augeninnendruckmessungen und Gesichtsfeldprüfungen durch Augenoptiker – also der Nutzen – größer ist als die Gefahr, dass ein in Wahrheit erkrankter Kunde im Anschluss an eine bei ihm ohne Befund gebliebene Optiker-Untersuchung von einem – an sich geplanten – Besuch beim Augenarzt absieht".
Ergebnis: Die Verfassungsrichter sahen das Angebot der Dienstleistungen durch den Optiker nicht als Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz, zumindest wenn der Kunde darauf hingewiesen wird, dass nur eine Untersuchung durch den Arzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann. Mehr noch: Die Richter stellten klar, dass der Schutz der Gesundheit der Kunden durch die Untersuchung einerseits und den geforderten aufklärenden Hinweis andererseits weit besser gewährleistet werden kann als durch ein rigoroses Verbot solcher Gesundheitsdienstleistungen.
Der Fall "Osteoporose-Früherkennung"
Der Apotheker kann sich jedoch nicht darauf verlassen, durch die BVerfG-Entscheidung vor Urteilen geschützt zu sein, die in der Ankündigung und Durchführung von Messungen eine unzulässige Ausübung von Heilkunde sehen. Hier ist beispielsweise das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 17. August 2001 zu nennen: Die Wettbewerbszentrale hatte einen Prozess gegen einen Apotheker angestrengt, der unter dem Schlagwort "Osteoporose-Früherkennung" das Krankheitsbild der Osteoporose detailliert geschildert und eine Knochendichtemessung angekündigt hatte.
Das Landgericht gab der Klage der Wettbewerbszentrale wegen Verletzung der Vorschriften des Heilpraktikergesetzes zunächst statt, mit der Begründung, unter "Früherkennung" sei jedenfalls eine rechtzeitige Erkennung der Krankheit und damit eine Diagnose im Sinne des Heilpraktikergesetzes zu verstehen.
Der Apotheker ging in die Berufung – mit Erfolg: Das OLG Düsseldorf hob mit Urteil vom 19. Februar 2002 die Entscheidung des Landgerichts auf. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass die erlaubnisfreie Zulässigkeit der Knochendichtemessung auch die Mitteilung des Messergebnisses umfassen müsse, da sie sonst leer laufe. Der Kunde soll also auch erfahren dürfen, ob die bei ihm gemessene Knochendichte den Normalwert unterschreitet: Liegt das Messergebnis im kritischen Bereich, erfolgt die Empfehlung an den Kunden, einen Arzt aufzusuchen – liegt das Ergebnis im Normalbereich, erfährt der Kunde nur, dass bei ihm eine anormal verringerte Knochendichte nicht vorliegt.
Die Richter bemängelten zwar die Verwendung des nicht ganz eindeutigen Begriffs "Früherkennung", der in Verbindung mit der Nennung einer bestimmten Krankheit nach seinem reinen Wortsinn auch die an sich vom Arzt zu stellende Diagnose enthält, ob die Krankheit akut oder wenigstens in einem Frühstadium vorhanden ist. Die Apothekenkunden seien jedoch – so die Richter – mittlerweile daran gewöhnt, dass in einer Apotheke prophylaktische Messungen und Prüfungen durchgeführt werden, ohne dass die ärztliche Diagnose hierdurch ersetzt wird. Mit dieser Erfahrung und Einschätzung zur Rolle des Apothekers würde der "aufgeklärte Kunde" auch die Werbung mit "Osteoporose-Früherkennung" nicht als Versprechen einer Diagnose auffassen, sondern eine Befunderhebung unterhalb dieser Schwelle erwarten.
Dem beklagten Apotheker hatte auch geholfen, dass er den Kunden in dieser Einschätzung bestätigt hatte, indem er direkt unter der Überschrift "Osteoporose-Früherkennung" die Angabe "wir messen ihre Knochendichte" angebracht hatte, womit nach Ansicht des Gerichtes genügend klar beschrieben wurde, "was in der Apotheke des Beklagten tatsächlich (nur) stattfinden soll". (Weitere Auszüge aus der Urteilsbegründung im Kasten.)
Verweis auf Arztbesuch zweideutig
Bei der Formulierung seiner Werbung sollte der Apotheker sorgfältig vorgehen, denn letztendlich bleibt es dem Gericht überlassen zu beurteilen, ob der Apotheker ausreichend klarstellt, dass er keine Diagnose vornehmen wird. Und manche Gerichte urteilen sehr streng.
Als Beispiel sei das Urteil des Bayerischen Landesberufsgerichts für die Heilberufe vom 15. April 2002 genannt, das die Verhängung einer Geldbuße von DM 2000,- gegen eine Apothekerin wegen Verletzung ihrer Berufspflichten bestätigt hatte. Die Apothekerin hatte in einer Zeitung mehrfach ganzseitige Werbeanzeigen für ihre Apotheke geschaltet, in denen sie Blutdruck- und Blutzuckermessungen, Messungen des Gesamtcholesterins, der Triglyceride sowie HDL und LDL durch Blutuntersuchungen, Lungenfunktions- sowie Venentests angeboten hatte.
Zusammen mit dem Angebot, die Tests durchzuführen, ließ die Apothekerin folgenden, scheinbar unverfänglichen Satz in ihre Werbung aufnehmen: "Diese Tests sind nicht als Ersatz für einen Besuch beim Arzt zu sehen, sondern sollen vielmehr helfen, eventuelle im Verborgenen schlummernde Erkrankungen aufzudecken und auf einen eventuellen Arztbesuch vorzubereiten."
Auf den ersten Blick scheint dieser Zusatz geeignet zu sein, klarzustellen, dass die Apothekerin keine Heilkunde ausüben, sondern dies ausdrücklich dem dazu berufenen Arzt überlassen will – das Gericht sah dies anders und nahm gerade diesen Satz zum Anlass, der Apothekerin den Willen zur verbotenen Ausübung von Heilkunde zu unterstellen. Im Urteil wird ausgeführt:
"Damit wird mit dieser Anzeige der Eindruck erweckt, dass sich die Tätigkeit der Beschuldigten nicht im bloßen Messen von Körperfunktionen oder dem Analysieren von Körperflüssigkeiten sowie in der reinen Durchführung von Tests erschöpft, sondern dass die entsprechenden Befunde auch auf einen pathologischen Wert hin interpretiert werden und der Testperson gegebenenfalls therapeutische Ratschläge wie die Empfehlung eines eventuellen Arztbesuches erteilt werden. Solche Interpretationen der Testergebnisse stellen aber die Ausübung von Heilkunde dar, wozu die Beschuldigte als Apothekerin nicht befugt war und ist".
Die Apothekerin hatte sogar versichert, keinerlei Beratungsleistungen erbracht zu haben und sich lediglich auf die Durchführung der Test- und Messverfahren beschränkt zu haben. An ihrer Verurteilung änderte dies nichts: Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass die Werbung in diesem Falle irreführend sei, weil sie nach dem eindeutigen Wortlaut des Inserats dem Leser Beratungsleistungen in Aussicht stelle.
Zur Verurteilung hatte sicher auch die Tatsache beigetragen, dass die Apothekerin ganzseitige Werbeanzeigen geschaltet hatte – dennoch: Das Bußgeld ausgerechnet auf die unzulässige Ausübung von Heilkunde zu stützen, erscheint insbesondere angesichts der Rechtsprechung des BVerfG und anderer Gerichte nicht überzeugend. Es dient wohl nicht der Sicherung der Volksgesundheit, wenn der Apotheker gezwungen wird, dem Kunden die Ergebnisse wortlos zu übergeben oder ihm zu raten, die Zahlen selbst zu interpretieren oder zur Interpretation einen Arzt aufzusuchen (wofür der Kunde zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anlass hat).
Falls der Apotheker jedoch – beispielsweise aufgrund der Praxis seiner Kammer – eine derart restriktive Auslegung befürchten muss, könnte sich hier folgender Ausweg anbieten: Der Apotheker sollte klarstellen, dass er sich auf die Messung beschränkt, allenfalls den Vergleich mit Normalwerten vornimmt. Er kann dem Kunden dann ohne Nennung konkreter Krankheiten mitteilen, dass seine Werte "auffällig" sind; zumindest in diesem Falle wird es auch bei sehr restriktiver Interpretation schwer fallen, den Rat, einen Arzt aufzusuchen, als unzulässige Ausübung der Heilkunde zu rügen.
Der Apotheker als Heilpraktiker
Falls der Apotheker nicht darauf verzichten will, Krankheiten oder Körperbeschwerden bei seinen Kunden festzustellen oder zu heilen, kann er den Erwerb einer Heilpraktikerzulassung in Erwägung ziehen. Hierbei hat der Apotheker Folgendes zu bedenken:
Der Apotheker benötigt die formale Heilpraktiker-Zulassung gemäß §1 HPG i.V.m. der Durchführungsverordnung. Nach § 2 der Durchführungsverordnung muss der Antragsteller folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Vollendung des 25. Lebensjahres,
- abgeschlossene Volksschulbildung,
- ausreichende Zuverlässigkeit,
- keine Beeinträchtigung der für die Berufsausübung erforderlichen Eignung durch körperliche Leiden, Schwäche der geistigen oder körperlichen Kräfte oder Sucht,
- Zulassungs-Überprüfung durch das Gesundheitsamt, die bestätigt, dass durch die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit nicht besteht.
Eine früher bestehende, weitere Voraussetzung, dass nämlich neben der Heilkunde kein anderer Beruf ausgeübt wird, wurde nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes gestrichen.
Die meisten der genannten Voraussetzungen erfüllt der Apotheker ohnehin. Auch über das für die Zulassungs-Überprüfung erforderliche medizinische Wissen dürfte er verfügen, möglicherweise muss es durch Kenntnisse im Berufs- und Behandlungsrecht ergänzt werden. Die Überprüfung besteht aus einem schriftlichen und aus einem mündlichen Teil vor dem Amtsarzt; dabei müssen meist auch praktische Fertigkeiten wie Blutdruckmessen, Abklopfen und Injektionen vorgeführt werden. Für die Prüfung fallen Verwaltungsgebühren in Höhe von ca. 500,– Euro an.
Neben dem Erwerb der Heilpraktiker-Zulassung müssen auch andere Vorkehrungen getroffen werden: Heilpraktiker- und Apothekenleistungen müssen erkennbar getrennt werden. Dies gilt bereits für die Buchführung, da beispielsweise die Leistungen des freien Berufes "Heilpraktiker" nicht der Mehrwertsteuer unterfallen. Auch auf die personelle Abgrenzung muss geachtet werden: Heilpraktikerleistungen dürfen nur vom Zulassungsinhaber persönlich erbracht werden – sie unterscheiden sich damit von der pharmazeutischen Beratung, die der Apotheker auch an Apothekenmitarbeiter delegieren kann.
Zuletzt sei auch auf die räumliche Trennung hingewiesen: Gemäß § 4 Abs. 5 der Apothekenbetriebsordnung müssen die Betriebsräume der Apotheke von "anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen" durch Wände oder Türen abgetrennt sein. Der Apotheker muss sich also darauf einstellen, dass die zuständigen Behörden oder die Kammer von ihm verlangt, seine Heilpraktikertätigkeit nur in Räumen auszuüben, die von der Apotheke getrennt sind. Teilweise wird es auch als unzulässig angesehen, in der Apotheke Hinweise auf die anderweitige Tätigkeit als Heilpraktiker anzubringen.
Führen kostenlose Gesundheitsleistungen zum Kaufzwang?
Nicht nur die Abgrenzung zum Heilberuf ist oft problematisch, sondern vor allem auch die Frage, ob und – wenn ja – welche Gegenleistungen vom Kunden für die Bestimmung der physiologisch-chemischen Werte zu verlangen sind. In Fällen, in denen der Apotheker ein zu geringes oder gar kein Entgelt für seine Leistungen verlangt hatte, wurde ihm oft wettbewerbswidriges Verhalten vorgeworfen.
Die frühere Rechtsprechung sah die Wettbewerbswidrigkeit darin begründet, dass die angesprochenen Kunden durch kostenlose Dienstleistungen in eine psychologische Zwangslage geraten könnten, wenn sie es als unanständig oder jedenfalls als peinlich empfinden, nach Inanspruchnahme der Leistungen nichts zu kaufen. Eine solche Zwangssituation drohe vor allem dann, wenn die entsprechende Messung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kunden erfordert.
So hatte beispielsweise das Landgericht Magdeburg mit Urteil vom 10. Oktober 1997 entschieden, dass ein Apotheker sich wettbewerbswidrig verhalte, wenn er seinen Kunden die Möglichkeit einer kostenlosen Venenmessung bietet. Begründung: "Der Kunde, der eine solche kostenlose Dienstleistung in Anspruch nimmt, wird sich häufig veranlasst fühlen, anstandshalber in der Apotheke zumindest eine Kleinigkeit zu kaufen, obgleich er einen solchen Kauf normalerweise nicht oder jedenfalls nicht in dieser Apotheke getätigt hätte".
Neben dem Gesichtspunkt des "psychologischen Kaufzwangs" wird in solchen Fallkonstellationen manchmal auch wettbewerbswidriges "übertriebenes Anlocken" diskutiert; übertriebenes Anlocken kann dann vorliegen, wenn die Kunden dadurch von einer sachgerechten Prüfung von Konkurrenzangeboten abgehalten werden, dass sie durch eine kostengünstige – womöglich sogar zeitlich begrenzte – Gelegenheit "magnetisch" zum Geschäft des Werbenden hingezogen werden, um die Zuwendung zu erhalten.
Neuere Rechtsprechung: der aufgeklärte Kunde
Derzeit scheint sich bei den Gerichten die Ansicht durchzusetzen, dass die Kunden mittlerweile aufgeklärter sind und ein psychologischer Kaufzwang nicht mehr ohne weiteres durch die Erbringung kostenloser Serviceleistungen erzeugt werden kann. Insbesondere nach dem Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung ist inzwischen davon auszugehen, dass der Kunde eher als früher an kostenlose Angebote gewohnt ist und in der Lage ist, die Vorteile solcher Angebote vernünftig abwzuwägen.
Zunächst hatte das Landgericht Lübeck mit Urteil vom 13. März 2001 das Angebot einer kostenlosen Venenmessung in der Apotheke für zulässig gehalten. In der Berufungsinstanz hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 28. August 2001 dieses Urteil bestätigt. Die Gerichte gingen davon aus, dass bei der Prüfung einer möglichen Wettbewerbwidrigkeit von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher auszugehen sei, der aufgrund ausreichender Informationen in der Lage ist, seine Entscheidung auf dem Markt frei zu treffen.
Selbst wenn die konkrete Dienstleistung etwas Neuartiges darstellen sollte, sei der Durchschnittsverbraucher durch ähnliche kostenlose Angebote wie Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckermessungen daran gewöhnt, solche Leistungen entgegen zu nehmen, ohne dass er sich durch den Kauf irgendeines Artikels erkenntlich zeigen müsse. Dies gelte auch – so die Gerichte – für die von Venenbeschwerden überwiegend betroffenen älteren Menschen.
Wettbewerbsrelevante Vorschriften der Berufsordnungen
In zahlreichen Berufsordnungen finden sich Vorschriften, wonach insbesondere die kostenlose Durchführung von derartigen Messungen verboten ist. Beispielsweise sei Ziffer II. Nr. 8 der Werberichtlinien zur Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker Bayerns genannt, wonach "eine Werbung für kostenlose Durchführung von Blutdruckmessungen und von physiologisch-chemischen Bestimmungen" unzulässig ist.
Aus dem Wortlaut einer solchen Vorschrift sollte der Apotheker nun nicht schließen, dass nur die Werbung mit diesem Service als wettbewerbswidrig angesehen wird, die Durchführung der kostenlosen Untersuchung dagegen erlaubt ist: Oft wird bereits das (nicht weiter beworbene) Durchführen der kostenlosen Untersuchung gerügt, mit dem Hinweis, ein Werbeeffekt stelle sich auch ohne gezielte Werbemaßnahmen ein. Andere Berufsordnungen sind hier deutlicher: Die Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg verbietet in § 8 Nr. 9 das "kostenlose Durchführen von Untersuchungen" als grundsätzlich unzulässige Wettbewerbshandlung.
In manchen anderen Berufsordnungen ist ein ausdrückliches Verbot zwar nicht zu finden, dies bedeutet aber nicht automatisch, dass dem Apotheker dann das Bewerben bzw. kostenlose Erbringen solcher Dienstleistungen erlaubt ist: Jede Berufsordnung enthält eine Generalklausel, nach der wettbewerbswidriges Verhalten untersagt ist. Auch wenn in der beispielhaften Aufzählung möglicher Wettbewerbsverstöße die kostenlose Dienstleistungserbringung nicht erwähnt ist, besteht trotzdem die Möglichkeit, insbesondere angesichts der Praxis anderer Apothekerkammern solche Angebote oder die Werbung hiermit unter Berufung auf die Generalklausel als wettbewerbswidrig zu rügen.
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten liberalen Tendenz der Rechtsprechung kann man davon ausgehen, dass einschlägige Regelungen in den Berufsordnungen sich derzeit auf dem Prüfstand befinden. Insbesondere im Hinblick auf das Anfang 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz besteht ohnehin noch bei etlichen Berufsordnungen Anpassungsbedarf, sodass bei einer Änderung der Berufsordnung auch die Regelungen zu den "kostenlosen Dienstleistungen" neu gefasst werden könnten.
Es kann sich also durchaus lohnen, sich mit der Kammer in Verbindung zu setzen – eine neue Regelung könnte bereits in Planung sein, möglicherweise werden schon jetzt Entscheidungen nach neuen Kriterien getroffen. Vor einem eigenmächtigen "Vorgriff" auf mögliche Änderungen der Berufsordnungen sei jedoch gewarnt: Solange eine Änderung nicht in Kraft getreten ist, können sich Kammern, Wettbewerber und Gerichte auf das alte Recht berufen.
Was kann der Apotheker tun?
Jeder Apotheker sollte sich anhand seiner Kundenstruktur die Frage stellen, ob ein Bedürfnis für medizinische Dienstleistungen oder die Bestimmungen physiologisch-chemischer Werte besteht. Wie einige Urteile zeigen, ist der Apotheker nicht beschränkt auf bereits vorhandene und praktizierte Serviceleistungen – er kann durchaus auch neue Serviceleistungen einführen.
In jedem Fall sollte sich der Apotheker die Frage stellen, in welcher Weise die Ergebnisse von Untersuchungen und Messungen mit dem Patienten besprochen werden können. Während es Gesundheitschecks gibt, deren Ergebnisse für den Patienten weitgehend selbsterklärend sind, werden andere Messungen den Apotheker eher in Gefahr bringen, unzulässigerweise Diagnosen zu stellen oder gar Therapieempfehlungen abzugeben. Der Hinweis, dass nur eine Untersuchung durch den Arzt zuverlässig einen krankhaften Befund ausschließen kann, kann zur Klarstellung beitragen.
Um falschen Vorstellungen vorzubeugen sollte der Apotheker bereits im Rahmen seiner Werbung auf Begriffe wie "Früherkennung" oder "Vorsorgeuntersuchung" verzichten, da sie eine Diagnosestellung suggerieren; man sollte hier eher die eigentliche Leistung mit dem Hinweis auf die "Messung" oder "Bestimmung" in den Vordergrund stellen. Will der Apotheker Diagnosen und Empfehlungen aussprechen, so sollte er ohnehin überlegen, die Heilpraktiker-Zulassung zu erwerben.
Sinnvoll kann es auch sein, wenn sich der Apotheker mit Ärzten oder Heilpraktikern in seinem Einzugsgebiet ins Benehmen setzt. Bereits auf dieser Ebene kann Missverständnissen vorgebeugt werden. Soweit eine noch engere Zusammenarbeit mit Ärzten gesucht wird, sollten Arzt und Apotheker auch auf die Möglichkeiten der Integrierten Versorgung achten, die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz erweitert wurden.
Um dem Vorwurf aus dem Weg zu gehen, er würde kostenlose Dienstleistungen erbringen, kann der Apotheker vom Kunden eine geringe Schutzgebühr verlangen. Der Apotheker kann sich hier an dem Selbstkostenpreis der jeweiligen Leistung orientieren; wo geringwertige Geschenke des Apothekers üblich sind, sollte es auch zulässig sein, die Schutzgebühr noch unterhalb des Selbstkostenpreises anzusiedeln.
Letztendlich tendieren die Gerichte dazu, dem Apotheker zunehmend größere Gestaltungsmöglichkeiten beim Angebot von Gesundheitsdienstleistungen einzuräumen. Als Bestandteil einer Akquisitions- und Kundenbindungsstrategie sollten Serviceangebote jedenfalls nicht vernachlässigt werden.
"Osteoporose-Früherkennung"
Auszüge aus der Begründung des Urteils des OLG Düsseldorf vom 19. Februar 2002, Aktenzeichen 20 U 127/01
"Hierbei ist ... zu Recht unstreitig, dass es einem Apotheker nicht verwehrt werden kann, in seiner Apotheke Messungen der Knochendichte vorzunehmen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach es mit Artikel 12 Abs.I GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn bei wörtlicher Auslegung des § 1 HeilprG zahlreiche heilkundliche Verrichtungen mehr handwerklicher oder technischer Art unter das prinzipielle Ausübungsverbot fielen. Zu solchen Verrichtungen zählt – ebenso wie zum Beispiel d33as Blutdruckmessen und der Blutzuckertest – auch die Knochendichtemessung eines Apothekers...
Die danach erlaubnisfreie Zulässigkeit der Knochendichtemessung umfasst auch die Mitteilung des Messergebnisses. Ohne eine solche Mitteilung an den Kunden wäre die Messung nahezu ohne Sinn, mithin ihre Vornahme praktisch doch verboten. Die ... angesprochenen Personen wollen selbstverständlich vom Apotheker etwas über ihren Gesundheitszustand erfahren, wenn sie ihn zu einer Messung aufgesucht haben. ... Der Kunde erfährt also und darf es vom Apotheker auch erfahren, ob die bei ihm gemessene Knochendichte den Normalwert unterschreitet.
Eine diesbezügliche Information des Apothekers wäre nur bedenklich, wenn sie ihrerseits mit einer nicht nur geringen Wahrscheinlichkeit zu einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung führen könnte, etwa weil dem Kunden eine Unbedenklichkeit vermitteln würde, die das frühzeitige Erkennen der Osteoporose verzögern würde. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. ...
... Es sind liquide Gefährdungspotenziale bei der Messung oder der Vermittlung des Messergebnisses nicht ersichtlich. Liegt das Messergebnis im kritischen Bereich, erfolgt die Empfehlung der Beklagten an den Kunden, einen Arzt aufzusuchen. Liegt das Ergebnis im Normalbereich, erfährt der Kunde nur, dass bei ihm eine anormal verringerte Knochendichte nicht vorliegt. ...
... Maßgebend ist vielmehr, wie die angegriffene Werbung in Bezug auf die angekündigten Nebenleistungen eines Apothekers nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und aufgeklärten Durchschnittsverbrauchers auszulegen ist. Aus dessen Sicht wird eine umfassende Diagnosestellung aber nicht erwartet.
Allerdings bedeutet der Begriff der 'Früherkennung' in Verbindung mit der Nennung einer bestimmten Krankheit nach seinem reinen Wortsinn auch die an sich vom Arzt zu stellende Diagnose, ob die Krankheit akut oder wenigstens in einem Frühstadium vorhanden ist. 'Osteoporose-Früherkennung' umfasst insoweit Knochendichtemessung, Erhebung sonstiger Krankheitsrelevante Befunde, Auswertung der Ergebnisse und Beurteilung der Krankheit in einem Frühstadium bzw. definitiven Ausschluss der Erkrankung.
So gesehen enthält die Werbung des Beklagten bei isolierter Betrachtung des darin vorkommenden Begriffs der ,Osteoporose-Früherkennung' einen überschießenden Teil, der in die erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde hineinragt. Indes ist bei der Beurteilung des Verkehrsverständnisses das Umfeld der Werbung zu berücksichtigen. Hier ist namentlich von Bedeutung, dass sich das Leistungsspektrum der Apotheker in den letzten Jahren deutlich erweitert hat und der Verkehr daran gewöhnt ist, dass in einer Apotheke prophylaktische Messungen und Prüfungen durchgeführt werden, ohne dass die ärztliche Diagnose hierdurch ersetzt würde.
Demgemäß erwarten die angesprochenen Personen etwa von einer Blutdruckmessung des Apothekers nur, dass dieser Krankheitsindikator geprüft und ihnen bekannt gegeben werde, um gegebenenfalls aus eigenem Antrieb oder auf Anraten des Apothekers einen Arzt aufzusuchen. Die Messtätigkeit des Apothekers wird insoweit dem Vorfeld eines Arztbesuchs zugeordnet.
Mit dieser Erfahrung und Einschätzung zu der Rolle des Apothekers bei der Krankheitsverhütung deutet der aufgeklärte Kunde auch die Werbung des Beklagten, was ihm einen Verständnisvorsprung bei der richtigen Einordnung verschafft. Obwohl von ,Osteoporose-Früherkennung' die Rede ist, erwartet er mithin nicht eine dem Arztbesuch gleichwertige Prüfung und Diagnose sondern eine Befunderhebung unterhalb dieser Schwelle, auch weil er weiß, dass die ärztliche Früherkennung einer Krankheit regelmäßig die umfassende Befundung aller einschlägigen und nicht nur eines einzelnen Indikators zum Gegenstand hat. ...
Demgemäß wird schon der Begriff der 'Osteoporose-Früherkennung' vom angesprochenen Publikum eher als Motto einer Aktion oder Gesundheitskampagne wahrgenommen oder verstanden, wie sie etwa u. a. auch von den Krankenkassen veranstaltet wird. In dieser Einschätzung wird der Kunden bestätigt, indem direkt unter der Überschrift 'Osteoporose-Früherkennung' die Angabe 'wir messen ihre Knochendichte' folgt, womit genügend klar beschrieben wird, was in der Apotheke des Beklagten tatsächlich (nur) stattfinden soll."
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