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Arzneimittel und Therapie
Progressionsverzögerung ist ein Gewinn
Um einer bestimmten Erkrankung zu mehr öffentlichem Interesse und gesellschaftlicher Toleranz zu verhelfen, ist es am besten, ein wirksames Medikament gegen sie in der Hand zu haben. Umso wichtiger ist es daher, die Wirkungen, welche die modernen Antidementiva besitzen, immer wieder deutlich zu machen.
Therapieziel: Symptome hinauszögern
Zu den Substanzen mit nachgewiesener antidementiver Wirksamkeit gehören zurzeit die Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®) sowie der NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor-Antagonist Memantin (Axura®, Ebixa®). Diese Substanzen haben eine krankheitsmodifizierende Wirkung. Ihr therapeutischer Nutzen besteht darin, dass sie das Fortschreiten der Krankheitssymptome verzögern können. Auch wenn diese Wirkungen nicht spektakulär sind, haben sie für Patienten wie Angehörige im praktischen Alltag enorme Bedeutung.
Für einen begrenzten Zeitraum kann damit die Lebensqualität der Patienten und ihre Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsaktivitäten erhalten werden. Vielen Patienten ist es so möglich, die weitere Lebensvorsorge noch rechtzeitig selbst in die Hand zu nehmen. Je früher die medikamentöse Therapie erfolgt, umso größer sind die Chancen, ein möglichst hohes Funktionsniveau des Patienten aufrechtzuerhalten.
Belegte Wirksamkeit
Das nicht nur weltweit am häufigsten eingesetzte, sondern auch das am besten untersuchte Antidementivum ist Donepezil. Die Substanz ist zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Wie Studienergebnisse belegen, kommt es unter der Anwendung von Donepezil zu einer Stabilisierung der Erkrankung. Die kognitive Leistung bleibt über den Zeitraum von einem Jahr erhalten. Eine erste Verschlechterung der Alltagskompetenz tritt gegenüber Nichtbehandlung erst fünf Monate später auf. Bei Patienten mit einer erst leichtgradigen Alzheimer-Demenz führt die Behandlung mit Donepezil sogar zu einem gegenüber Plazebo signifikanten Anstieg der kognitiven Leistung. Solche Ergebnisse lassen sich mit psychometrischen Testverfahren, z. B. dem weit verbreiteten MMST (Mini Mental Status Test), objektiv messen.
Therapeutischer Nutzen
Die Donepezil-Effekte haben auch ganz praktische Bedeutung, wie ebenfalls in Studien nachgewiesen werden konnte. So verringert sich der Pflegeaufwand pro Tag von 11,0 auf 9,9 Stunden. Eine dauerhafte Heimunterbringung – der größte Kostenfaktor im Demenz-Management – lässt sich um 20 Monate hinauszögern. Langzeitstudien zeigen, dass unter fortgesetzter Behandlung ein therapeutischer Gewinn erhalten bleibt, auch wenn nach rund zwölf Monaten eine allmähliche Symptomverschlechterung eintritt.
So sind antidementiv behandelte Patienten auch nach drei Jahren besser dran als unbehandelte Alzheimer-Kranke. Eine aktuelle Metaanalyse bestätigt und bestärkt die Belege für den klinischen Nutzen von Donepezil: Die zehn einbezogenen Studien zeigen konsistente Ergebnisse, nach denen im Vergleich zu Plazebo doppelt so viele Patienten eine klinisch relevante kognivitive Verbesserung erfahren.
Auch vorbehandelte Patienten profitieren
Die mit kontrollierten Studien nachgewiesene moderate Wirksamkeit des Acetylcholinesterase-Hemmers Donepezil wurde auch in einer aktuellen Anwendungsbeobachtung mit fast 900 leicht bis mittelschwer erkrankten Alzheimer-Patienten bestätigt. Es handelte sich größtenteils um vorbehandelte Patienten. Die meisten hatten zuvor Piracetam, Ginkgo-Präparate oder Memantin eingenommen. Die Medikationsumstellung bewirkte bei allen Patienten nach 14 Wochen im Durchschnitt eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten um 2,2 Punkte auf der 30-teiligen MMST-Skala.
45% der Patienten zeigten eine Verbesserung um mindestens 3 Punkte, 12% sogar einen Anstieg um mindestens 6 Punkte. Die globale Wirksamkeitsbeurteilung durch die behandelnden Ärzte fiel in 60% gut bis sehr gut aus. Zu rund 75% konstatierten die Ärzte eine Verbesserung der Lebensqualität ihrer Patienten. Diese Studie unter den Routinebedingungen des Praxisalltags dokumentierte auch die gute Verträglichkeit von Donepezil. Zu über 90% wurde sie mit gut bis sehr gut bezeichnet.
"Grauzone" MCI
Viele ältere Menschen klagen über Vergesslichkeit, ohne dass sonstige Beeinträchtigungen vorliegen. In testpsychologischen Untersuchungen finden sich tatsächlich unterdurchschnittliche Gedächtnisleistungen, während die sonstigen kognitiven Leistungen nicht wesentlich eingeschränkt sind und auch die Alltagsaktivitäten nicht behindert sind. Dieser mutmaßliche Übergangsbereich zwischen gesundem Altern und leichter kognitiver Störung wird als MCI – Mild Cognitive Impairment – bezeichnet. Die Betroffenen haben ein gegenüber normalen älteren Menschen erhöhtes Risiko, eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln (10 bis 15% vs. 1 bis 2% pro Jahr). Ob durch frühzeitigen Einsatz von Antidementiva ein Übergang vom MCI zur Demenz aufzuhalten ist, wird derzeit wissenschaftlich untersucht.
Quelle
Prof. Dr. Isabella Heuser, Berlin; Dr. Bernd Ibach, Regensburg; Prof. Dr. Alexander Kurz, München: Satellitensymposium:
„Demenz: Weiterdenken. Zeit gewinnen“ im Rahmen der Jahrestagung der Deut- schen Gesellschaft für Psychiatrie, Psycho- therapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 26. November 2004, veranstaltet von der Eisai GmbH, Frankfurt, und der Pfizer GmbH, Karlsruhe.
Ulrike Weber-Fina, Überlingen
Das passiert im Gehirn
Schon Jahrzehnte vor der Manifestation der Alzheimer-Demenz kommt es im Gehirn zu neuropathologischen Veränderungen. Dazu gehören die Bildung von Amyloidplaques auf den Nervenzellen und intrazellulär die Ansammlung von Neurofibrillenbündeln. Diese Prozesse führen letztlich zu einem Verlust von Synapsen und einem Untergang von Neuronen. Die Neurodegeneration betrifft frühzeitig cholinerge Hirnareale, in denen es dadurch zum Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin kommt, was zu den kognitiven Beeinträchtigungen führt. Diese Zusammenhänge führten zur Entwicklung der Acetylcholinesterase-Inhibitoren. Sie erhöhen die Konzentration des defizitären Neurotransmitters im synaptischen Spalt, indem sie das abbauende Enzym – die Acetylcholinesterase – hemmen.
Die Lawine rollt
Demenzzustände sind keine Folge des normalen Alterns, sondern die Abbildung eines pathologischen Prozesses. Dennoch ist das Alter der größte Risikofaktor. So beträgt die Demenz-Prävalenz um das 60. Lebensjahr ca. 1%. In der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen sind etwa 3% betroffen, und bei Menschen über 90 Jahren sind es über 35%. Aufgrund der demographischen Entwicklung gehen Prognosen für das Jahr 2030 von 2,5 Millionen Betroffenen in Deutschland aus. Gegenwärtig leiden epidemiologischen Studien zufolge bei uns 1 bis 1,5 Millionen Menschen an einer Demenz. Den größten Anteil daran hat mit rund zwei Dritteln die Demenz vom Alzheimer-Typ.
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