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- DAZ 2/2005
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Arzneimittel und Therapie
Die Darmflora aufrüsten
Alle heute international gebräuchlichen Probiotika-Definitionen stimmen darin überein, dass es sich bei Probiotika um lebende Mikroorganismen handelt, die dem Wirt einen wissenschaftlich belegten gesundheitlichen Nutzen bieten. Zwar können auch tote Zellen gesundheitsfördernde Effekte entfalten (z. B. bei Lactoseintoleranz), doch es entspricht sowohl dem allgemeinen Verbraucherverständnis als auch der Expertenauffassung, dass Probiotika-Präparate intestinal lebensfähige Zellkulturen in ausreichender Zahl enthalten müssen. Hierzu sind in der Regel besondere galenische Formulierungen notwendig.
Hohes Sicherheitsniveau
Die derzeit als Probiotika eingesetzten Mikroorganismen (siehe Kasten) gelten nach einhelliger Expertenmeinung pathologisch wie auch toxikologisch als sicher. Eine Hauptforderung des Konsensuspapiers ist, dass die für einen Stamm postulierten Gesundheitseffekte in randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien stets an einer ausreichenden Probandenzahl verifiziert wurden. Alle eingesetzten Kulturen müssen mit molekularbiologischen Methoden exakt identifizierbar sein, phänotypische Charakterisierungen gelten als obsolet.
Stammspezifische Aussagen
Da selbst eng verwandte Bakterienstämme ganz unterschiedliche physiologische Wirkungen entfalten können, lassen Studien nur Aussagen über den jeweiligen untersuchten Stamm zu. Doch welche Effekte ein Probiotikum in vivo letztlich entfaltet, hängt auch von Lebensgewohnheiten, Gesundheitszustand (insbesondere Immunstatus), Hygienestandard, Alter und Geschlecht des Wirts ab. Uneinheitliche Studienergebnisse dürfen deshalb nach Ansicht der Expertenrunde nicht automatisch als mangelnder Beweis für probiotische Effekte interpretiert werden. Vielmehr werden damit die Grenzen der Übertragbarkeit von Studienaussagen auf den praktischen Einsatz deutlich. Selbst Studien mit einem guten Design müssen daher oft die Frage offen lassen, wer unter welchen Bedingungen von einem bestimmten Probiotikum wirklich profitieren kann.
Wie wirken Probiotika?
Die meisten Effekte der Probiotika beruhen nach heutiger Erkenntnis auf einer Modulation der endogenen Darmflora und/oder Interaktionen mit immunkompetenten Darmzellen (gut associated lymphoid tissue = GALT). So können Probiotika z. B. Makrophagen aktivieren, die Antikörperproduktion und Freisetzung von Zytokinen (IFN-α, TNF-α und INF-γ) anregen und die Th1/Th2-Balance günstig beeinflussen. Von vielen Bakterienstämmen ist bekannt, dass sie der Kolonisation potenziell pathogener Keime entgegen wirken.
Postulierte Mechanismen dafür sind: Verdrängungswettbewerbe um Substrate und Rezeptoren auf der Darmmukosa, Senkung des intestinalen pH-Werts, Produktion bakterizider Substanzen (z. B. kurzkettige Fettsäuren, H2O2), Freisetzung GALT-protektiver Substanzen (z. B. Arginin, Glutamin). Außerdem wird manchen Bakterienkulturen die Fähigkeit zur Absorption und Metabolisierung pathogener Substanzen zugeschrieben.
Was ist bewiesen?
Die Linderung und Verkürzung Rotavirus-bedingter akuter Diarrhöen bei Kindern gilt heute als der am besten dokumentierte probiotische Effekt. Mehrere Studien haben diese Wirkung für verschiedene Bakterienkulturen nachgewiesen (z. B. LGG, L. casei, L. reuteri, Bifidobacterium animalis ssp. lactis u. a.). Dass Probiotika sowohl Häufigkeit als auch Dauer und Intensität Antibiotika-assoziierter Diarrhöen reduzieren können, ist inzwischen ebenfalls gut dokumentiert.
Manche Experten befürworten daher sogar die standardmäßige Gabe eines Probiotikums zur Antibiotikatherapie, wobei möglichst ein Einnahmeabstand von ca. zwei Stunden eingehalten werden sollte. Auch die Linderung einer Lactoseintoleranz durch Probiotika gilt inzwischen als gesichert. Dieser Effekt beruht in erster Linie darauf, dass die mikrobielle ß-Galactosidase die Laktosehydrolyse im Darm unterstützt.
Forschung auf Hochtouren
Bereits 2001 konnte eine finnische Studie zeigen, dass die Neurodermitis-Inzidenz bei atopisch gefährdeten zweijährigen Kindern um fast 50% sinkt, wenn ihre Mütter vier Wochen vor und sechs Monate nach der Geburt ein Lactobacillus-GG-Präparat eingenommen hatten. Nun hat die Follow-up-Untersuchung gezeigt, dass dieser präventive Effekt auch nach vier Jahren noch bestehen bleibt (Risikoreduktion -43%).
Inzwischen wurden in einzelnen Probandenkollektiven mit Probiotika auch schon positive Effekte bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, urogenitalen Infekten, Reisediarrhö oder Colon irritabile beobachtet. Darüber hinaus scheinen Probiotika auch zur Prävention von respiratorischen Infekten, Autoimmunerkrankungen, in der Darmkrebs- und Kariesprävention, bei Hypercholesterinämie und zur Optimierung der Mineralstoffresorption nützlich zu sein. Hier sind jedoch noch klinische Studien mit größeren Probandenzahlen notwendig, bevor klare Aussagen darüber gemacht werden können, ob bzw. welche dieser Probiotika-Effekte medizinisch auch wirklich nutzbar sind.
Quelle
Prof. Dr. Jürgen Schrezenmeir, Kiel; Prof. Dr. Phillipe Marteau, Paris; Prof. Dr. Bengt Björkstén, Stockholm; Prof. Dr. Jeremy Hamilton-Miller, Twickenham; Prof. Dr.
Marie-Christiane Moreau, Bois d’Arcy; Prof. Dr. Stephan C. Bischoff, Hannover; Prof. Dr. Walter P. Hammes, Stuttgart: Pressekonferenz „What makes a good Pro- biotic?“, Genval/Belgien, 22. Oktober 2004, veranstaltet von der Merck KGaA, Darmstadt.
Christiane Weber, Reutlingen
Probiotika
Probiotika sind definierte lebende Mikroorganismen, die in ausreichender Menge in aktiver Form in den Darm gelangen und dadurch positive gesundheitliche Wirkungen erzielen.
Als Probiotika werden eingesetzt:
Lactobacilli:
- L. acidophilus-Gruppe (L. acidophilus, L. crispatus, L. johnsonii, L. gasseri),
- L. casei-Gruppe (L. casei, L. rhamnosus (LGG)
- L. reuteri
- L. plantarum
Bifidobacteria:
- B. longum
- B. bifidum
- B. infantis
- B. animalis
- B. adolescentis
- B. breve
andere:
- Enterococcus faecalis, Enterococcus faecium
- Lactococcus lactis
- Streptococcus thermophilus
- Propionibacteria
- Escherichia coli
- Sporolactobac. inulinus
- Bacillus cereus
- Saccharomyces boulardii (reklassifiziert als Saccharomyces cerevisiae)
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