Wirtschaft

R. HerzogBeitragssatzsicherungs-Gesetz – Der A

Nach einigem Hin und Her sind die Eckpunkte für die kurzfristigen Sparmaßnahmen im Pharmabereich zum 1. Januar 2003 halbwegs klar. Soviel vorweg: Die Einbußen werden alles bisher da Gewesene in den Schatten stellen und nicht wenige Kolleginnen und Kollegen in ernste Bedrängnis bringen. Wie hoch die Verluste konkret sein werden, wer mehr und wer weniger betroffen sein wird, dies alles soll in diesem Beitrag anhand ausführlicher Prognoserechnungen dargestellt werden. Nicht unerwähnt soll weiterhin bleiben, dass der zweite Hauptverlierer der Staat selbst in Form von Steuer- und Beitragsausfällen sein wird. Ein nicht unerheblicher Teil der Verluste wird also schlicht nur umgeschichtet! Es soll somit niemand sagen können, man hätte dies alles nicht gewusst ...

Die Erträge der Apotheken kommen von mehreren Seiten unter Druck. Das Beitragssatzsicherungs-Gesetz (BSSichG) ist dabei ein zentraler Bestandteil. Nicht vergessen werden darf darüber, dass weiteres Ungemach droht bzw. bereits über den Berufsstand hereinbricht. Erwähnt seien an dieser Stelle der Preisrutsch im Aut-idem-Segment ("Kellertreppeneffekt"), die Probleme im Zusammenhang mit den Reimporten, die Ausweitung und Absenkung der Festbeträge (möglicherweise zukünftig sogar in den patentgeschützten Markt hinein), die fest eingeplante Positivliste und nicht zuletzt die Bedrohungen durch alternative Vertriebswege wie dem Versandhandel. Was die für Anfang 2004 angekündigte große Gesundheitsreform noch alles bringen wird, ist dabei völlig offen. Die Apothekerschaft befindet sich also in einem Mehrfronten-Krieg - wie die Geschichte lehrt, keine gute Ausgangslage. Welche Auswirkungen sind nun für die einzelne Apotheke zu erwarten?

Erhöhter Kassenrabatt

Am augenfälligsten ist die Erhöhung des Krankenkassen-Zwangsrabattes auf 10% für zulasten der GKV abgegebene Arzneimittel mit einem Preis von mehr als 54,80 Euro bis 820,22 Euro (= vorletzte Taxstufe, jeweils End-Abgabepreise mit Mehrwertsteuer). Bis 52,46 Euro bleibt es nun, entgegen erster Entwürfe, bei einem Rabatt von 6% auf den Abgabepreis. Im Übergangsbereich zur vorletzten Taxstufe (von 52,47 Euro bis 54,80 Euro) erfolgt die Erstattung eines Fixbetrages von 49,32 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Rabatt von 8% in diesem allerdings sehr schmalen und damit wirtschaftlich wenig bedeutsamen.

In der höchsten Taxstufe (AVP über 820,22 Euro) wird neuerdings ein Festabschlag von 82,02 Euro vorgenommen (das sind die 10% der vorletzten Taxstufe), doch was darüber hinaus geht, erhält wie bisher einen Abschlag von 6%. Im Vergleich zur bisherigen Situation bedeutet dies eine Kürzung des Rohertrages um 32,81 Euro brutto bzw. 28,28 Euro netto je Packung unabhängig vom Preis.

Um die Auswirkungen individuell quantifizieren zu können, ist es erforderlich, eine Vorstellung von der Packungswertverteilung und Absatzstruktur in der Apotheke zu haben. Erstaunlicherweise tun sich hier ganz erhebliche Erkenntnisdefizite auf. So gestattet kaum ein Warenwirtschaftssystem eine Auswertung "auf Knopfdruck", in welcher Preisklasse welche Umsätze realisiert werden - und das, obwohl an dieser Verteilung aufgrund der Ausgestaltung der Arzneimittelpreisverordnung das Wohl und Wehe der Apothekenrendite (und übrigens auch des Großhandels) hängt.

Verschiedenen Auswertungen zufolge werden in der vorletzten Taxstufe (von mehr als 54,80 Euro bis 820,22 Euro) oftmals ganz beachtliche 40% bis 45% des GKV-Umsatzes realisiert (die zahlreichen Innovationen lassen grüßen!), und damit etwa 30% vom Gesamtumsatz (Tipp: individuell prüfen!). Die Erhöhung des Kassenrabattes gegenüber dem vorherigen Stand beträgt 4 Prozentpunkte, vom Endverkaufspreis aus gerechnet. Bei einem betroffenen Umsatzanteil von 30% errechnet sich daraus ein absoluter Rohertragsverlust von

Apotheken-Umsatz p. a. x Umsatzanteil in % x 0,0004 [absolut in Euro] und ein Spannenverlust von Umsatzanteil in % x 0,0004 [in Prozentpunkten]

Im Beispiel wären das 1,2 Prozentpunkte, um die die Handelsspanne sinkt, entsprechend 15 600 Euro absolutem Ertragsrückgang für die statistische 1,3-Mio.-Euro-Apotheke.

Hinzu treten die Verluste in der höchsten Taxstufe, die durchschnittlich etwa 3% bis 5% vom Gesamtumsatz ausmacht. Pro Packung beträgt die Einbuße rund 28 Euro absolut; eine Durchschnittsapotheke mit rund 40 bis 50 Packungen pro Jahr in diesem Segment verliert damit noch vergleichsweise moderate 1000 Euro bis 1500 Euro Rohgewinn, entsprechend 0,1 bis 0,2 Prozentpunkten in der Gesamt-Handelsspanne. Der Übergangsbereich zur vorletzten Taxstufe, mit durchschnittlich 8% rabattiert, dürfte allenfalls eine ähnliche Größenordnung erreichen.

Fazit: Der erhöhte Kassenabschlag mindert die Handelsspannen für eine Durchschnittsapotheke um etwa 1,2 bis 1,5 Prozentpunkte, entsprechend einem Rohgewinnverlust von 15 000 Euro bis 20 000 Euro. Individuell kann die Lage deutlich anders aussehen. Die meisten Apotheken dürften hierdurch zwischen 1,0 bis 2,0 Prozentpunkte vom Nettoumsatz an Rohgewinn einbüßen. Barverkaufsorientierte Betriebe mit geringem Rezeptaufkommen können im Bereich der unteren Marke davonkommen, rezeptlastige Betriebe hingegen werden, insbesondere mit hoch verschreibenden Fachärzten in der Umgebung, am oberen Rand bluten müssen.

Großhandelsspannen-Kürzung

Ein Passus mit ganz besonderer Brisanz verbirgt sich hinter der Auflage, dass der Großhandel künftig 3,0% vom Umsatz mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln (Anderes bleibt offensichtlich außen vor) als Rabatt an die Apotheken weiterzuleiten hat. Im Gegenzug werden, so wie es momentan ausschaut, den Apotheken diese 3% direkt von der betreffenden Rezeptabrechnungssumme abgezogen. Im Gesetzentwurf steckt jedoch möglicherweise noch einiger Konfliktstoff bezüglich der Interpretation. Dort ist nämlich nur vom "Arzneimittelabgabepreis" die Rede. Es stellt sich die Frage, was damit gemeint ist - der Apothekenabgabepreis (Endpreis, wohl beabsichtigt) oder aber der niedrigere Abgabepreis des Großhandels.

Unsere Rechnungen beziehen sich auf den wahrscheinlicheren, schlechteren Fall. Sollte es besser kommen, könnten die Einbußen um rund 30% nach unten korrigiert werden - nämlich um die prozentuale Differenz aus Umsatz und Wareneinsatz (s. u.). Betroffen sind etwa 70% des Apothekenumsatzes (Abb. 1; betrachtet man nur den in diesem Segment weit überwiegenden GKV-Anteil, sind es noch etwa 65%).

In absoluten Zahlen: 2002 dürften dies etwa 21 Mrd. Euro sein, die unter die Rubrik Verordnung verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel fallen. Davon ist der Privatanteil, der nicht via GKV abgerechnet wird, abzuziehen (ca. 8 - 10%). Hieraus 3% macht die vieldiskutierte Summe von rund 550 bis 600 Mio. Euro ohne Mehrwertsteuer, mit Mehrwertsteuer rund 650 bis 700 Mio. Euro, um die die Krankenkassen effektiv entlastet werden. Diese Bruttosumme hat der Großhandel vorderhand zu erstatten. Der Anteil der Direktbestellungen bei den Herstellern ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Dort werden die 3% dann aufseiten des Pharmaunternehmens direkt an die Apotheke fällig, neben dem noch zu diskutierenden Herstellerabschlag in Höhe von 6%. Beides wird freilich der Apotheke von der Rezeptsumme vorweg abgezogen und sozusagen kreditiert.

Eine Stolperfalle bei allen Rechnungen: Die Rechnungen der Krankenkassen samt der anvisierten Einsparvolumina schließen die Mehrwertsteuer mit ein (sie bezahlen die Rezeptsummen abzüglich ihrer Abschläge, jedoch inklusive Mehrwertsteuer), aufseiten der Apotheken zählt hingegen unter dem Strich nur der Nettobetrag, sodass die Einsparbeträge auf Apothekenseite insoweit etwas vermindert ausfallen und der Staat schon einmal die Mehrwertsteuer auf die Kürzungsbeträge wieder einbüßt.

Was auf den ersten Blick relativ unverfänglich aussehen mag und der Apotheke sogar eine recht starke Stellung einräumt - es soll ja nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie der Großhandel getroffen werden -, entpuppt sich als Sprengsatz erster Güte für die Apotheke. Bei einem Umsatz von voraussichtlich etwa 19,5 Mrd. Euro in 2002 arbeitet der Großhandel mit einer Betriebshandelsspanne von durchschnittlich 12,8% (nach Angaben des Großhandelsverbandes PHAGRO, unter www.phagro.de). Eine Addition der Vor-Steuer-Gewinne der einzelnen Unternehmen lässt eine Größenordnung von etwa 200 bis 250 Mio. Euro in 2002 erwarten.

Mit anderen Worten: Der Großhandel kann rund 600 Mio. Euro nicht verkraften, ohne an der Rabattschraube bei den Apotheken zu drehen. Verzichten alle PHAGRO-Unternehmen zukünftig auf ihre gesamten Gewinne, müssten bereits etwa 60% bis 70% des besagten Abschlags an die Apotheken weitergegeben werden. Es wird eine interessante Frage der nächsten Wochen, wie hoch diese "Weitergabequote" schlussendlich an die einzelne Apotheke sein wird. Mit Sicherheit werden nicht alle Betriebe gleichermaßen gekürzt werden, schon allein wegen der unterschiedlichen Bezugsmengen und Verordnungsanteile am Umsatz.

Nun bezieht sich der Abschlag nicht auf den gesamten Warenbezugswert, sondern nur auf den GKV-Anteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel am Apothekenumsatz (= 65%). In erster Näherung dürfte dies auch der Anteil am Großhandelsbezug sein (er liegt in der Praxis oft höher, weil gerade viele OTC- und Freiwahlprodukte direkt und nicht über den Großhandel bezogen werden). Der 3%-Abschlag umfasst also diese 65% bis 70%, bezieht sich aber voraussichtlich auf den höheren Apothekenverkaufspreis. Oder anders ausgedrückt: Der Wareneinsatz - die relevante Bezugsgröße für Rabattverhandlungen der Apotheken mit ihren Lieferanten - macht nur etwa 70% dessen aus, wovon der Abschlag erhoben wird.

Wie hoch die Rabattkürzungen in Prozentpunkten und damit die Auswirkungen auf die Betriebshandelsspanne sein könnten, mag anhand folgender Formeln deutlich werden:

Drohende Rabattkürzung [%] = 0,0003% x Nettoumsatz p. a. ------------------------------------ x GKV-Umsatzanteil x Weitergabequote Gesamt-Großhandelsbezug

Drohender Spannenverlust [%] = 0,0003% x GKV-Umsatzanteil x Weitergabequote

Der Umsatzanteil ist das erwähnte, verschreibungspflichtige und via Großhandel bezogene GKV-Produktsegment und die Weitergabequote der Grad, mit dem die Großhandlungen ihre Belastung weitergeben - schlimmstenfalls zu 100%, individuell verschieden jedoch ggf. bedeutend weniger. Alle Werte sind direkt in Prozent einzusetzen. Der Großhandelsbezug ist der Umsatz mit allen Großhandlungen zusammen, es wird also ein Globalergebnis erhalten. Die Aufteilung in Haupt- und Nebenlieferanten ist eine nicht ganz einfache Angelegenheit für sich. Man denke nur an den Fall, dass ein Nebenlieferant schon heute fast keinen Rabatt gibt und folglich die 3% nicht durchreichen kann. Für den Apotheker vorderhand günstig, wird dieser Lieferant schnell seine Mindestumsätze hochsetzen, die dann wieder beim Hauptlieferanten fehlen, oder aber, sollte alles auf einen Großhandel konzentriert werden, hier zur (partiellen) Abzugsdurchreiche führen werden.

Mit Durchschnittsdaten von 65% betroffenem Umsatzanteil, einer Weitergabequote von 90% bei einer 1,3-Mio.-Euro-Apotheke mit 800 000 Euro Großhandelsbezug p. a. ergäbe sich eine objektiv angemessene Rabattkürzung um ca. 2,9 Prozentpunkte, die auf die Betriebshandelsspanne der Apotheke in Form einer Erhöhung des Wareneinsatzes durchschlagen würden. Unter dem Strich wären das im Beispiel knapp 1,8 Prozentpunkte, um die die Nettohandelsspanne (entsprechend dem Rohgewinnsatz) gemindert würde, oder als Absolutbetrag ca. 23 000 Euro Rohgewinnverlust. Der umsatzmäßig meist viel geringere und damit in erster Näherung vernachlässigbare Direkteinkauf kann daran nicht mehr viel ändern, zumal nicht klar ist, wie die Hersteller ihre Rabattpolitik neu ausrichten werden. Sollte der Abschlag tatsächlich "nur" vom Großhandelspreis berechnet werden, müssten die obigen Werte und Formeln um den Faktor (100 - Handelsspanne) / 100 korrigiert werden, d. h., die Verluste würden noch etwa 70% vom Gesagten betragen.

Eines wird zudem sehr deutlich: Nicht jede Apotheke sollte gleich betroffen sein. Solche mit geringem Rezeptanteil bzw. absolut hohen Umsätzen (z. B. Centerapotheken) sollten besser wegkommen als typische Ärztehausapotheken. Wir sehen, je nach individueller Lage, eine Spannbreite von etwa 1,0 bis knapp 2,5 Prozentpunkte Einbuße bei der Betriebshandelsspanne allein aufgrund der Durchreichung des verordneten Rabattabschlages seitens des Großhandels. Entscheidend wird in praxi aber das jeweilige Verhandlungsgeschick der Kolleginnen und Kollegen sein, welches darüber befindet, wie hoch der Rabattverlust tatsächlich ausfallen wird.

Doch die Kette der Folgewirkungen ist damit noch nicht zu Ende. So ist z. B. die bisherige Bonus-Malus-Regelung zu hinterfragen, die seinerzeit auf der Basis einer "Sollspanne" von 15,57% festgelegt wurde. Im Bereich der höchsten Taxstufe ist sie bereits heute außer Kraft gesetzt worden. Zumindest die vorletzte Taxstufe ist hier zu untersuchen, angesichts des hohen Krankenkassenabschlages von 10% und einem Malus, der sich bereits ab etwa 94 Euro Apothekenverkaufspreis auf fast 4,9% (bezogen auf den Einkaufswert) beläuft. Zusammen mit einem gekürzten Großhandelsrabatt kann hier schnell die Situation auftreten, dass in diesem bedeutenden Umsatzsegment gar kein Nachlass mehr gewährt wird, was nebenbei das Argument der Politik, man wolle mit dem Abschlag die Apothekenrabatte abschöpfen, noch weiter ad absurdum führen würde. Objektive, ungeschminkte Aufklärung tut hier dringend Not!

Herstellerrabatte

Vorderhand an die Adresse der Industrie gerichtet, wird die undankbare Aufgabe des Eintreibens des 6%igen Herstellerrabattes (bezogen auf den Ex-Factory-Preis) auf die Apotheken abgewälzt. Das erinnert ein wenig an die undankbare Aufgabe der Tankstellen, die ja bei näherer Betrachtung fast nur die abzuführende Mineralölsteuer in ihrer Kasse sehen. Betroffen sind etwa 7,0 Mrd. Euro auf Basis der Herstellerabgabepreise, was einem Apothekenumsatz von etwa 12 Mrd. Euro netto (= 40% am Gesamtumsatz) entsprechen dürfte - nämlich alle Präparate zulasten der GKV, die nicht der Festbetrags- oder Aut-idem-Regelung unterliegen.

Bedenklich sind, neben dem Liquiditätsverlust (s. u.) und dem ordnungspolitischen Ansatz, vor allem der zusätzliche Verwaltungsaufwand sowohl für Apotheken als auch Großhandel, um die Erstattungsansprüche nachzuweisen. Zudem besteht zumindest theoretisch ein Ausfallrisiko der Forderungen gegenüber dem Hersteller. Die Apotheken können jedoch mit ihrem Hauptlieferanten vereinbaren, dass dieser die Abrechnung mit der Pharmaindustrie vornimmt. Dieser Punkt, wer welche Daten wem zu liefern und vorzulegen hat, ist sicher noch einer der diffusesten Punkte in dem Vorschaltgesetz.

Insgesamt ist aber aufgrund des allseits steigenden Aufwandes zu befürchten, dass die Neigung der Großhändler groß sein wird, ihren Teil des Abschlages weitestgehend an die Apotheken weiterzureichen, und auch die Hersteller ihre Rabattpolitik überdenken werden. Die Apotheken werden in Form weiterer, unbezahlter Mehrarbeit sowie möglicherweise höherer Kosten für die entsprechenden EDV-Lösungen bluten, was im Moment schwer quantifizierbar ist.

Andererseits hat diese Lösung den Vorteil, dass sie für die Apotheken und Großhändler zwar Arbeit bedeutet, jedoch umsatzneutral abläuft. Würde der Preis auf Herstellerebene pauschal um die besagten 6% gesenkt, sähe die Situation so aus, dass die folgenden Handelsstufen ihre Zuschläge eben nur auf diesen ermäßigten Preis erheben könnten. Für ein 100-Euro-Präparat (Apotheken-Endpreis brutto vor Absenkung) wären das für die Apotheke immerhin 0,67 Euro Ertragsminderung und bei einem 250-Euro-Produkt 1,70 Euro - eben die 6%, zumindest in den prozentualen Aufschlagszonen der Arzneimittelpreisverordnung.

Die Renditesituation und die Liquiditätsbelastung

Gefürchtet ist weiterhin die zusätzliche Liquiditätsbelastung, die auf die Apotheke zukommen kann. Der worst-case, an einem Rezept mit 100 Euro Bruttorezeptwert (ein Präparat) und voll betroffen von allen Rabattstufen (verschreibungspflichtig, patentgeschützt, vorletzte Taxstufe, zuzahlungsfrei), sähe so aus: (s. Beispielrechnung 1)

Erzielter Rohgewinn: In Variante A (3% Abschlag vom Apothekenverkaufspreis) nach Erstattung aller Leistungen und Einkaufskonditionen zwischen 12,60 Euro und 17,60 Euro, entsprechend 16,2% bis 22,7% Nettospanne. Im günstigeren Fall - der Großhandelsabschlag wird nur auf der Apothekeneinkaufspreisseite wirksam, das würde den Abschlag von 3,00 Euro auf 1,99 Euro (3% aus 66,32 Euro AEK) reduzieren - und besten Bezugskonditionen wären rund 18,60 Euro entsprechend 24,0% erzielbar. Der zusätzliche Euro Rohgewinn resultiert daraus, dass der Großhandel seinerseits seine Rabattkonditionen um etwa diesen Betrag nicht kürzen müsste. Der in der Realität wahrscheinlichste Spannenbereich, in den die meisten Kollegen fallen würden (die Bezugskonditionen streuen bekanntlich), dürfte etwa in der Mitte liegen, sprich bei rund 20%.

Alles in allem sind diese Spannen Beinahewerte aus dem Lebensmittel- und Drogeriemarktbereich. Sie rangieren weit unterhalb der Erträge anderer Facheinzelhandelsgeschäfte. Ob damit die besondere Verantwortung und die zahlreichen Reglementierungen der Apotheke angemessen kompensiert sind, ist eine ernsthafte Diskussion wert, bei einem Gesamtkostensatz, der häufig über 20% vom Nettoumsatz, nur bei sehr rationell geführten Betrieben knapp unter dieser Marke rangiert (ohne die Unternehmerhonorierung, wohlgemerkt!). Bisher ging das nur über Mischkalkulationen gut, denen jetzt jedoch mehr und mehr der Boden entzogen wird.

Zudem: Der Kassenabschlag (10,00 Euro brutto, 8,65 Euro effektiv netto) übersteigt den in der Praxis selbst heute noch zu erzielenden Großhandelsrabatt bei weitem (es müssten ziemlich exakt 13,0% Nachlass erzielt werden, um den Kassenabschlag zu kompensieren! Das erreicht, betrachtet man die tatsächlich erzielten Gesamtrabatte "über alles" beim jeweiligen Grossisten, keine Apotheke!). Von der Lage nach den Kürzungen gar nicht zu reden ...

Letztlich tritt hier die Apotheke mit 6,55 Euro in Vorleistung. Der Herstellerrabatt muss der Apotheke binnen 10 Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs erstattet werden, für den 3%igen Großhandelsabschlag werden keine Fristen genannt. Letzterer dürfte über pauschale Rabattvereinbarungen über die Monatsrechnung ausgeglichen werden. Der best-case im GKV-Bereich, ein Rezept mit einer Position, angenommenen 20 Euro Bruttowert und am wenigsten betroffen von den verschiedenen Rabattstufen (d. h., nicht verschreibungspflichtig, Festbetrag, "nur" 6% Kassenrabatt, zuzahlungsfrei), stellt sich wie folgt dar: (s. Beispielrechnung 2)

Rohgewinn: Hier zwischen rund 4,90 Euro und 5,70 Euro, das sind zwischen 30% und 35% Nettospanne. Doch selbst der 6%ige Kassenabschlag (1,20 Euro abzügl. MwSt. = 1,03 Euro netto) schöpft selbst dort sogar sehr gute Rabatte der Apotheke weitestgehend ab!

Wie sieht nun, zwischen solchen Extremen, die gesamthafte, zusätzliche Liquiditätsbelastung einer durchschnittlichen Apotheke durch das "Vorschaltgesetz" voraussichtlich aus? Hier sind wir auf Vorausschauen und zahlreiche Annahmen angewiesen. Eine Überschlagsbetrachtung für die Durchschnittsapotheke geht davon aus, dass

  • rund 75 000 Euro Kassenumsatz netto pro Monat anfallen,
  • etwa 50% bis 60% an diesem GKV-Umsatz von 6% Herstellerrabatt und 3% Großhandelsabschlag betroffen sind (das lässt sich aus der gegenwärtigen Umsatzstruktur abschätzen), macht summa summarum rund 6% bis 7% von der Bruttorezeptsumme - der Herstellerrabatt bezieht sich ja nur auf den wesentlich niedrigeren Herstellerpreis,
  • zusätzlich rund 30% (rezeptpflichtig, jedoch Festbetrag bzw. Aut-idem) lediglich den 3%-GH-Abschlag von 3% erhalten,
  • eine Vorfinanzierungszeit von etwa 30 Tagen besteht (Zeit von GKV-Erstattung mit Abschlag etwa um den 10. des Monats bis zum Ausgleich durch nächste Großhandelsrechnung, 10-Tages-Frist der Hersteller ab Geltendmachung des Anspruchs, sprich Einreichung und Verarbeitung im Rechenzentrum mit den jeweiligen Turni). Diese Zeit ist mit großen Unsicherheiten behaftet, da wir die genauen Abwicklungsmodi noch nicht kennen ...

    Unter diesen Annahmen müssen Sie mit einem zusätzlichen Liquiditätsbedarf in Höhe von etwa 3000 bis 4000 Euro rechnen, der binnen dieser 30 Tage aufläuft. Sollten die Hersteller die Zahlungen verweigern oder herauszögern, erwächst daraus ein Risiko von maximal rund 1500 Euro für jeden Monat Verzögerung. Nach diesen Prognosen sollte eine Durchschnittsapotheke zusätzlich etwa 5000 Euro kurzfristige Liquidität einplanen, um alleine gegen diese Abrechnungskuriositäten gewappnet zu sein. Stark GKV-lastige Ärztehausapotheken sollten einen weiteren Zuschlag einkalkulieren.

    Doch aufgepasst: Der Liquiditätsbedarf kann noch weiter rasant ansteigen, wenn Sie Ihr privates Entnahmeverhalten nicht anpassen und die Kostensituation nicht im Griff haben! Schließlich sinken die Rohgewinne erheblich um 10% bis 20%.

    Schlussendliche Einkommensverluste

    Betrachten wir abschließend die Auswirkungen auf das Einkommen, sofern die Apotheken nicht energisch gegensteuern, um zumindest eine Teilkompensation zu erreichen. Hierfür haben wir vier Modellapotheken gewählt:

  • Die kleinere 0,75-Mio.-Euro-Apotheke mit etwa durchschnittlicher Kosten- und Warenabsatzstruktur,
  • die statistische 1,3-Mio.-Euro-Durchschnittsapotheke,
  • die 2,0-Mio.-Euro-Ärztehausapotheke,
  • die 1,75-Mio.-Euro-Centerapotheke.

    Die Berechnungen erfolgten mit dem vom Autor erstellten und publizierten Excel-Programm Apofix auf Basis branchenüblicher, verifizierter Betriebsdaten. Bei der "kleineren" Apotheke, die vor nicht allzu langer Zeit noch in etwa die typische Apotheke bildete, ist die Einkommenssituation schon heute grenzwertig und wird katastrophal enden. Bei den übrigen, hier dargestellten Betrieben, die aber allesamt in einer "nobleren Klasse" liegen, ist die Ertragslage heute sicher noch recht ordentlich. Dabei ist allerdings schon ein straffes Kostenmanagement unterstellt worden, mit effektiven Gesamtkosten jeweils unter 20% (bis auf die Centerapotheke, die das aufgrund hoher Raum-, Marketing- und Personalaufwendungen i. d. R. nicht schafft). Viele andere Betriebe erreichen diese Benchmark ebenfalls nicht und stehen daher erheblich schlechter. Umgekehrt haben die hier vorgestellten Apotheken nicht mehr allzu viel Rationalisierungspotenzial, können also die Einbußen nicht näherungsweise abfedern. Gerade die Ärztehausapotheke, früher der Traum vieler Kollegen, wird nach diesen Daten zum Albtraum, zumal hier oftmals sehr hohe Summen investiert werden mussten.

    Vergleichsweise gut hält sich aufgrund hoher Baranteile die Centerapotheke, selbst wenn sie ebenfalls bei weitem nicht ungeschoren davonkommt. Nebenbei: Einkommen- wie Gewerbesteuer gehen selbst im Fall der Centerapotheke um über 30% zurück. Bei der Durchschnittsapotheke gehen diese beiden Steuerarten auf weit weniger als die Hälfte zurück, im Falle der Ärztehaus- und kleineren Apotheke sogar auf beinahe Null - sofern kostenseits nicht dagegengesteuert wird!

    Sind diese Einkommen noch angemessen? In der Tat gibt es rentable Betriebe auch nach der Reform. Die große Masse muss sich jedoch an zivilen, bürgerlichen Einkünften messen lassen, und da ist ein Blick zu fachlich vergleichbaren Angestellteneinkommen angebracht. Ein Unternehmer sollte nicht nur ein Einkommen erwirtschaften können, welches einem fachlich vergleichbaren Angestellten entspricht, sondern darüber hinaus einen angemessenen Zuschlag für seinen Mehreinsatz sowie eine Risikoprämie für sein eingesetztes Kapital, welches bei Apotheken ja schnell hoch sechsstellige, manchmal sogar siebenstellige Dimensionen annimmt.

    Beim Blick auf die obigen Zahlen wird klar, dass ein Großteil der Apotheken diese Messlatte zukünftig nicht mehr erreichen wird. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die Apotheke vielfach zu einem Nebenerwerbsbetrieb herabgestuft wird, so wie wir das von anderen, noch inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften her kennen (man denke nur an die vielen Boutiquen und Modeläden).

    Die volkswirtschaftlichen Belastungen

    Volkswirtschaften arbeiten als kybernetisch vernetzte Systeme. Eingriffe auf einer Seite wirken sich an anderer, oft unerwarteter Stelle zum Teil überraschend stark aus. Diese Zusammenhänge werden leider bei vielen politischen Maßnahmen nicht in dem wünschenswerten Umfang gesehen. Versuchen wir einmal, die Auswirkungen des BSSichG gesamtwirtschaftlich zu quantifizieren. Alle diese Betrachtungen sind angesichts der Komplexität der Materie Näherungen, die Fehler im Bereich von 10% bis 20% aufweisen können, gleichwohl die entscheidenden Trends erkennen lassen.

    Schauen wir also auf die Folgen: Die Apotheken in Deutschland erwirtschaften rund 30 Mrd. Euro Umsatz und ziehen daraus einen Rohertrag von z. Z. noch etwa 9 Mrd. Euro. Aus diesen 9 Mrd. Euro werden rund 3,25 Mrd. Euro Löhne inklusive Sozialabgaben bezahlt, etwa 1,5 bis 2 Mrd. Euro Betriebs-Sachausgaben von Papier und Bleistiften bis hin zu Großinvestitionen in EDV und Einrichtungen, rund 500 bis 600 Mio. Euro an Mieten, und auch die Banken nehmen 300 bis 500 Mio. Euro an Zinsen jedes Jahr ein. Das Einkommen der Apotheker vor Steuer dürfte um oder etwas über 2,5 Mrd. Euro vor Steuern liegen, wovon der Finanzminister im Schnitt etwa 25% bis 30% an Einkommensteuer (Durchschnittssteuersatz, nicht Spitzensteuersatz!) vereinnahmen dürfte - mithin rund 600 bis 800 Mio. Euro p. a. Voraussichtlich werden von dem geplanten Einsparvolumen von rund 1,4 Mrd. Euro beinahe 1,0 Mrd. Euro fast ausschließlich rohgewinn- und damit direkt renditewirksam (das ist der entscheidende Punkt!) an den Apotheken hängenbleiben - mit folgenden Konsequenzen:

    Grenzvariante A: Die Apotheken reagieren nicht und stecken 1,0 Mrd. Euro Einkommensverluste vollständig weg. Folge: Rund 1,0 Mrd. Euro Gewinne fehlen, damit fallen die entsprechenden Steuern (Einkommen-, Gewerbesteuer) weg. Da die Gewinne "von oben herab" wegbrechen, ist nicht der Durchschnitts-, sondern der jeweilige, höhere Spitzensteuersatz im betroffenen Einkommenssegment zugrunde zu legen. Nehmen wir diesen mit vorsichtig 40% im Schnitt an, fehlen Herrn Eichel rund 400 Mio. Euro nächstes Jahr direkte Einkommensteuer und den Gemeinden steht nur eine geringere Gewerbesteuer (geschätzt: von bisher rund 1,0 Umsatz-% im Schnitt mindestens eine Halbierung des Volumens auf etwa 150 Mio. Euro) zu. Politik paradox: Weniger Gewerbesteuer führt zu geringeren Anrechnungsbeträgen bei den Betriebsausgaben sowie bei der Einkommensteuer, was den Bundeshaushalt wieder entlastet ...

    Einkommensverluste bedeuten Konsumverzicht sowie Verzicht auf Investitionen seitens der Unternehmer. Ein Großteil der verbleibenden, rund 600 Mio. Euro ausmachenden Nettoeinkommensverluste werden somit dem Wirtschaftskreislauf an vielen anderen Stellen wieder entzogen.

    Grenzvariante B: Die Apotheken reagieren im "American way" und betreiben ein radikales cost-cutting sowie "Hire-and-fire", sprich Personalabbau. Damit sichern sie sich ihre Einkommen nominal.

    Folge: Rund 1,0 Mrd. Euro werden an Personal und Lieferanten durchgereicht. Ein 20%iger Personalabbau - via Stundenkürzungen, Kündigungen, vorzeitigem Ruhestand - entlastet um etwa 650 Mio. Euro Personalkosten. Das bedeutet abzüglich des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung knapp 550 Mio. Euro Bruttolohnsumme. Die Sozialversicherung verliert von dieser Lohnsumme alleine über 40% von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, bzw. Beiträge müssen z. B. vom Arbeitsamt übernommen werden. Wir reden hier von Größenordnungen um 200 bis 250 Mio. Euro p. a. Weiterhin geht Lohnsteuer verlustig, vielleicht prozentual nicht ganz soviel wie bei den Apothekenleitern, doch Vorsicht: Viele Apothekenangestellte beziehen nur ein Zweiteinkommen zum Hauptfamilieneinkommen hinzu, damit greift auch hier die Progression schnell zu! Angenommene 25% der Bruttolohnsumme Lohnsteuerausfall addieren sich hier ebenfalls zu beachtlichen 125 bis 150 Mio. Euro.

    Bleibt ein Einsparbetrag von 350 Mio. Euro der Apotheken, der durch Sachkostenkürzungen, Aufschiebung von Investitionen usw. erbracht werden müsste. Einsparungen in dieser Größenordnung - statistisch rund 16 000 Euro je Apotheke - wären nur durch harte Einschnitte z. B. bei EDV-Lieferanten, Einrichtern, Zubehörlieferanten, möglicherweise auch Vermietern und Verpächtern erzielbar. Kleine, aber feine Branchen kämen damit ebenfalls ins Trudeln. Die Wirklichkeit wird, wie immer, irgendwo zwischen Variante A und B liegen. Hinzu tritt übrigens die Mehrwertsteuer. Rund 2% bis 3% werden die Apotheken alleine durch die höheren Abschläge an Umsatz einbüßen, macht bei 16% Mehrwertsteuer ebenfalls einen Betrag, der leicht um 100 Mio. Euro liegen wird.

    Beide Varianten bedeuten daher alleine schon direkte Ausfälle bei Steuern und Sozialabgaben von mehr als 500 Mio. Euro pro Jahr bei sehr vorsichtiger Annahme und werden damit schon mehr als 50% des Einsparvolumens bei den Apotheken aufzehren - ohne die strategischen Verluste weiter unten. Die Frage ist nur, wo die Verluste letztendlich überall noch ankommen werden - doch sie werden kommen so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Strategische Verluste

    1. Geschäftswerte der Apotheken Ein ganz dunkles Kapitel sind die Geschäftswerte der Apotheken. Lange vorbei die Zeiten, als der Apothekenverkauf das Ruhekissen für den Altinhaber darstellte. Der jetzige Kahlschlag bei den Renditen bedeutet vollends die Zäsur, wie Tabelle 3, gesamthaft für alle Apotheken Deutschlands, illustriert.

    Die Daten sind näherungsweise und orientieren sich an Praxiswerten, Angaben von Großhändlern sowie Einschätzungen von Fachleuten. Aufgeführt ist die ungefähre Häufigkeit der Apotheken in den einzelnen Umsatzklassen (Gesamtzahl: rund 21 500 Apotheken bundesweit). Die Prozentangaben vom Umsatz verstehen sich als Angaben für den eigentlichen Geschäftswert ohne Warenlager und ohne wertmäßig fassbare Sachwerte. Die minimale Zahl der Größtapotheken über 2,5 Mio. bleibt hier außen vor, selbst wenn sie ebenfalls deutlich leiden dürften. Die Schwelle der Verkäuflichkeit wird sich ganz deutlich über die 0,75-Mio.-Euro-Grenze verschieben. Unter 1,0 bis 1,25 Mio. Euro wird der Geschäftswert mindestens halbiert werden. Nur bei großen Objekten rechnen wir mit einem "milderen" Einbruch von vielleicht 30% bis 40%. Auch wenn dies alles grobe Näherungen sind, so zeigt sich doch die Dimension, die sich hier abzeichnet: Haben die heutigen deutschen Apotheken einen gesamthaften Geschäftswert von etwa 4 bis 5 Mrd. Euro, werden es nächstes Jahr vielleicht noch 2 bis 2,5 Mrd. Euro sein. Das sind Einbußen im Milliardenbereich, die wiederum erhebliche Steuerausfälle in hoch dreistelliger Millionenhöhe bei den Unternehmensverkäufen zur Folge haben werden. Nebenbei: So manch ein Immobilienwert dürfte in Folge ebenso unter die Räder kommen, wenn der Hauptmieter Apotheke nicht mehr ist ...

    2. Pharmastandort Deutschland Natürlich lässt sich trefflich darüber spekulieren, wie sich ein Industriezweig wie die Pharmaindustrie ob der Restriktionen von rund 400 Mio. Euro Zwangsabschlägen und der Aussicht auf weitere Preiskürzungen verhalten wird. Tatsache ist, dass sich diese einstmals weltführende Branche ("Apotheke der Welt") mit einem hohen, wertbringenden Exportanteil klar auf dem absteigenden Ast befindet - nach Produktionsvolumen (noch) nicht, im Hinblick auf die Forschung und die zukünftige Umsätze sichernde "Produktpipeline" schon seit längerem. Die langfristigen Auswirkungen addieren sich schnell zu volkswirtschaftlichen Milliardeneinbußen, sind die Betriebe erst einmal außer Landes getrieben und müssen Innovationen dann teuer importiert werden. In der Geschichte gibt e

  • 3. Sparen um jeden Preis? Nun dürfen wir bei einer seriösen Betrachtung die Gegenseite nicht vergessen. Schließlich tauchen die Einsparbeiträge ja an anderer Stelle wieder auf - wenngleich dividiert durch rund 51 Millionen Beitragszahler und zigtausende Arbeitgeber, die ebenfalls hälftig profitieren sollten. Das gesamte Einsparpaket aufseiten der Pharmazie macht hingegen nur wenig mehr als 1% der Gesamtausgaben der GKV aus, bzw. 0,1% bis weniger als 0,2% Beitragspunkte. Man kann wirklich sagen: Mit 5 Mark monatlich wäre bei Verzicht auf die Maßnahmen jeder locker dabei ...

    Ist es wirklich so einfach? Prinzipiell wirkt sich eine Belastung vieler mit geringen Beträgen volkswirtschaftlich weniger aus als eine existenzielle Bedrohung weniger, zumal wenn es sich um Schlüsselbranchen handelt, und zu denen gehört nun einmal das Gesundheitswesen. Auf diesem Ansatz basiert z. B. der gesamte Versicherungsgedanke. Umgekehrt kann dies kein Freifahrtschein für immer weiter ausufernde Kosten auf Kosten der Solidargemeinschaft sein.

    Kein Zweifel somit: Ohne sparsamen Umgang mit Ressourcen geht es nicht! Doch es gibt intelligentes und weniger intelligentes Sparen. Ein Beispiel: Wenn Sie soundsoviel Liter Benzin einsparen, dann machen die Tankstelle, die Mineralölhersteller und schlussendlich deren Lieferanten auch Verluste. Trotzdem ist dieses Sparen sinnvoll. Nicht nur, dass die schädlichen Umwelt- und Verkehrsfolgekosten gemindert werden - die Bürger haben mehr Geld in der Tasche, welches in die heimische Wirtschaft, vor allem aber zu einem guten Teil in hochwertigere, bessere, renditestarke und technologiefördernde Produkte fließt (man denke nur an die Konsumelektronik, Computer, Technik, hochwertige Gesundheitsprodukte usw.). Die Ersparnis für das relativ gering wertschöpfende Benzin ist zumindest anteilig in einen volkswirtschaftlich "höherwertigen" Umsatz getauscht worden!

    Nun mag man einwenden, wenn die Kassenbeiträge um zu hohe Arzneimittelausgaben entlastet werden, steht dieses Geld den Bürgern und Arbeitgebern ebenso zur Verfügung, zumindest summarisch, für den Einzelnen jedoch leider kaum spürbar (wenn es so wäre, leider fallen allenfalls die Beitragssteigerungsraten geringer aus). Doch wird hier eine hoch wertschöpfende Branche getroffen, die bereits heute kraft ihrer (in allerdings stark schwindendem Maße vorhandenen) Stärke hohe Steuern, Exporterfolge, wissenschaftliches Renommee und ganz nebenbei handfeste therapeutische Vorteile, verbesserte Lebensqualität und erhöhte Arbeitseffizienz bzw. reduzierte Krankheitstage verspricht. Wer hier an solchermaßen intelligenten Produkten (was Pharmaka ohne Zweifel sind) und ihrer Distribution Hand anlegt, sollte im Gegenzug sagen, gegen welche noch besseren, höher wertschöpfenden Umsätze er die zwangsweise weggekürzten Umsätze "tauschen" möchte. Benzin kann es nicht sein, und die Flasche Bier jeden Abend für den Durchschnittsbürger auch nicht, die er von den gesparten Beiträgen kaufen kann. Selbst wenn dafür ausschließlich High-Tech gekauft würde - der Tausch geht allenfalls 1:1 auf, um den Preis, dass ein anderer hoch wertschöpfender High-Tech-Zweig abbaut. Durch solch eine Politik kann eine Volkswirtschaft insgesamt nicht reicher werden!

    Es ist eines der Erfolgsgeheimnisse der amerikanischen Wirtschaft, dass hier den Hochtechnologie-Branchen - von Elektronik über Software bis hin zu Pharma und Biotech - freie Hand gelassen wurde, sich zu entfalten, ja manchmal viel zu viel dafür ausgegeben wurde, wie der Aufstieg und tiefe Fall der betreffenden Börsenkurse lehrt. Dennoch steht diese Volkswirtschaft weitaus robuster da - schon alleine wegen der durch diese liberale Politik ausgebauten weltweiten Technologieführerschaft.

    Die Umsatzdimension und mögliche Lichtblicke

    Die Apothekenumsätze selbst dürften durch die zusätzlichen Abschläge de facto um etwa 2% bis 3% im Schnitt sinken, zusätzlich zu den geschmälerten Rohgewinnsätzen. Andererseits: Jüngst forderte die Ärzteschaft satte 6 Mrd. Euro mehr Verordnungsvolumen! Auch wenn dies niemals genehmigt werden wird, so zeigt das doch, welcher Druck auf dem Kessel lastet, wie hoch die prinzipielle Nachfrage nach Pharmaka ist und die Notwendigkeit hochwertiger Arzneimitteltherapie auch seitens der Therapeuten gesehen wird. Wenn etwas hoffnungsfroh stimmen kann, dann diese Tatsache - dass wir nämlich kein Nachfrageproblem wie viele andere Branchen haben, sondern sogar einem Zuviel an Nachfrage gegenüberstehen, welche zumindest aus solidargemeinschaftlichen Mitteln gar nicht mehr finanzierbar ist. Es ist also zu erwarten, dass der Markt nach höheren Umsätzen drängen wird und die Politik weiter krampfhaft versuchen muss, mit aller Macht den Deckel darauf zu halten. Es wird also zu momentan nur schwer quantifizierbaren Überlagerungseffekten kommen.

    Prinzipiell bleibt festzuhalten, dass die Umsatzbasis - zumindest vorerst, solange nicht die Preisbasis z. B. durch drastische Zwangsabsenkungen im patentgeschützten Produkten erodiert - wenig gefährdet erscheint. Hingegen ist das momentane Hauptproblem die demnächst für viele Betriebe prekäre Renditesituation. Die Schwellenumsätze, ab der eine Apotheke ein leistungs- und risikoangemessenes Unternehmer-Einkommen erwirtschaften kann, verschieben sich stark nach oben und dürften zukünftig eher in der 1,5-Mio.-Euro-Klasse als nennenswert darunter liegen.

    Ein - durchaus zynischer - Nebeneffekt ist jedoch ebenfalls zu sehen: Inzwischen sind die Renditen so schmal, vor allem im hochpreisigen Bereich, dass es sich alternative Anbieter - von der Apothekenkette bis zur Versandapotheke - dreimal überlegen dürften, hier gegen eine allseits etablierte, wohnortnahe und servicestarke Vertriebsschiene anzutreten. Wir nähern uns mit großen Schritten der Talsohle, die z. B. durch Lebensmittel- und Drogeriefilialisten vorgegeben ist. Trotz hoher Umsätze wird hier - bei Spannen um oder knapp über 20% - kaum Geld verdient. Manch Apothekenspanne, z. B. in Ärztehäusern, wird sich zukünftig nur noch marginal von den Spannen dort unterscheiden. Von der Seite der prozentualen Distributionskosten ist also kaum mehr Luft vorhanden - egal, wer dann einsteigt. Dann bleibt nur der Griff nach den Herstellerkosten, wo in der Tat noch die höchsten Reserven zu schlummern scheinen. Hier kann sich eine bisher unterschätzte, wirklich nochmals existenzielle Bedrohung auftun: Hat die Apothekerschaft bisher in Form eines "Paternostereffektes" an der Strukturkomponente steigender Arzneimittelpreise ganz passabel mitverdient, wird sich dieser Effekt rapide in die Abwärtsrichtung wenden, sollte die Preisbasis zwangsweise erodieren (Aut-simile ist hier nur ein kleiner Vorgeschmack, der Blick auf das Preisniveau anderer europäischer Länder mag einen Ausblick geben ...). Mit der bisherigen Struktur der Preisbildung kann dies in ein wahres Fiasko führen.

    Die strenge Bindung des Ertrages an den Umsatz ist nunmehr in einer Art risikobehaftet, dass intelligentere, stärker leistungsorientierte Vergütungsmodelle kein Tabu mehr sein sollten. Hiermit wird in der Tat die Existenzgrundlage der Apotheke an sich berührt. Der Berufsstand ist somit gefordert, kreative Lösungen zu entwickeln, die einerseits die schwierige Situation der Sozialkassen berücksichtigen, andererseits aber den Mehrwert der etablierten Vertriebsschiene öffentlicher Apotheken untermauern und zudem einen Einstieg in eine besser honorierte, privat bezahlte Gesundheitsvorsorge ermöglichen - der Bedarf der Patienten ist erkennbar da!

    Größtes Risiko: die gesamtwirtschaftliche Lage

    Die momentan größte Gefahr besteht jedoch darin, dass wir mit dem durchaus denkbaren Abgleiten in eine ernste Rezession spätestens in einem Jahr vor Finanzproblemen noch ganz anderer Dimension stehen könnten, die teilweise irrationale Befreiungsschläge nach allen möglichen Richtungen hin erfordern werden - koste es dann, was es wolle. Es ist dann sogar nicht mehr auszuschließen, dass die Zahlungsmoral der Kassen infolge eigener Liquiditätsprobleme an sich nachlassen könnte, sprich es zu erheblichen Verzögerungen bei den Erstattungen kommt. Aus anderen südeuropäischen Ländern ist dies schon lange bekannt.

    Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung ist in der Vergangenheit meist unbeachtet geblieben ("krisensichere Gesundheitsbranche"), doch nun, da die Haushalte allerorten an ihre Grenzen stoßen, wird diese schöne Regel widerlegt. Die Budgets der Sozialkassen sind nur noch auf Kante genäht, ohne Reserven und zudem in steigendem Maße mit fachfremden Leistungen belastet. Jede kleine Abschwächung der Konjunktur schlägt damit voll durch. Nebenbei: Würden die Sozialkassen auch Einnahmen aus Kapitalvermögen vereinnahmen wollen, wie in manchen Planspielen angedacht - sie müssten sich auf noch viel stärkere Schwankungen und Verwerfungen einstellen, so wie es die Kapitalmärkte in jüngster Zeit eindrucksvoll vorgeführt haben ...

    Der Gesundheitsmarkt spürt damit erstmals in besonderer Deutlichkeit, wie auch er am Tropf der Gesamtwirtschaft hängt. Dies könnte sich langfristig noch wesentlich schmerzhafter darstellen, wenn es nicht gelingt, die momentane Abwärtsspirale, die neben politischen und demographischen zudem tiefer liegende, strukturelle Ursachen hat, nachhaltig zu durchbrechen. Alles in allem könnten diese Entwicklungen die Auswirkungen des "Vorschaltgesetzes" noch erheblich übertreffen.

    Die Devise heißt also: Bitte anschnallen und warm anziehen - mit dem Bewusstsein, in einem Markt tätig zu sein, der prinzipiell hohen Bedarf verheißt, aber unter strukturellen und regulatorischen Problemen an allen Ecken und Enden leidet. Doch zeigt sich hier nicht überdeutlich das allgemeine Kernproblem der "Deutschland AG"?

    Die von der Bundesregierung beschlossenen Sparmaßnahmen im Pharmabereich werden alles bisher da Gewesene in den Schatten stellen und nicht wenige Kolleginnen und Kollegen in Bedrängnis bringen. Wie hoch die Verluste konkret für einige verschiedene Apothekentypen sein werden, stellt dieser Beitrag in einem Szenario mit mehreren Varianten dar.

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