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Die Seite 3
Bundespräsident Rau hat noch vor Jahreswende unterzeichnet, das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) ist seit dem 1. Januar in Kraft. Am 20. Dezember hatte zunächst, wie erwartet, der Bundesrat mit seiner Mehrheit aus unionsgeführten Ländern das Gesetzesvorhaben abgelehnt. Ausgehend von der Annahme, das BSSichG bedürfe nicht der Zustimmung des Bundesrates, hatte der Bundestag noch am gleichen Tag mit seiner knappen rot-grünen Kanzlermehrheit das Vorhaben unverändert verabschiedet. Damit hat die rot-grüne Koalition im Hauruck-Verfahren ein Spargesetz durchgesetzt, das in mehrerlei Hinsicht "originell" ist:
1. Seine Maßlosigkeit. Das BSSichG beschert den Apotheken, wenige Monate nach der von Rot-grün knapp gewonnenen Bundestagswahl, durch eine Maßnahme des Gesetzgebers überfallartig Ertragsverluste in einer Dimension, die in der deutschen Wirtschaftsgeschichte wohl ohne Beispiel ist. Im Schnitt – mit Unterschieden bei verschiedenen Apothekentypen (siehe den Beitrag von Reinhard Herzog in dieser Ausgabe) – werden sich die zu versteuernden Einkommen halbieren. Die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen sind derzeit im Detail möglicherweise noch nicht absehbar; aber sicher ist: sie werden heftig sein. Anders als beim Abschlag der Pharmahersteller, sind die neuen Abschläge für Apotheken und Großhandlungen nicht befristet. Die Apotheken und der Großhandel werden sich – wenn alles so bliebe – also ganz neu aufstellen müssen. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung und die Patienten haben.
2. Seine ökonomische Unausgegorenheit. Bis heute gehen die Regierungsexperten – vorgegeben oder wirklich? – davon aus, dass die Apotheken insgesamt "nur" durch 350 Mio. Euro belastet würden; das seien nur 14% der Erträge (gut 16 TEuro je Durchschnittsapotheke). Der Großhandelsabschlag (3% des Apothekenabgabepreises, in der Summe 600 Mio. Euro), mit dem Rationalisierungserfolge des Großhandels "abgeschöpft" werden sollen, tangiere die Apotheken nicht – so der Arzt und Gesundheitsökonom Professor Lauterbach, der engste gesundheitspolitische Berater der Gesundheitsministerin, bei der Anhörung zum BSSichG. Der Großhandelsabschlag wird zwar nach dem Gesetz den Apotheken in Rechnung gestellt – die GKV kürzt die fälligen Monatsrechnungen der Apotheken um diese Beträge. Die Apotheke bekomme das Geld aber natürlich vom Großhandel zurück. Dafür sorge der Wettbewerb – meint Lauterbach.
Was der Gesundheitsökonom dabei übersieht: Neutral wäre der Großhandelsabschlag für die Apotheken nur, wenn der Großhandel den Apotheken zusätzlich zu den bisherigen Einkaufsvorteilen weitere 600 Mio. Euro an Einkaufsvorteilen zukommen ließe, die diese dann an die GKV weiterreichen würden. Dazu müssten die einer Apotheke gewährten Rabatte auf den regulären Großhandelsabgabepreis um gut 4%-Punkte erhöht werden (der 3%-Abschlag bezieht sich nach BMGS-Auffassung auf den Apothekenabgabepreis; 3% zu Apothekenabgabepreisen entsprechen gut 4% zu Großhandelsabgabepreisen). Eine solche Erhöhung der Rabatte zu erwarten, ist jedoch vollkommen unrealistisch. Bei einer Umsatzrendite des pharmazeutischen Großhandels von in der Regel 0,5% bis 1,5% können nicht zusätzliche Nachlässe in Höhe von gut 4% für die getätigten Umsätze ausgeschüttet werden – die Großhandlungen würden damit negative Ergebnisse von 3,5% bis 2,5% einfahren und damit sofort den Weg in die Insolvenz antreten. Dass Lauterbach gleichwohl davon ausgeht, die Apotheken würden durch den Großhandelsabschlag nicht belastet, wirft ein bezeichnendes Licht auf den ökonomischen Sachverstand des Chefberaters von Ulla Schmidt. Oder sollte er sich noch korrigieren wollen?
3. Seine juristische Skrupellosigkeit. Das BSSichG ist auf unsicherem Rechtsfundament in einer Weise durchgepaukt worden, die nachgerade als skrupellos bezeichnet werden muss. Nach Gutachten der Professoren Friauf, Köln, und Zuck, Stuttgart, gibt es sehr gute juristische Argumente, wonach das BSSichG der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte. Vor diesem Hintergrund darf unterstellt werden, dass die Bundestagsmehrheit am 20.12.2002 das BSSichG rechtswidrig verabschiedet hat. Es ist zu hoffen, dass dieser Tatbestand im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens aufgegriffen wird. Eine Initiative, die in diese Richtung zielt, ist auf den Weg gebracht.
Ebenso ist zu hoffen, dass der von der ABDA befürwortete und über Professor Zuck im Namen von rund 5000 Apotheken beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereichte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolgreich sein wird. Es ist zu erwarten, dass das BVerfG darüber noch im Januar oder Anfang Februar entscheiden wird. Juristische Initiativen gibt es auch von Großhandelsseite. Wie schon auf ihrer Generalversammlung Ende November angekündigt bereitet die NOWEDA eine Verfassungsbeschwerde vor; GEHE hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Das alles ändert zunächst einmal wenig. Das Gesetz greift. Und es läutet eine Zeitenwende ein. Darauf angemessen zu reagieren, wird nicht einfach sein. Aber was ist schon einfach in diesen Zeiten.
Klaus G. Brauer
Zeitenwende?
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