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Berichte
Hamburger Apothekerverein: Inhalte des AABG weiterhin offen
Nach Einschätzung von Graue ist der Hinweis auf die im ersten Halbjahr stark gestiegenen Arzneimittelausgaben ein Ablenkungsmanöver der Krankenkassen, um den Anstieg der eigenen Verwaltungskosten zu verschleiern. Bereits bis Ende Oktober relativierten sich die Daten, die Arzneimittelkosten seien in dieser Zeit bundesweit um 9% und in Hamburg nur um 4,4% gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Die Diskussion um die daraufhin geplanten Sparmaßnahmen ziehe sich allerdings schon recht lange hin, da die Ministerien sich anfangs nicht genug untereinander abgestimmt hätten. So werde die abschließende Beratung im Bundestag erst am 12. Dezember stattfinden. Im Januar oder Februar folge der Bundesrat, dann könne das Gesetz vermutlich am 1. März in Kraft treten.
Doch gehe es bei solchen GKV-Gesetzgebungsvorhaben, "die mit relativ einfachen Mittel einer klar definierten Gruppe von Betroffenen erhebliche Grausamkeiten zumuten", stets um die Geschwindigkeit des Vorgehens. Dauere das Verfahren lange, gäbe es zusätzliche Verhandlungsmöglichkeiten. So könne heute noch niemand vorhersagen, wie das Gesetz am Ende aussehen werde. Der Kampf um Inhalte, insbesondere um die Aut-idem-Regelung, beginne jetzt erst richtig, nachdem die Preissenkung für die Nicht-Festbetragsarzneimittel gegen eine Barzahlung der Industrie aufgehoben wurde.
Apotheken als ökonomische Verfügungsmasse
Graue sorgt sich besonders, dass die Achtung verloren gehe, die der Apothekerschaft über Jahrzehnte von allen Seiten entgegengebracht worden sei. Die Apotheker würden zur "Disponiermasse kurzsichtiger ökonomischer Entscheidungen". Die Apotheken würden als "reif" für eine strukturelle Reform angesehen - nach dem Motto: "Jetzt sind die mal dran."
Angeblich würden Großhandel und Apotheken dem solidarisch finanzierten System Rationalisierungsgewinne in Form von Rabatten entziehen, die sie wieder an die Krankenkassen zurückerstatten sollten. Doch seien diese Rabatte in der Arzneimittelpreisverordnung bewusst eingeplant worden, um die Rationalisierung anzustoßen. Angesichts des Degressionseffektes könnten viele Apotheken inzwischen nur noch Dank dieser Rabatte existieren.
Anstelle des bewährten Systems forderten die Krankenkassen den kontrollierten Arzneimittelversandhandel. Die Krankenkassen erwarteten, dass etwa 15% der Versicherten diesen neuen Vertriebsweg nutzen würden, was den Erfahrungen aus der Schweiz widerspreche. In dieser Diskussion seien den Krankenkassen, insbesondere in Hamburg, die Begriffe "von Recht und Ordnung einigermaßen in Verwirrung geraten". Neben dem gesetzlichen habe sich "ein zweites Recht gebildet, ein Recht der veröffentlichten Meinung und der Gewohnheit".
Da die Pläne zur Einführung des Versandhandels im Rahmen des Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetzes (AABG) nicht umgesetzt werden, dürften die interessierten Politiker künftig versuchen, im Apothekengesetz, in der Apothekenbetriebsordnung und im Heilmittelwerbegesetz entsprechende Rahmenbedingungen zu etablieren. Hier werde erheblicher Widerstand zu leisten sein.
Aut idem wird teuer
Die geplante Aut-idem-Regelung bringe den Apotheken keine großen Vorteile durch die oft unterstellten Einkaufsrabatte. Die Abgabe billigerer Generika vermindere den Rohertrag um 20%. Um dies auszugleichen, müsste die Industrie zusätzliche Rabatte von 35% auf die Einkaufspreise gewähren. Dies sei aber vollkommen unrealistisch, weil nach Absenkung der Preise in das untere Drittel hierfür keinen Spielraum mehr bestehe. Angesichts der zu erwarteten Einbußen hege er sogar Zweifel, "ob der viel gepriesene Gewinn an Kompetenz dieses zusätzliche Opfer lohnt", zumal das Einsparpotential nur fiktiv sei.
Allerdings sei ihm das "Lamento der Ärzte" wenig einsichtig, dass allein die Auswahl durch die Ärzte der Therapiefreiheit und dem Patientenschutz diene. Denn durch das geplante Gesetz werde ja nur das Ausnahme-Regel-Verhältnis umgekehrt. Der Arzt verliere keineswegs seine Therapiefreiheit.
Warum der Kassenrabatt auf 6% erhöht werden solle, sei nie sauber begründet worden, auch nicht auf vielfache Nachfrage. Es sei beispielsweise auf angebliche Wirtschaftlichkeitsvorteile durch die Aut-idem-Regelung hingewiesen worden. Dann dürfte der Kassenrabatt aber nicht mehr erhöht werden, falls die Aut-idem-Regelung doch nicht zustande kommen sollte.
Doch wie das AABG am Ende auch aussehen werde, könne das Gesundheitswesen damit nicht gerettet werden. Es werde nur ein Zwischenschritt vor einer weiteren Gesundheitsreform sein. Denn es bringe nur kurzfristige Wirkungen und täusche politisches Handeln vor. Der Kampf um ein stärker wettbewerbsorientiertes Gesundheitssystem werde nach der nächsten Bundestagswahl erst richtig beginnen. Doch widerspreche zu starker Wettbewerb dem solidarischen Grundgedanken.
Umstrittener ABDA-Hauskauf
Neben der Gesundheitspolitik ging Graue auch auf den Kauf des Berliner Mendelssohn-Palais durch die ABDA ein. Manche, die zuerst dagegen waren, hätten bei der entscheidenden Abstimmung dafür gestimmt. Dabei ging es nur um die Entscheidung über dieses eine Objekt und kein anderes. Alternative Vorgehensweisen seien nicht mehr zur Abstimmung gestellt worden. Der Hamburger Apothekerverein habe mit neun anderen Organisationen dagegen gestimmt. Denn seines Erachtens würde eine Kopfstelle in Berlin ausreichen. Angesichts immer schnellerer Kommunikations- und Transportwege hätte der "Tross" bleiben können, wo er ist.
Viel Ärger in Hamburg
Vereinsgeschäftsführer Peter Brinkmann berichtete über die Tätigkeit der Geschäftsstelle, die wesentlich durch Retaxationen der Krankenkassen geprägt war, insbesondere hinsichtlich der Abgabe von Importen. Die Geschäftsstelle sei dadurch für andere Tätigkeiten zeitweise quasi "lahmgelegt" worden, doch konnte Brinkmann über zahlreiche Erfolge dieser Arbeit berichten.
Außerdem beschrieb er das Engagement Graues gegen den Anbieter des Produktes Navol, das als "Turbo-Fettkiller" beworben wurde. Die Art der Anpreisung habe deutlich gemacht, dass es sich bei dieser Zweckbestimmung um ein Arzneimittel und nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel handele. Dies sei mühsam auf dem Gerichtsweg durchgefochten und kürzlich auch vom Kammergericht Berlin bestätigt worden.
Auch gegen die BKK Hamburg, die ihren Versicherten den Arzneimittelbezug per Versandhandel empfohlen hat (siehe auch Bericht "Betriebskrankenkasse wird Werbung für DocMorris untersagt" in AZ 48, in dem auch über ein Zivilverfahren gegen die BKK Hamburg berichtet wird), gehen Graue und der Hamburger Apothekerverein vor. Demnach praktiziere eine Krankenkasse etwas, was sie nach Auffassung des wohl nicht zuständigen Bundesversicherungsamtes, aber auch nach Auffassung der wohl zuständigen Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales und nach dem Wortlaut von Gesetzen, Verordnungen und Verträgen nicht dürfe, beschrieb Brinkmann die Situation. Die übliche Kontaktaufnahme und die Zusendung einer Unterlassungserklärung führten nicht weiter.
Daher prozessiere der Hamburger Apothekerverein seit dem 15. Oktober vor dem Hamburger Sozialgericht gegen die BKK und warte auf eine einstweilige Anordnung. In Absprache mit dem DAV habe man sich für den sozialgerichtlichen Instanzenweg entschieden, da in der Vergangenheit verschiedene Zivilgerichte in anderen Städten bei vergleichbaren Verfahren ihre Zuständigkeit bestritten und die Verfahren an die Sozialgerichte verwiesen hatten. Außerdem habe Graue bereits am 10. Oktober Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden der BKK Hamburg gestellt.
Vorstandswahlen
Bei der Mitgliederversammlung waren turnusmäßig vier Vorstandspositionen neu zu wählen. Frau Köhler und Herr Töbing kandidierten nicht wieder. Für sie wurden Dr. Lutz Schehrer und Dr. Frank Stepke neu in den siebenköpfigen Vorstand gewählt. Ursula Dorle Barth und Götz Sieckmann wurden für vier Jahre wiedergewählt. Bei der konstituierenden Vorstandssitzung wurde Dr. Jörn Graue als Vorsitzender bestätigt. Götz Sieckmann wurde zum ersten und Dr. Lutz Schehrer zum zweiten Vorsitzenden gewählt.
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