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Reaktionen zum Gutachten des Sachverständigenrats: Konzeptionslos, gesundheit
Union: "Zur Chefsache machen"
CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte den Bundeskanzler auf, die Gesundheitspolitik zur Chefsache zu machen. Die Maßnahmen von Ministerin Ulla Schmidt brächten keine Einsparungen für die Krankenkassen. Versandhandel für Arzneimittel als Lösungsvorschlag hielt Wolfgang Lohmann für ungeeignet, die Probleme der Kassen schnell zu lösen.
Wie der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion am 7. Dezember meinte, bestehe eine Schwierigkeit beim Arzneimittelversand darin, Patienten dafür zu akquirieren. Gerade ältere Menschen hätten keinen Zugang zum Internet oder wenig Vertrauen in den Versand von Arzneimitteln. Hinzu kämen Kosten für die Einsendung des Rezepts und den Versand selbst. Zwar würden diese in Einzelfällen bislang von den Versandhändlern getragen, es sei aber fraglich, ob das bei einer allgemeinen Zulassung auch noch der Fall wäre, meinte Lohmann. Er nannte die vielstimmigen Äußerungen der letzten Woche einen Beleg für "die totale Konzeptionslosigkeit von Rot-Grün". Daher sei jetzt die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gefordert.
FDP: So nicht zukunftsfähig
Die FDP nannte die gesundheitspolitischen Pläne der rot-grünen Regierung "nicht zukunftsfähig". SPD und Grüne wollten die Patienten spätestens nach der nächsten Wahl entmündigen, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Dieter Thomae, in Berlin. In seinem Statement fand sich allerdings keine Stellungnahme zum Versandhandel.
Der Liberale plädierte für mehr Möglichkeiten für die Bürger, ihre Krankenversicherung über unterschiedliche Tarife und das Leistungspaket zu gestalten, sowie für Anreize für kostenbewusstes Verhalten wie Selbstbehalte bei gleichzeitigem Schutz vor Überforderung. Nötig seien zudem mehr Vorsorge für die demografiebedingten Lasten durch eine ergänzende Säule der Kapitaldeckung, aber auch frühe Vermittlung von Präventionsmöglichkeiten in Kindergärten und Schulen. Zudem sollte der Arbeitgeberbeitrag steuerlich neutral ausgezahlt werden, so der bekannte Vorschlag der FDP.
Gleiche Preise belassen
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sprach sich in Bonn gegen den Vorschlag der Sachverständigen aus, die so genannte Preisbindung der zweiten Hand aufzuheben, also für rezeptfreie Arzneimittel unterschiedliche Preise in den Apotheken zu ermöglichen. Es sei gesundheitspolitisch verfehlt, wenn zum Beispiel in einer Grippewelle plötzlich die Arzneimittelpreise nach oben schnellen. Darüber hinaus würde die Auswahl nicht unter medizinisch-therapeutischen, sondern ausschließlich unter Preisgesichtspunkten erfolgen. Durch die dann veränderte Wettbewerbssituation würde das Arzneimittelsortiment bedenklich eingegrenzt werden und sich das Angebot nur noch auf wenige Marktführer im Apothekensortiment beschränken.
Offen für Versand
Dem weiteren Vorschlag des Rates, den Versandhandel von Arzneimitteln zuzulassen, stehe der BAH offen gegenüber, so die Presseerklärung vom 7. Dezember. Versandhandel dürfe allerdings keine negative Auswirkung auf die Arzneimittelsicherheit haben. Wichtig sei weiterhin, dass die freie Preisbildung des Arzneimittelherstellers sowie der einheitliche Apothekenabgabepreis bestehen blieben und eine "Ausdünnung" des Apothekenangebots verhindert werde. Zudem müsse die wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch Apotheken, wie auch von Ministerin Schmidt gefordert, auf Dauer sichergestellt sein.
Begrüßt wurde vom BAH die Forderung der Sachverständigen nach der Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel. Dies würde die Kassen mit rund 3,5 Milliarden Mark jährlich entlasten.
VFA gegen neue Zulassungshürde
Eine marktwirtschaftliche Grundsanierung des Gesundheitssystems nannte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) "längst überfällig". Der Sachverständigenrat bleibe aber auf halben Wege stehen, kritisierte Cornelia Yzer am 7. Dezember in Berlin. Sie lehnte die vom Sachverständigenrat angeregte und von der Ministerin ebenfalls propagierte vierte Hürde - die pharmakoökonomische Bewertung neuer Arzneimittel - als überflüssig ab.
Neue Arzneimittel hätten im Rahmen der Zulassung ihre Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit bereits bewiesen. Ob der Preis eines Medikaments angemessen sei, habe sich im Wettbewerb zu entscheiden und nicht aufgrund eines Gremienvotums. Bereits heute sei die Zulassungszeit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) doppelt so lang wie in Großbritannien und bei der Europäischen Zulassungsbehörde EMEA, gab Yzer zu bedenken.
Generikaverband und BPI gegen aut idem
Der Deutsche Generikaverband vermisste die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten zu aut idem durch die Sachverständigen. Er warnte erneut vor der Einführung der generellen Substitution durch Apotheker, weil sie die Generikaindustrie gefährde.
Der Geschäftsführer des Verbandes Thomas Hummels verwies auf Unterschiede zwischen dem Aut-idem-Modell des Rates und dem des Bundesgesundheitsministeriums. Wörtlich heiße es im Gutachten: "Der Rat verkennt hier nicht, dass die Aut-idem-Regelung in einer Übergangsphase insbesondere bei multimorbiden, allein lebenden alten Patienten zu Schwierigkeiten des Arzneimittelmanagements führen kann".
Hummels kritisierte weiter, dass Ministerin Schmidt keine zeitliche Beschränkung für aut idem einführen wolle, sondern von einer Überprüfung nach zwei Jahren spreche. Er bedauerte, dass der Rat sich nicht auf die Befürwortung der prozentualen Zuzahlung habe einigen können. "Die prozentuale Zuzahlung fordern wir seit genau zehn Jahren, weil sie wirtschaftlich vernünftiges Verhalten belohnt," sagte Hummels.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sah sich durch das Sondergutachten in seiner Ablehnung der Aut-idem-Regelung bestätigt. "Leider verkürzt das Bundesgesundheitsministerium die Äußerungen des Sachverständigenrates in Sinn entstellender Weise", kritisierte BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans Sendler.
So befürworteten die Wissenschaftler in ihrem Gutachten zwar allgemein die Umkehr der Aut-idem-Regelung, knüpften daran aber zahlreiche Voraussetzungen. Nach Ansicht von Sendler sind diese Voraussetzungen mit dem Entwurf des Sparpakets nicht erfüllt. Es sei auch zu kurz gedacht, so Sendler weiter, Maßnahmen allein am Einspareffekt der Krankenversicherung auszurichten. So seit etwa der Vorschlag des vermehrten Erwerbs preisgünstiger Arzneimittel im Ausland bedenklich, solange die Struktur der Märkte nicht klar sei.
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