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Sachverständigenrat stellte Arzneimittelgutachten vor: Freie Preisbildung bei
Wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt auf einer Pressekonferenz am 7. Dezember zu den Kernpunkten des Gutachtens erklärte, sei es ein Ziel für sie, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auch im Arzneimittelbereich zu stabilisieren, aber gleichzeitig die Versorgung der Versicherten mit innovativen Therapiemöglichkeiten sicher zu stellen.
Vor diesem Hintergrund gehört zu ihren wichtigsten pharmapolitischen Zielsetzungen, eine pharmakoökonomische Bewertung von Arzneimitteln einzuführen. Ein innovatives Arzneimittel müsse, neben dem Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, auch einer pharmakoökonomischen Bewertung stand halten und einen höheren Preis im Vergleich zu bereits etablierten Präparaten durch einen Mehrwert belegen. Eine positive pharmakoökonomische Bewertung soll die Voraussetzung sein, dass ein neues Präparat erstattungsfähig ist.
Auch aut idem ein zentraler Punkt
Ausdrücklich nannte die Bundesgesundheitsministerin auch die Aut-idem-Regelung als zentralen Punkt. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass bei mehreren wirkstoffgleichen und therapeutisch vergleichbaren Alternativen die GKV eine der kostengünstigsten Alternativen erstattet. Die Aut-idem-Regelung soll ein Einsparvolumen von 450 Mio. DM bringen, wobei sie allerdings darauf hinwies, dass das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen das Einsparvolumen pro Jahr bereits heute auf 900 Mio. DM schätzt. Langfristig seien durch Struktureffekte wesentlich höhere Einsparungen als die genannten 450 Mio. DM zu erzielen.
Weitere Kernpunkte des Gutachtens
Der Volkswirtschaftler Prof. Dr. Eberhard Wille, stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion, trug Kernpunkte des Gutachtens vor, mit denen im Arzneimittelmarkt Einsparungen und mehr Wettbewerb erzielt werden sollen:
- Aufhebung der so genannten Preisbindung der zweiten Hand, zumindest bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln;
- Erleichterung der Aut-idem-Abgabe bzw. der Arzneimitteldistribution durch den Apotheker bei wirkstoffgleichen Präparaten;
- aufkommensneutraler Ersatz der preisabhängigen Apothekervergütung durch einen mengenorientierten Festzuschlag oder alternativ eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung mit kostengerechten Distributionsaufschlägen;
- partielle Erweiterung des Dispensierrechts;
- Erstattung von neu zugelassenen Arzneimitteln, insbesondere von Analogpräparaten auf der Grundlage pharmakoökonomischer Kosten-Effektivitätsstudien;
- Aufhebung des Versandhandelsverbotes;
- Senkung des Mehrwertsteuersatzes.
Darüber hinaus empfiehlt der Rat einige weitere Vorgehensweisen mit dem Ziel, Pharmakotherapie effektiver zu gestalten. Zu diesen Empfehlungen gehört:
- die Einschränkung der Verordnung von so genannten umstrittenen Arzneimitteln;
- die Verbesserung der pharmakotherapeutischen Qualifikation von Ärzten;
- die Integration der Arzneimitteltherapie in evidenzbasierte Behandlungsleitlinien;
- die Förderung der Compliance von Patienten durch mehr Kompetenz und Partizipation (u. a. durch eine aktivere Einbindung der Patienten in therapeutische Entscheidungen, verbesserte Schulungs- und Informationsangebote);
- die Intensivierung einer Versorgungsforschung, die Risiken und Nutzen von praktischer Pharmakotherapie unter alltagsnahen Bedingungen an hinreichend große Fallzahlen evaluiert.
Complianceprobleme bei aut idem "nur vorübergehend"
Wie aus Erläuterungen der Ministerin und von Vertretern des Sachverständigenrates weiter hervorging, sieht man die zur Zeit in der Diskussion problematisierten Complianceprobleme mit der Aut-idem-Regelung nur als vorübergehend an. Mit einer Aufklärungskampagne gegenüber Apothekern und Patienten ließen sich solche Probleme beseitigen. Die Apotheker nähmen bereits heute "Complianceaufgaben" wahr, worauf die Sachverständigen deutlich hinwiesen, insbesondere in der Selbstmedikation und bei Reimporten. Insgesamt müsse die pharmakologische Kompetenz der Apotheker stärker eingebracht werden.
Drehung und Versandhandel
Zu der vorgeschlagenen Drehung der Arzneimittelpreisverordnung, mit der preiswertere Präparate, insbesondere rezeptfreie Präparate verteuert würden, merkte Professor Wille an, dass derzeit die gesetzliche Krankenversicherung den OTC-Markt subventioniere, da die Handelsspanne bei OTC-Präparaten für Apotheken nicht kostendeckend sei. Die vorgeschlagene Aufhebung des Versandhandelsverbots müsse in Verbindung mit dieser Drehung der Arzneimittelpreisverordnung zu sehen sein, da eine Verbilligung der teuren Präparate das Problem der Rosinenpickerei entschärfe.
Bundesgesundheitsministerin Schmidt fügte an dieser Stelle hinzu, dass die Problematik mit dem Arzneimittelversandhandel in einer Weise gelöst werde, die auch auf Dauer die wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln durch Apotheken sicher stelle.
Beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitische Argumente, die gegen die geplanten Reformschritte wie z. B. aut idem angeführt werden, lassen die Sachverständigen nicht gelten. Dies sei kein Argument auf Dauer ineffiziente Strukturen zu festigen und die Solidargemeinschaft mit Kosten zu belasten. Zudem sei das Volumen der geplanten Maßnahmen nicht geeignet, Arbeitsplätze in der pharmazeutischen Industrie in größerem Umfang zu gefährden.
Auf die Frage nach dem Zeitplan, um solche Reformschritte umzusetzen, verwies Schmidt auf das Reformpaket 2003, das in die Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Bundestagswahl einfließen soll.
Die Aufhebung der so genannten Preisbindung der zweiten Hand bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gehört zu den Kernpunkten des Arzneimittelgutachtens, das der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen am 7. Dezember 2001 in Berlin vorgelegt hat. Das Gutachten spricht sich u. a. auch dafür aus, die pharmakoökonomische Bewertung von Arzneimitteln als vierte Hürde neben dem Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln als Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Präparate einzuführen.
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