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Sedativa und Antidepressiva: Phytopharmaka mit psychotroper Wirkung

Am 22. August 2001 fand in Salzgitter-Ringelheim der dritte Teil des Phytopharmaka-Fortbildungsseminars der Apothekerkammer Niedersachsen statt. Im Mittelpunkt standen Phytopharmaka mit psychotroper Wirkung. Mit dieser Thematik berücksichtigte die Apothekerkammer die steigende Akzeptanz pflanzlicher Sedativa und Psychopharmaka in der Therapie. Aufgrund der erst vor Kurzem erkannten Wechselwirkungen von Johanniskraut mit dem Cytochrom-P450-System besteht zusätzlicher Informationsbedarf. Es referierten Prof. Dr. Eilert aus Braunschweig und Dr. Friede aus Bremen.

Da die aktuelle Gesundheitspolitik zu einer Verschiebung psychotrop wirkender Arzneimittel von der Verschreibung in die Selbstmedikation führt, ist der Apotheker immer mehr gefordert, für seinen Patienten geeignete Medikamente aus diesen Indikationsgebieten auszuwählen. Wegen der Gefahr von Abhängigkeit und Gewöhnung bei der (Dauer-)Medikation von Psychopharmaka bietet sich als Alternative die Basistherapie mit Phytopharmaka an.

Normierung und Standardisierung

Zum Verständnis der aktuellen Phytopharmaka-Beurteilung ist eine Betrachtung der regulatorischen Vorgaben unerlässlich. Durch den Bühlerbrief des BfArM aus dem Jahre 1995 ist die Normierung, welche eine Einstellung auf einen konstanten Gehalt einer Inhaltsstoffgruppe vorsieht, in Deutschland nur noch in wenigen Fällen möglich. An die Stelle der Normierung ist nun die Standardisierung getreten.

Standardisierte pflanzliche Arzneimittel enthalten pro Dosis eine fixe Menge Extrakt – unabhängig von den Inhaltsstoffgruppen. Bei den psychotrop wirkenden Phytopharmaka ist lediglich bei Kava-Kava noch eine Normierung erlaubt, während zum Beispiel bei Johanniskraut sich künftig nur noch eine Deklaration finden wird, welche den Vorgaben für eine Standardisierung entspricht.

Für die Qualität eines Phytopharmakons sind natürlich an erster Stelle immer noch die verwendeten Ausgangsstoffe und Verfahren verantwortlich. Aus botanischer Sicht existieren bei den Arzneipflanzen große Unterschiede, welche sich im Falle des Johanniskrauts durch mehr als 100 unterschiedliche Sorten darstellen.

Auch ohne Züchtung gibt es bei vielen Pflanzen genetische Unterschiede. Arzneimittelhersteller berücksichtigen dies und fixieren die Anforderungen an die zu verwendenden Drogen – über die jeweiligen Arzneibuchmonographien hinaus – in den betreffenden Zulassungsunterlagen.

Natürlich ist auch das gewählte Extraktionsverfahren in Verbindung mit dem Extraktionsmedium entscheidend für den Extrakt mit seinem charakteristischen Muster an Inhaltsstoffen. Bei den etablierten psychotrop wirkenden Arzneidrogen sind inzwischen die geeigneten Extraktionsmedien bekannt, welche die Extraktion der gewünschten Inhaltsstoffgruppen reproduzierbar gewährleisten, z. B. bei Johanniskraut Alkohol-Wasser-Gemische.

Zulassungsstatus und Bewertung

Nach der zehnten Novelle des Arzneimittelgesetzes von 1976 existieren derzeit zwei unterschiedliche Zulassungsformen. Auf der einen Seite finden sich Arzneimittel, welche mit der "Zul.-Nr." dokumentieren, dass sie bereits nach den Vorgaben des 2. Arzneimittelgesetzes zugelassen worden sind. Dies können bewährte Arzneimittel sein, welche erfolgreich die Nachzulassung durchlaufen haben, aber auch neue Produkte. Eine dritte Untervariante sind die traditionell verwendeten Arzneimittel, die in ihrer Grundkonzeption nicht den Anforderungen an moderne Phytopharmaka entsprechen.

Auf der anderen Seite stehen Arzneimittel, welche das Nachzulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen haben. Im Einzelfall stehen hier Beurteilungen der zuständigen Behörden seit mehr als zehn Jahren aus – eine Situation, welche weder den Patienten noch den Apotheker noch den Arzneimittelhersteller zufrieden stellen kann. Eine Beurteilung der Präparate wird dadurch erschwert.

Die Bewertungskaskade nach Prof. Dr. Dingermann empfiehlt grundsätzlich zugelassene Arzneimittel. Dabei ist es unerheblich, ob für das betreffende Arzneimittel eine Zulassung in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vorliegt. Diese Sichtweise berücksichtigt, dass z. B. die Zulassungsbehörde in Schweden genauso gut die Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität eines Arzneimittels beurteilen kann wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn.

Sedativa und Antidepressiva

Psychotrop wirkende Arzneidrogen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: - Sedativa sind Baldrian (Valerianae radix), Hopfen (Lupuli strobulus), Lavendel (Lavandulae flos), Melisse (Melissae folium) und Passionsblume (Passiflorae herba). Von ihnen wird Melisse fast nur in Kombinationsarzneimitteln verwendet. - Mehr antidepressiv wirken hingegen Johanniskraut (Hyperici herba) und Kava-Kava (Piperis methystici rhizoma).

Die hier genannten Pflanzen besitzen charakteristische botanische Merkmale. Während Baldrian als Beispiel für die selten vorkommenden asymmetrischen Blüten dienen kann, ist für die Melisse eine Klausenfrucht charakteristisch. Die Kava-Kava-Pflanze wiederum hat die Besonderheit, dass sie in Kultur unfruchtbar geworden ist und nur noch über Stecklinge vermehrt werden kann.

Die Depression wird in den Industrienationen immer mehr als eine "Volkskrankheit" angesehen. Die intensive Grundlagenforschung der vergangenen 20 Jahre hat viele neue Erkenntnisse und Zusammenhänge bei diesem Krankheitsbild hervorgebracht, sodass heute auch eine Einordnung der Symptomenvielfalt und eine eindeutigere Klassifizierung der Schweregrade möglich ist.

Gerade bei Johanniskraut verbietet sich ein alleiniger Bezug auf die Monographie der Aufbereitungskommission E. Vielmehr sollte sich die Beurteilung an klinischen Studien des jeweiligen Arzneimittels orientieren. Liegen diese vor, kann klar erkannt werden, ob mit dem Präparat ein Therapieerfolg erzielt werden kann. Zu Johanniskraut sind allein zwischen 1990 und 2001 nach Medline mehr als 100 Publikationen erschienen, welche u. a. die Ergebnisse von fast 20 klinischen Studien vorstellen, die nach den höchsten Standards durchgeführt worden sind. Die intensive Forschung hat auch ergeben, dass die Festlegung auf einzelne Inhaltsstoffe nur extraktspezifisch erfolgen sollte. So gibt es sowohl Studien, die die Wirksamkeit von Hyperforin-reichen Extrakten in hohen Dosen belegen, als auch Studien, die zeigen, dass Hyperforin-arme Extrakte in geringerer Dosierung therapeutisch erfolgreich sind. Auch die anderen Arzneidrogen sind inzwischen klinisch erforscht worden; so liegen für Kava-Kava etliche erfolgreiche Studien zur Schlafförderung sowie zur Therapie von Depressionen und Angstzuständen vor.

Differenzialdiagnose

In dem Fortbildungsseminar wurde klar herausgestellt, wie wichtig Detailinformationen über die Krankheitssymptome des Patienten sind. Dies erfordert ein entsprechendes Hintergrundwissen bei dem Apotheker. Bei einer Schlafstörung ist es unerlässlich zu wissen, in welcher Häufigkeit, Ausprägung und zu welchem Zeitpunkt sie auftritt. Ein- und Durchschlafstörungen erfordern z. B. unterschiedliche Therapien. Nach einem vertraulichen Beratungsgespräch mit dem Patienten kann hier der Apotheker gezielt die geeignete Arzneidroge auswählen.

Für das kommende Frühjahr ist als Fortsetzung dieser Seminarreihe das Indikationsfeld Herz/Kreislauf/Venen vorgesehen.

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