Reaktion auf Lauterbach

„Ein Schlag ins Gesicht der Patienten und Heilberufe“

Berlin - 19.09.2024, 16:45 Uhr

Der Bundesgesundheitsminister will nichts von Lieferengpässen hören. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Der Bundesgesundheitsminister will nichts von Lieferengpässen hören. (Foto: IMAGO / dts Nachrichtenagentur)


Nachdem Bundesgesundheitsminister Lauterbach am Mittwoch versucht hatte, das Problem der Arzneimittellieferengpässe kleinzureden, veröffentlicht das Aktionsbündnis Patientengesundheit einen Gegenstandpunkt.

Am vergangenen Dienstag hatten sich Apotheker in der „Bild“ zu Wort gemeldet, um über die Tragweite der bestehenden Arzneimittellieferengpässe zu informieren. Tags darauf war in der „Bild“ dann zu lesen, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Lage einschätzt. Aus seiner Sicht geht es um „lediglich punktuelle Engpässe in einem komplexen Markt“. Patient*innen hätten „fast immer“ Zugriff auf wirkstoffgleiche Alternativprodukte.

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Auch Karl Lauterbach (SPD) meldete sich zu Wort: Er hat offenbar kein Verständnis für die dargestellten Schwierigkeiten der Apotheken. Nach seiner Darstellung konnten die Engpässe durch das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) bereits halbiert werden. 

Lauterbach redet Probleme klein

Bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung attestierte man dem Minister daraufhin in den sozialen Medien einen fortschreitenden Realitätsverlust. Am heutigen Donnerstag legte das „Aktionsbündnis Patientenversorgung“ nach. Dazu gehören der Hausärzteverband Nordrhein, der Verband medizinischer Fachberufe, der Freie Verband Deutscher Zahnärzte sowie der Apothekerverband Nordrhein.

Das Bündnis erklärt in einer Pressemitteilung, dass aktuell mehr als 500 verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht vorrätig oder nur mit Verzug lieferbar seien. Dazu zählen demnach Antibiotika, Antidepressiva, Asthma-Mittel, Insulin, Herz- und Krebsmedikamente und Schmerzmittel.

Erheblicher Mehraufwand durch Austausch

Beim Austausch fehlender Arzneimittel entstehe ein erheblicher Mehraufwand. So müsse nicht nur Zeit für die Suche nach geeigneten Substituten aufgewendet werden, eine Umstellung der Medikation erfordere zudem auch zusätzliche Beratung.

Vor diesem Hintergrund zeigte sich das Aktionsbündnis entsetzt über die Äußerungen aus dem BMG: „Die Lieferengpässe von Arzneimitteln sind eine bittere Realität in der täglichen Versorgung unserer Patienten. Die andauernden Beschwichtigungen aus dem Bundesgesundheitsministerium und auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach selber zeigen, wie fernab von der Versorgungswirklichkeit dort Gesundheitspolitik betrieben wird.“ Keineswegs hätten sich die Lieferengpässe, so wie behauptet wurde, seit dem letzten Jahr halbiert. Die Äußerungen von Lauterbach seien „unverantwortlich und ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Patienten und der Heilberufe“.

Pharmahersteller in die Pflicht nehmen

Neben Fehlern auf Seiten der Politik sieht das Bündnis auch die Pharmaindustrie in der Verantwortung für die bestehenden Engpässe. Aufgrund von Profit-Interessen sei die Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen verstärkt ins Ausland verlagert worden. Die Bereitstellung niedrigpreisiger Arzneimittel ohne Patent werde vernachlässigt, die Produktion stattdessen auf rentable Hochpreiser ausgerichtet. „Nur wirtschaftlich geprägte Interessen der Pharmahersteller gehen zulasten der Patientenversorgung.“

Bisher sei es vor allem der guten Zusammenarbeit zwischen den Arztpraxen und Apotheken zu verdanken, dass die fortlaufenden Lieferengpässe überbrückt werden konnten. Jetzt müssten auch die Hersteller stärker in die Verantwortung genommen werden, fordert das Aktionsbündnis Patientenversorgung. Die Ärzte, Zahnärzte und Apotheker stellten klar: „Sie können weder Lückenbüßer für Pharmahersteller, die Lieferverpflichtungen nicht nachkommen, noch für eine verfehlte Bundesgesundheitspolitik sein.“


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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