Grippe- und Corona-Impfung

Impfanamnese: Was müssen Apotheker fragen?

Stuttgart - 17.09.2024, 17:55 Uhr

Patientenfragebögen können Apotheker:innen ergänzend nutzen, sie ersetzen jedoch keine Impfanamnese. (Foto: ABDA)

Patientenfragebögen können Apotheker:innen ergänzend nutzen, sie ersetzen jedoch keine Impfanamnese. (Foto: ABDA)


Manche Apotheker:innen dürfen gegen Grippe und Corona impfen. Wichtig – auch aus rechtlicher Sicht – ist eine sorgfältige Impf­anamnese: Was müssen Apothekerinnen und Apotheker abfragen? Und können sie nicht einfach Patientenfragebögen dafür nutzen?

Im Impfen geschulte Apothekerinnen und Apotheker dürfen seit Oktober 2022 gegen Grippe und COVID-19 impfen. Der Herbst naht und mit ihm die Impfsaison für Corona und Influenza. Die Empfehlung, wer den Infektionsschutz standardmäßig erhalten soll, spricht die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) aus [1, 2]. 

Bevor sie in den Apotheken die Kanüle zücken, müssen Apothekerinnen und Apotheker eine sorgfältige Impfanamnese durchführen und überprüfen, ob der Impfling die gewünschte Corona- oder Grippe-Impfung überhaupt erhalten soll und darf. 

In der Apotheke dürfen Jugendliche ab einem Alter von zwölf Jahren und Erwachsene gegen SARS-CoV-2, sowie Jugendliche ab 18 Jahren und Erwachsene gegen Grippe geimpft werden. Apothekerinnen und Apotheker müssen zudem im Rahmen der Impfanamnese prüfen, ob die Person mit Impfwunsch laut den Empfehlungen der STIKO geimpft werden soll und ob Kontraindikationen bestehen.

Liegt eine STIKO-Empfehlung für die Person vor?

Die STIKO empfiehlt die jährliche Grippe-Impfung im Herbst

  • als Standardimpfung 
  • allen ab 60 Jahren – diese sollten einen Hochdosisgrippe­impfstoff (z. B. Efluelda®) erhalten – sowie
  • als Indikationsimpfung 
  • Schwangeren ab dem zweiten Trimenon, bei Grund­erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus, ab dem ersten Trimenon (Impfung beim Arzt, siehe unten),
  • allen Menschen mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung aufgrund eines Grundleidens (chronische Krank­heiten der Atmungsorgane, Herz- oder Kreislauf-Krankheiten, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus oder andere Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Grundkrankheiten, wie z. B. mul­tiple Sklerose, angeborene oder erworbene Immundefizienz oder HIV),
  • Bewohnerinnen und Bewohnern von Alters- oder Pflegeheimen,
  • Menschen, die – als mögliche Infektionsquelle – im selben Haushalt lebende Risikopersonen gefährden können,
  • Menschen mit erhöhtem beruflichen Risiko, wie medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr sowie Personen, die als mögliche Infektionsquelle die von ihnen betreute Risikopersonen infizieren könnten,
  • Personen mit erhöhter Gefährdung durch direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln [1].

Die STIKO empfiehlt die COVID-19-Impfung

  • als Standardimpfung (zum Erreichen der Basisimmunität = mindestens drei Antigenkontakte, einer davon am besten durch Impfung)
  • allen ab 18 Jahren bei unvollständiger Basisimmunität (< drei Antigenkontakte oder ungeimpft)
  • gesunden Schwangeren bei unvollständiger Basisimmunität (keine Impfung in der Apotheke),
  • als Auffrischimpfungen für alle Personen ab 60 Jahren jährlich im Herbst,
  • als Indikationsimpfung
  • ab dem Alter von sechs Monaten (Cave: Keine Impfung in der Apotheke bei Kindern unter zwölf Jahren) bei erhöhtem Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufgrund einer Grundkrankheit (z. B. chronische Erkrankungen der Atmungsorgane wie COPD, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus oder andere Stoffwechselerkrankungen, Adipositas, ZNS-Erkrankun­gen, wie z. B. chronische neurologische Erkrankungen, Demenz oder geistige Behinderung, psychiatrische Erkrankungen oder zerebrovaskuläre Erkrankungen, Trisomie 21, angeborene oder erworbene Immundefi­zienz, wie z. B. HIV-Infektion oder nach Or­gan­trans­plan­ta­tion, aktive neoplastische Krankheiten)
  • Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen,
  • Familienangehörigen und engen Kontaktpersonen von Menschen, bei denen eine COVID-19-Impfung vermutlich keine schützende Immunität bewirkt,
  • bei beruflicher Indikation, z. B. Personal in medizinischen und Pflegeeinrichtungen, vor allem bei direktem Patientenkontakt [2, 3].

Bestehen Kontraindikationen, die eine Impfung gegen Grippe und/oder COVID-19 ausschließen?

Eine Grippe-Impfung in der Apotheke ist kontraindiziert bei

  • einer schweren akuten Erkrankung,
  • einem fieberhaften Infekt (> 38,5 °C) und
  • bei Überempfindlichkeit gegen Bestandteile des Impfstoffes (vgl. Zusammensetzung in der Fachinformation) [5].

Nicht in der Apotheke geimpft und an die Ärztin bzw. einen Arzt verwiesen werden sollten Menschen mit

  • allergischen Reaktionen, hohem Fieber oder anderen ungewöhnlichen Reaktionen nach einer früheren Impfung. Impfstoffe auf Hühnereiweißbasis (z. B. Elfuelda®, Influsplit, Influvac®, Vaxigrip®) dürfen Patientinnen und Patienten mit einer Allergie gegen Hühnereiweiß, Gentamicin oder Neomycin nicht erhalten. In diesem Fall kann ge­gebenenfalls auf einen zellkulturbasierten Impfstoff (z. B. Flucelvax®) zurückgegriffen werden [4, 5].
  • geplanten operativen Eingriffen innerhalb der nächsten drei Tage,
  • Wirkstoffen in der Medikation, die die Blutgerinnung beeinflussen, z. B. Phenprocoumon,
  • Schwangerschaft,
  • sonstigen Umständen, die eine weitergehende ärztliche Beratung erfordern [5].

Wichtig für impfende Apothekerinnen und Apotheker ist zudem: Mindestabstände zu anderen Lebend- oder Totimpfstoffen müssen sie bei der Verabreichung von Grippe-Impfstoffen nicht einhalten [5].

Kontraindikationen für eine Impfung gegen SARS-CoV-2 in der Apotheke sind:

  • eine schwere akute Erkrankung,
  • ein fieberhafter Infekt (> 38,5 °C),
  • Überempfindlichkeit gegen Bestandteile des Impfstoffes (vgl. Zusammensetzung in der Fachinformation),
  • eine allergische Sofortreaktion nach der ersten Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff,
  • eine andere Impfung mit Lebendimpfstoff innerhalb von zwei Wochen vor und nach der COVID-19-Schutzimpfung (Notfallimpfungen ausgenommen),
  • im Fall von Nuvaxovid®: eine andere Impfung mit Totimpfstoff (Ausnahme Influenza-Totimpfstoff) innerhalb von zwei Wochen vor und nach der COVID-19-Impfung [6].

Nicht in der Apotheke geimpft und stattdessen an einen Arzt verwiesen werden sollten Menschen mit

  • allergischen Reaktionen, hohem Fieber oder anderen ungewöhnlichen Reaktionen nach einer früheren Impfung,
  • positiver Allergieanamnese,
  • geplanten operativen Eingriffen innerhalb der nächsten drei Tage,
  • Wirkstoffen in der Medikation, die die Blutgerinnung beeinflussen, z. B. Phenprocoumon,
  • Thromboseentwicklung nach der ersten Impfung,
  • Immunschwäche,
  • angeborenen und erworbenen Immundefekten,
  • schweren chronischen Erkrankungen,
  • Schwangerschaft,
  • einem Alter unter zwölf Jahren,
  • sonstigen Umständen, die eine weitergehende ärztliche Beratung erfordern [6].

Aktualisiert: Leitlinie Schutzimpfungen in öffentlichen Apotheken

Die ABDA hat ihre Leitlinie zur Qualitätssicherung „Durchführung von Schutzimpfungen in öffentlichen Apotheken“ sowie den dazugehörigen Kommentar zum 21. August 2024 aktualisiert.

Wenn Sie auf DAZ.online den Webcode Z4BS9 in die Suchfunktion eingeben, gelangen Sie direkt zu den Arbeitshilfen auf aktuellem Stand für die anstehende Impfsaison. Außerdem finden Apothekenteams dort Merkblätter, Formblätter, Checklisten und eine standardisierte SOP für die Impfung.

Impfpass-Check in der Apotheke

Sichergehen sollten Apothekerinnen und Apotheker zudem, dass der Mensch mit Impfwunsch in der Apotheke die geplante Impfung, z. B. gegen Influenza, für diese Saison noch nicht erhalten hat. Das mag zunächst abwegig klingen, doch nicht jeder weiß, wogegen er aktuell geimpft ist. Ein Blick ins Impfbuch hilft. Fehlt der Impfpass, rät das RKI dazu, Informationen zu früheren Impfungen aus ärztlichen Unterlagen zu ermitteln. Bei unbekanntem Impfstatus sei im Interesse der zu schützenden Person von fehlenden Impfungen auszugehen, erklärt das RKI weiter [7].

Nur Patientenfragebögen genügen nicht

Die Bundesapothekerkammer (BAK) rät: „Es ist in jedem Fall individuell zu beurteilen, ob der Patient bzw. die Patientin zum vorliegenden Zeitpunkt geimpft werden kann“, dabei seien die Impf- bzw. Genesungshistorie des Patienten zu berücksichtigen sowie die Hinweise in der Fachinformation des Impfstoffs [5, 6].

Können Apothekerinnen und Apotheker denn die Impfanamnese nicht einfach mithilfe von Patientenfragebögen durchführen? Nein. Patientenfragebögen können aus rechtlicher Sicht lediglich ergänzend eingesetzt werden, da das (ärztliche) Gespräch bisweilen als unverzichtbar gilt [8]. Die Impfanamnese gehört damit zur ehemals rein ärztlichen Impf­leistung dazu. Apothekerinnen und Apotheker sollten diese ernst nehmen und sie – wie auch den Akt des tatsächlichen Impfens – sodann von Ärztinnen und Ärzten übernehmen [4].

RKI: Anamnesebögen für die COVID-19-Impfung

Die Bundesapothekerkammer verweist jedoch – zumindest bei COVID-19-Impfungen – auf unterstützende Aufklärungsmerkblätter mit Anamnesebögen und Einwilligungs­erklärungen vom Robert Koch-Institut (RKI). Wenn Sie auf DAZ.online den Webcode A7HQ9 in die Suchfunktion eingeben, gelangen Sie direkt zu den Dokumenten. Diese richten sich zwar an den Impfarzt oder die Impfärztin, weswegen die BAK Apothekerinnen und Apothekern empfiehlt, „die Begriffe ,Impfarzt/Impfärztin‘, ,Ärztin/Arzt‘ und ,ärztlich‘ im Ausdruck handschriftlich mit ,Apotheker/Apothekerin‘ zu überschreiben“ [6].

Aufklärungsgespräch nicht vergessen

Apothekerinnen und Apotheker sollten die zu impfenden Kunden zudem gemäß § 35a Abs. 4 ApBetrO aufklären und

  • über den Nutzen der Impfung und die zu ver­hütende Krankheit informieren,
  • auf mögliche Nebenwirkungen, Komplikationen und Kontraindikationen hinweisen,
  • Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung empfehlen,
  • über Beginn und Dauer der Schutzimpfung informieren und
  • auf Auffrischimpfungen hinweisen [5, 6].

Literaturtipp

Apotheker impfen!

Mit Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes am 1. März 2020 fiel der Startschuss: Im Rahmen von Modellvorhaben können Apotheker ab sofort gegen Grippe impfen. Der niedrigschwellige Zugang zur Impfung in Apotheken bietet die Chance, die Impfquote gegen Influenza vor allem in den Risikogruppen zu steigern. Dass das funktioniert, haben unsere Autorinnen und Autoren während ihrer Tätigkeiten in Apotheken in Großbritannien und der Schweiz selbst erlebt. Nutzen auch Sie die Chance, neues pharmazeutisches Terrain zu betreten und gleichzeitig Ihren Kunden einen wichtigen Service zu bieten!

Mit dieser Arbeitshilfe bereiten Sie sich optimal vor:

  • Ein Apotheker und Jurist für Medizinrecht analysiert für Sie umfassend die rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei nimmt er auch Stellung zu Haftungsfragen, Notfallmaßnahmen und Versicherungsthemen.
  • Die Arbeitshilfe fasst zudem alle wichtigen Fakten rund um die Influenza-Infektion, die Impfstoffe sowie deren potenzielle Nebenwirkungen und Kontraindikationen zusammen und gibt praktische Hilfestellung für die Durchführung und Dokumentation der Schutzimpfung in der Apotheke. Dabei orientiert sie sich an der BAK-Leitlinie zur Grippeimpfung in öffentlichen Apotheken.

Das sind Ihre ganz speziellen, praktischen Helfer:

  • Fotodokumentation zur Durchführung der Injektion, inklusive Poster
  • QMS-Musterprozess
  • Muster-Infoblätter für Patienten vor und nach der Impfung
  • Anleitung zu Hygienemaßnahmen, zum Arbeitsschutz und zu Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Nadelstichver­letzungen
  • Musterformulare für Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisung
  • Muster-Notfallplan
  • Fallbeispiele zu Grenzsituationen in der Apotheke
  • Die Formulare finden Sie zum Download auf www.Online-PlusBase.de.

Martina Schiffter-Weinle, Dennis A. Effertz, Lars Peter Frohn

Grippeimpfung

Arbeitshilfe für die Apotheke

Unter Mitarbeit von Pamela Kantelhardt

Kartoniert, XII, 132 Seiten, 31 farb. Abb., 3 farb. Tab., 21,0 × 29,7 cm Downloadmöglichkeit auf Online-PlusBase; Posterbeilage, 1. Auflage, 36,00 Euro

ISBN: 978-3-7692-7616-9

Deutscher Apotheker Verlag 2021

E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Literatur

 [1] Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Influenza. Robert Koch-Institut, Stand: 1. August 2024, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/FAQ_Uebersicht.html

 [2] STIKO: Aktualisierung der COVID-19-Impfung. Robert Koch-Institut; Epidemiologisches Bulletin 2024, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/02_24.pdf?__blob=publicationFile

 [3] Anlage 1 (Impfung gegen COVID-19) der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach §20iAbsatz 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie) vom 22. August 2024, https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3548/SI-RL_2024-07-18_iK-2024-08-22.pdf

 [4] Schiffter-Weinle M, Effertz DA, Frohn LP: Grippeimpfung, Arbeitshilfe für die Apotheke, 1. Auflage 2021 Deutscher Apotheker Verlag

 [5] Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer zur Qualitäts­sicherung, Standardarbeitsanweisung: Durchführung der Grippeschutzimpfung in der öffentlichen Apotheke (Stand: 15.07.2024)

 [6] Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer zur Qualitäts­sicherung, Standardarbeitsanweisung: Durchführung der COVID-19-Schutzimpfung in der öffentlichen Apotheke (Stand: 15.07.2024)

 [7] Epidemiologisches Bulletin 2019;34:348, Robert Koch-Institut, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/34_19.pdf?__blob=publicationFile

 [8] Hellner, Arzt – Kranker – Krankheit, 1970:47; Hollmann, in: NJW 1973, 1393


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