Kommunikation

Couragiert Nein sagen – sieben Tipps für mehr Souveränität

20.08.2024, 07:00 Uhr

Nicht jedem fällt es leicht, Nein zu sagen. (Foto: Krakenimages.com / AdobeStock)

Nicht jedem fällt es leicht, Nein zu sagen. (Foto: Krakenimages.com / AdobeStock)


Es gehören Souveränität und Durchsetzungsfähigkeit dazu, klar und deutlich Nein zu sagen. Wenn die Apothekenleitung oder ein Teammitglied zu der Ansicht gelangt, Nein sagen zu müssen, sollten sie darauf gut vorbereitet sein, dieses Nein zu begründen und zu verteidigen.

„Nein spüren und Ja sagen ist ungesund“: So bringt es die Psychologin Amina Özelsel im Januar 2024 in einem SPIEGEL-Interview (Ausgabe 02/2024, S. 95) auf den Punkt. Es sei hilfreich, Nein sagen zu können, weil es „guttut, innere Klarheit zu haben und Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen. Es ist gesund, die eigenen Grenzen zu kennen und zu wahren.“ Dies führe zu höheren Zufriedenheitswerten in vielen Lebensbereichen.

Die Vorteile der Kunst des Neinsagens liegen auf der Hand. Es ist belastend und verursacht Stress, wenn man unliebsame und lästige Aufgaben übernimmt, nur, um als liebenswürdiger und hilfsbereiter Mensch wahrgenommen zu werden. Wer ständig Ja sagt, obwohl die innere Stimme Nein schreit, schadet seiner mentalen und physischen Gesundheit. Es ist also an der Zeit, dass sich das Apothekenteam in der Kunst des Neinsagens übt – zum Beispiel mithilfe der folgenden Neinsager-Tipps, die für Leitung und Mitarbeitende relevant sind und zu mehr Souveränität führen.

Neinsager-Tipp 1: Gründe analysieren

In einem ersten Schritt helfen analytische Selbstreflexion und die Beschäftigung mit der Frage weiter, warum es Apothekenleitung oder Mitarbeitenden so schwerfällt, Nein zu sagen, obwohl dies die einzig angemessene Reaktion wäre. Es geht dabei nicht darum, grundsätzlich Anfragen oder Anliegen abzulehnen, sondern nur diejenigen, die man aus guten Gründen nicht übernehmen kann oder will. Vielleicht liegen die Ursachen in der Sozialisation oder der Erziehung, in der nicht ganz freiwillig Glaubenssätze und Überzeugungen erlernt wurden, wie etwa: „Sei stets nett und zuvorkommend“ oder auch „Wenn eine Bitte an dich herangetragen wird, gehört es sich, ihr zu entsprechen“. Viele können sich nicht aus den Fesseln der eigenen Sozialisation befreien, wollen es jedem recht machen und haben die Befürchtung, mit einem Nein jemanden zu enttäuschen.

Eine andere Ursache könnte sein, dass es Menschen natürlich schmeichelt, wenn sie um Unterstützung gebeten werden. Dann tendieren sie dazu, zum Jasager zu mutieren, obgleich es zielführender wäre, auch einmal das konsequente Nein zu wagen.

Neinsager-Tipp 2: Angst vor den Konsequenzen des Neinsagens bekämpfen

Nehmen wir an, ein Teammitglied wird von der Apothekenleitung gebeten, eine Zusatzaufgabe zu übernehmen. Eine Zusatzaufgabe, die zeitintensiv ist. Welcher Film läuft nun im Kopf des Mitarbeitenden ab? Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird sich die Person die Frage stellen, welche Folgen eine Ablehnung für sie haben könnte: „Ob ich mir dadurch Nachteile einhandle? Was wird der Chef von mir denken? Wie wird er reagieren, wenn ich demnächst etwas von ihm möchte?“ Ein anderes Beispiel ist: „Wird mich die Kollegin nicht mehr mögen, wenn ich ihr die Bitte abschlage?“ Oft malen wir uns düstere Folgen aus, die dann doch nicht eintreten. Klug ist es zu hinterfragen, ob in ähnlich gelagerten Fällen die befürchteten Konsequenzen wirklich eingetreten sind.

Neinsager-Tipp 3: Individuelle Prinzipien festlegen

Wer den Gründen für die ewige Jasagerei auf die Spur gekommen ist, verfügt über ein Fundament, um sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen und diese dann gegebenenfalls aus dem Weg zu räumen. Das ist insbesondere bei durch die Sozialisation „eingeimpften“ Überzeugungen nicht leicht. Darum sollten Grundsätze festgelegt werden, um mit deren Hilfe zu entscheiden, ob im konkreten Fall eher ein Ja oder eher ein Nein die richtige Antwort ist. Im Mittelpunkt steht der Versuch, Grenzen zu ziehen, die die anderen nicht überschreiten wollen und dürfen, nach dem Motto: „Dies und das ist für mich noch akzeptabel, aber dieses und jenes nicht mehr.“ Natürlich sind diese Grenzen nur individuell und situativ festlegbar.

Wer seine Ziele kennt und weiß, was er – im Leben, im Beruf, in der Apotheke, in seinen Beziehungen und so weiter – erreichen möchte, kann diese Ziele als Entscheidungsmaßstab nutzen: „Wenn ich jetzt Ja – oder Nein – sage: Was bedeutet das für meine eigenen Ziele?“

Konkretes Beispiel: Ein Mitarbeiter hat sich die Kundenorientierung auf die Fahnen geschrieben. Nun wird eine Bitte an ihn herangetragen. Er fragt sich: „Entstehen Nachteile für meine Kunden, wenn ich das mache? Habe ich so weniger Zeit für die Kunden?“ Ist das eigene Ziel gefährdet, sollte er Nein sagen. Der Vorteil: Er kann dieses Nein nun auch begründen.

Neinsager-Tipp 4: Fremde Beweggründe einschätzen

Bei der Ja-Nein-Entscheidung sollten auch die Beweggründe des Gesprächspartners Beachtung finden: Verfolgt er damit lediglich eigennützige und egoistische Interessen? Geht er rücksichtslos vor? Droht die Gefahr, ausgenutzt zu werden? Oder bittet die Apothekenleitung ein Teammitglied um die Übernahme einer Zusatzaufgabe, weil es dafür stichhaltige und nachvollziehbare Gründe und eine zwingende Notwendigkeit gibt?

Neinsager-Tipp 5: Wertschätzend Nein sagen

Wie so oft macht der Ton die Musik. Wenn einer Bitte oder Anfrage das Nein folgen soll, kann man dieses Nein höflich zum Ausdruck bringen, es begründen oder dem Fragesteller eine Alternative anbieten: „Tut mir leid, zurzeit kann ich Ihnen da nicht weiterhelfen, aber vielleicht ist es ja möglich ….“

Andererseits gibt es durchaus Situationen, in denen es klüger ist, sich mit Begründungen für das Nein zurückzuhalten und konsequent vorzugehen: „Nein, das geht nicht“. Wer mit Begründungen arbeitet, bietet dem Gesprächspartner Ansatzpunkte, weitere Argumente vorzutragen: „Sie haben jetzt keine Zeit? Okay, vielleicht aber in einer Stunde. Ich frage dann einfach nochmal nach!“

Neinsager-Tipp 6: Nicht zu rasch antworten

Manchmal ist es richtig, sich Bedenkzeit auszubitten. Denn oft passiert es, dass wir einer Bitte oder Anfrage auf die Schnelle stattgeben, uns überrumpeln lassen und erst danach feststellen, dass das Ja nun zu Problemen auf einer anderen Ebene führen wird. Wenn jemand wirklich in einer Zwickmühle steckt und einen Kollegen um Hilfe bittet, wird er in der Regel nicht davon ausgehen, dass dieser sofort und mit Begeisterung zusagt. Im Gegenteil – er ist froh, wenn ihm der Kollege aus der Bredouille hilft. Darum sollte es kein Problem sein, um Bedenkzeit zu bitten, das Für und Wider abzuwägen und erst danach eine Entscheidung kundzutun.

Neinsager-Tipp 7: Preise vergleichen

Damit ist nicht das Preisgespräch im Kundenkontakt gemeint. Es geht darum, sich den Preis des Jasagens zu vergegenwärtigen: „Was genau sind die unmittelbaren, aber auch mittelbaren Folgen, wenn ich die zeitintensive Zusatzaufgabe übernehme?“ Ein wichtiger Aspekt dabei, der viel zu selten berücksichtigt wird: Wer zu einer Anfrage Ja sagt, sagt fast immer zugleich Nein zu etwas anderem: „Nein, ich kann doch nicht zu unserer Verabredung heute Abend kommen, ich habe in der Apotheke eine Zusatzaufgabe übernommen.“ Das bedeutet: Eine Ja-Nein-Entscheidung ist so gut wie immer auch ein Abwägungsprozess. Ein Abwägungsprozess, bei dem man immer auch die eigenen Interessen beachten sollte.


Dr. Michael Madel


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