Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

25.06.2023, 07:15 Uhr

Das Engpass-Gesetz kommt – es wird zwar kaum Engpässe beseitigen, aber uns Apothekers weniger Nullretax und weniger Präquali bringen. (Foto: Alex Schelbert)

Das Engpass-Gesetz kommt – es wird zwar kaum Engpässe beseitigen, aber uns Apothekers weniger Nullretax und weniger Präquali bringen. (Foto: Alex Schelbert)


Das Allerletzte: Weil es aufgrund von Lieferengpässen keine fertigen Fiebersäfte mehr gibt, haben Apotheken die verordneten Säfte selbst hergestellt, um die kranken Kinder versorgen zu können und jetzt will die IKK classic diese Arzneimittel nicht bezahlen. Der Retax-Grund: Auf dem Rezept fehlt die Dosierungsangabe! Krass, oder? Es wird höchste Zeit, dass das Lieferengpass-Gesetz – soeben vom Bundestag verabschiedet – solche Kassen-Maßnahmen unterbinden wird. Endgültig Schluss mit Retax! Und bitte niet-  und nagelfest, damit Kassen und ihre Retax-Dienstleister keine Retax-Schlupflöcher mehr haben. Und in wenigen Tagen soll das E-Rezept bundesweit kommen, mit Einlösung durch die elektronische Gesundheitskarte – verspricht die Gematik. Mehr als grotesk: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung meint, das gehe doch viel zu schnell und blockiert auch weiterhin das E-Rezept. Was für ein Theater! 

19. Juni 2023

Sitzen bei den Krankenkassen, insbesondere bei der IKK classic eigentlich noch Menschen in den verantwortlichen Positionen oder gibt es dort schon hirnlose KI-Roboter? Wie soll man sich die Nullretax-Forderungen sonst erklären, die diese Kasse an Apotheken verschickt, weil angeblich  die Dosierungsangaben bei den selbsthergestellten Fiebersäften fehlten. Mein liebes Tagebuch, das muss man sich mal vorstellen: Apotheken helfen in größter Not, stellen Kinder-Fiebersäfte selbst her (alles Manufaktur!) und die Kasse retaxiert auf Null, sprich: Sie bezahlt die abgegebenen Säfte nicht, nur weil eine schriftliche Dosierungsangabe fehlte. Unglaublich, unfassbar! Dabei haben die Apotheken bei der Abgabe der Rezeptur-Arzneimittel beraten und aufgeklärt, wie das Arzneimittel einzunehmen und zu dosieren ist. Es handelt sich um Beträge in Höhe von 20 oder 30 Euro für diese Rezepturen – wobei diese Beträge weit unter den Herstellungskosten der Apotheken liegen, d.h., die Apotheken haben hier eh schon drauf gelegt und jetzt bezahlt die Kasse gar nichts. Mein liebes Tagebuch, das muss in die Öffentlichkeit, in die Medien, in die BILD-Zeitung auf Seite 1, in alle Social-Media-Kanäle. Dazu muss man wissen, dass ja gerade der Sparwahn der Krankenkassen die Ursache dafür ist, dass es für viele Pharmahersteller nicht mehr rentabel ist, diese Fiebersäfte herzustellen, was zu den Lieferengpässen führt. Hans-Peter Hubmann, Chef des Deutschen Apothekerverbands bringt es auf den Punkt: „Es zeigt auch, wie wenig Menschlichkeit und Wertschätzung in den rund 100 Krankenkassen dieses Landes vorhanden ist.“ Mein liebes Tagebuch, eigentlich müssten wir schon wieder einen Protesttag einlegen – gegen Nullretax. Die Politiker müssen sehen, dass solche Nullretaxationen nur dazu da sind, den Apotheken zu schaden.

Übrigens, auf Nachfrage bei IKK classic teilt diese Kasse mit, dass man bei Retaxierungen „stets mit Augenmaß“ agiere (da schielt die Kasse gewaltig) und die „besondere Situation der Apotheken im Blick“ habe und dass man diese Vorgehensweise beibehalten werde. Mein liebes Tagebuch, allein schon wegen solcher verlogener Äußerungen gehört dieses Gebaren in die große Öffentlichkeit.

 

Ein Jahr laufen sie schon, die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen, aber zum Renner sind sie noch nicht geworden. Nur rund 4600 Apotheken haben im ersten Quartal 2023 solche Dienstleistungen erbracht und abgerechnet, sagt der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) des Deutschen Apothekerverbands, über den diese Leistungen ausgezahlt werden. Knapp 2 Millionen Euro haben diese Apotheken dafür erhalten. Mein liebes Tagebuch, angesichts der für solche Dienstleistungen in den Fonds eingestellten 150 Millionen Euro ist das bisher alles noch sehr überschaubar. Leider geht aus der Mitteilung des NNF nicht hervor, welche Dienstleistungen honoriert wurden, welche Leistungen besonders häufig erbracht werden. Und es gibt auch keine Angabe darüber, wie hoch der Betrag ist, der sich mittlerweile im Fonds angesammelt hat. Schade, ein bisschen mehr Transparenz täten da gut. Mein liebes Tagebuch, die jährlich vorgesehenen 150 Millionen Euro sind jedoch noch lange nicht erreicht. Es können also noch einige Apotheken mehr mitmachen – sie brauchen sich nicht zu sorgen, dass ihre Leistung nicht bezahlt werden kann.

 

20. Juni 2023

Das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) ist auf seiner Zielgeraden, die Regierungsfraktionen verständigen sich auf die letzten Änderungen, Ergänzungen und hoffentlich Verbesserungen. Auch wenn – und das ist bereits abzusehen – die Lieferengpässe mit diesem Gesetz wohl kaum eingedämmt oder aus der Welt geschafft werden, so ist dieses Gesetz für die Apotheken doch von Bedeutung, da es einige dringende Änderungen mit sich bringen wird. So sollen Apotheken auch weiterhin flexibel agieren können, wenn Arzneimittel nicht lieferfähig sind. Die großzügigeren Austauschregelungen für „nach Maßgabe des Rahmenvertrags (…) abzugebende“ Arzneimittel sollen nun mit kleinen Änderungen weitergelten. Es soll z. B. die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass eine Apotheke nur von einer vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlung beliefert wird – daher soll nur eine Verfügbarkeitsanfrage reichen. Vorgesehen ist mittlerweile auch ein Retaxschutz: Wenn die geforderten Verfügbarkeitsanfragen ganz oder teilweise fehlen, ist eine Retaxation für das abgegebene Arzneimittel ausgeschlossen. Keine Änderung wird es allerdings beim unsäglich niedrigen 50-Cent-Zuschlag geben, der fürs Management der Lieferengpässe vorgesehen ist. Mein liebes Tagebuch, erstaunlich, dass die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, die in Sonntagsreden immer das hohe Lied der unverzichtbaren Apotheken singen, sich hier nicht durchsetzen konnten.

Es gibt allerdings auch einige kleine Verbesserungen, die sich im parlamentarischen Verfahren ergeben haben. Den Anträgen zufolge sollen künftig Nullretaxationen wegen fehlender Dosierungsangaben nicht mehr möglich sein. Auch wenn das Ausstellungsdatum der Verordnung fehlt oder nicht lesbar ist, werden die Kassen nicht mehr retaxieren können. Darüber hinaus wurden drei weitere Fallgruppen ausgemacht, bei denen den Kassen die Retaxierungsfolter nicht anwenden dürfen. Mein liebes Tagebuch, tja, da wird sich z. B. die IKK classic, die gerade wegen solcher Retaxierungen negative Schlagzeilen macht, andere Schikanen für Apotheken einfallen lassen müssen. Außerdem sollen Apotheken, wenn Rabattverträge nicht eingehalten werden, künftig nur auf ihr Honorar verzichten müssen, den Einkaufspreis aber erstattet bekommen. 

Und endlich könnte es auch Verbesserungen bei der absurden Präqualifizierung für Apotheken geben: Für apothekenübliche Hilfsmittel soll künftig keine Präquali mehr notwendig sein. Lediglich für Hilfsmittel, deren Anpassung erweiterte handwerkliche Fertigkeiten erfordern oder die nicht zum üblichen Betrieb einer Apotheke gehören, wie zum Beispiel Blindenführhunde, sollen Apotheken die Präqualifizierung künftig noch beantragen müssen. Mein liebes Tagebuch, da wir Apothekers eher selten einen Blindenführhund verkaufen, werden wir mit diesen Einschränkung wohl leben können.


Noch ist sein Lieferengpass-Gesetz nicht in trockenen Tüchern, noch kämpft er mit seiner großen Krankenhausreform, da arbeitet Lauterbach bereits mit Hochdruck an neuen Gesetzesvorhaben, den Digitalisierungsgesetzen. Es geht dabei um das „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz), zum anderen um das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Neuerungen für Apotheken finden sich dabei vor allem im Digital-Gesetz. Mein liebes Tagebuch, richtig drollig ist das, wenn man sich bewusst macht, dass unser geliebtes E-Rezept noch immer nicht wirklich läuft und die elektronische Patientenakte (ePA) noch weit davon entfernt ist, in den Köpfen der Menschen angekommen zu sein. Macht nichts, die Digitalisierung muss vorankommen, zumindest auf dem Gesetzespapier. So heißt es auch im Referentenentwurf zum Digitalgesetz, dass die digitale Transformation konsequent weiterentwickelt und beschleunigt werden müsse, vor allem müsse sie einen „wahrnehmbaren Nutzen erzeugen“. Schön wär’s, mein liebes Tagebuch, aber dafür müsste der bisherige Digitalisierungs-Kladderatatsch erstmal ordentlich rund laufen. Jedenfalls zeigt sich Lauterbach wiedermal wild entschlossen, die vor sich hin dümpelnde elektronische Patientenakte (ePA), das E-Rezept und auch die Telemedizin voranzubringen. Die ePA jedenfalls soll für Versicherte freiwillig bleiben, sie bekommen sie zwar zugeteilt, können allerdings aktiv widersprechen oder sie einschränken, falls sie die ePA nicht nutzen wollen. Übrigens, Apotheken sollen sogar eine Vergütung für apothekerliche ePA-Leistungen erhalten (z. B. Aktualisieren des Medikationsplans in der ePA) – das war bereits Anfang 2021 vorgesehen; da die ePA allerdings bisher noch keine Bedeutung hat, ist man hier noch nicht weitergekommen. Und das liebe E-Rezept soll nun endlich auch besser nutzbar werden: Die E-Rezept-App der Gematik soll auch mittels der ePA-Apps von Krankenkassen genutzt werden können und Krankenkassen sollen eine eigene E-Rezept-App anbieten können (oh Schreck, mein liebes Tagebuch, das verspricht nichts Gutes). Aber es gibt auch leicht positive Ansätze. So soll eine neue Bestimmung verhindern, dass die sensiblen medizinischen Daten aus E-Rezepten in großem Umfang außerhalb der sicheren Telematikinfrastruktur (TI) zum Beispiel per SMS oder unverschlüsselter E-Mail übermittelt und gespeichert werden. Andererseits sollen informationstechnische Systeme zur Verfügung gestellt werden können, mit denen die E-Rezept-Token von der Ärztin oder dem Arzt an den Versicherten zur direkten Einlösung in einer Apotheke auch außerhalb der TI übermittelt werden können. Mein liebes Tagebuch, wie das zusammenpasst und wie sich das abgrenzen lässt, wird man noch sehen. Und noch was Neues für Apotheken ist vorgesehen: Apotheken sollen in Zukunft assistierte Telemedizin anbieten können, mit denen sie z. B. auch die Ärztinnen und Ärzte entlasten sollen, natürlich gegen eine Vergütung, die der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband vereinbaren sollen – was allerdings, mein liebes Tagebuch, mit Sicherheit nicht funktionieren wird, die Schiedsstelle lässt grüßen. Bis es soweit ist, wird allerdings noch ein Weilchen vergehen.

 

21. Juni 2023

Besser weniger geöffnet als für immer geschlossen – das dürfte einer der Gründe sein, warum die Apothekerkammern in einigen Bundesländern mit Zustimmung der Landesministerien den Apotheken erlauben, ihre Öffnungszeiten freier zu gestalten. Nach Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen haben auch die Kammern von Nordrhein und Westfalen-Lippe entsprechende Allgemeinverfügungen erlassen. In NRW beispielsweise dürfen die Apotheken „stärker auf die ortsüblichen Gegebenheiten im Versorgungsalltag eingehen“ und „Personal effizient einsetzen“. Samstags müssen dort die Apotheken nicht mehr öffnen. Von den restlichen fünf Werktagen müssen sie an vier Tagen nur noch sechs Stunden zwischen 8 und 20 Uhr und an einem nur drei Stunden geöffnet haben. Wenn kein Nachtdienst ansteht dürfen sie also 27 Stunden im genannten Rahmen frei verteilen. Mein liebes Tagebuch, das mag für die eine oder andere Apotheke mit Sicherheit eine Erleichterung sein, vor allem unter den Vorzeichen von Personalmangel. Und ja, bevor man vollkommen schließt, wäre dies eine Alternative, die man ausprobieren kann.

 

Hamburgs Apothekerkammer ändert ihre Struktur: Die Kammerversammlung, die bisher eine basisdemokratische Vollversammlung der Mitglieder ist, wird ab der nächsten Amtszeit durch eine Delegiertenversammlung ersetzt. Die künftige Delegiertenversammlung wird aus mindestens 25 Mitgliedern bestehen und zwei bis vier Mal im Jahr tagen. Der Vorstand der Kammer wird von 12 auf nur noch 5 Mitglieder verkleinert. Mein liebes Tagebuch, einige mögen die Abschaffung der Basisdemokratie bedauern. Die zuständige Behörde verspricht sich davon allerdings eine Professionalisierung der Arbeit und auch der Kammervorstand hofft, das es mit der neuen Struktur eine effektivere und verbindlichere Arbeit für die Delegierten geben wird.

 

22. Juni 2023

Lauterbach lässt nicht locker und bastelt weiter an seiner Idee, in Deutschland für viel Geld eine Parallelstruktur in der Gesundheitsversorgung aufzubauen: Es soll ein Netz von 1000 Gesundheitskiosken entstehen. Seit 2017 gibt es bereits einige Prototypen, z. B. drei in Hamburg.

Lauterbach geht davon aus, dass Menschen in Deutschland nicht überall die gleichen Chancen haben, ihre Ansprüche auf Beratung und Vermittlung von Angeboten der Prävention und der medizinischen Versorgung einzufordern. Außerdem sollen sie unbürokratische Hilfe bei der Klärung sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen erhalten. Diese Kioske sollen diese Lücken füllen. Ein teurer Spaß: Jeweils 400.000 Euro soll so ein Kiosk kosten, so die BMG-Kalkulation, finanziert von der gesetzlichen (74,5%) und der privaten Krankenversicherung (5,5%) unter Beteiligung der Kommunen 20%). Die Leitung von solchen Kiosken soll in den Händen einer Pflegekraft liegen, die zusammen mit weiteren Personen solche Beratungs- und Unterstützungsleistungen erbringen. Ein „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune“ (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG) soll diese Idee voranbringen, der

Referentenentwurf dafür liegt jetzt vor. Mein liebes Tagebuch, Lauterbach meint es also ernst mit seiner Idee und dies, obwohl die Kassen mehr als knapp bei Kasse sind. Aber damit nicht genug. Es sollen zudem Primärversorgungszentren gegründet werden, um den Mangel an Hausärzten zu begegnen, und diese Zentren sollen dann wiederum mit den Kiosken kooperieren. Und ja, mein liebes Tagebuch, die Apotheken spielen in Lauterbachs Kiosk-Hirngespinst natürlich keine Rolle, sie werden in dem Referentenentwurf überhaupt nicht erwähnt. Es ist schon wirklich seltsam: Da soll eine neuen teuere Parallelstruktur aufgebaut werden mit ärztlichen Primärversorungszentren und Gesundheitskiosken ohne die Apotheken und deren Rolle überhaupt zu erwähnen. Das lässt aufhorchen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening stellte bereits auf dem letztjährigen Apothekertag fest: „Statt in die Etablierung einer überflüssigen Parallelstruktur so viel Geld zu investieren, wäre es klüger, bestehende, niederschwellige Strukturen wie Apotheken zu stärken.“ Mein liebes Tagebuch, da können wir ihr nur zustimmen. Und was die Kiosk-Phantastereien auch zeigen: Lauterbach und sein Ministerium haben die Apotheken gar nicht auf dem Schirm.

 

23. Juni 2023

Ab sofort und unverzüglich! Jetzt aber wirklich, nein, kein Witz: Das Rezept soll nun wirklich flächendeckend kommen. Ab sofort soll der bundesweite Rollout des E-Rezepts beginnen. Das haben die Gesellschafter der Gematik beschlossen. Mein liebes Tagebuch, man mag es einfach nicht mehr glauben. Zumal doch eigentlich der neue Termin zur flächendeckenden Einführung erst der 1. Januar 2024 sein soll – so jedenfalls sieht es der Referentenentwurf für das Digitalgesetz vor. Die Gematik-Gesellschafter gehen nun davon aus, das die Apotheken eh schon seit letztem September startklar sind. Und weil ab dem kommenden Juli das E-Rezept auch mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) eingelöst werden kann, gebe es keinen Grund, länger zu warten., sagt die Gematik. Mein liebes Tagebuch, da sollten die Gematik-Gesellschafter doch bitte nochmal eben die Ärztinnen und Ärzte fragen, was sie dazu meinen. Nämlich nichts! Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kommt dieses Vorhaben immer noch (nach mehr als zwei Jahren) einer „Einführung des E-Rezepts auf Biegen und Brechen“ gleich. Man werde sich auch nicht dazu zwingen lassen, indem die Politik mit Sanktionen droht, wie im Digitalgesetz vorgesehen (Ärzte sollen Honorareinbußen fürchten müssen, wenn sie ihre Praxen nicht E-Rezept-tauglich machen). Mein liebes Tagebuch, man kann zum E-Rezept stehen wie man will: Dieses Theater, das die Ärzteschaft da aufführt, indem sie durch Trägheit, Blockaden und einer Antihaltung die Einführung des E-Rezepts immer wieder zu verhindern versucht oder zumindest verzögert, hat mittlerweile schon groteske Formen angenommen. Wenn man bedenkt, dass die Apotheken bereits seit Monaten E-Rezept-ready sind und schon lange ihre Hausaufgaben gemacht haben und auch mehrere Apotheken-Softwarehäuser das „Go“ melden, mutet die ärztliche Verweigerungshaltung schon mehr als seltsam an.

 

Eigentlich sollen Retaxationen mit dem kommenden Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) bald deutlich eingeschränkt werden. Dies sieht zumindest ein Änderungsantrag zu diesem Gesetz vor. Ob damit allerdings wirklich die ungerechtfertigten Retaxationen ein für allemal vom Tisch sind, da hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe seine berechtigten Zweifel. Es sei „schlicht illusorisch“, dass mit dem Gesetz „das generelle Problem“ gelöst werde, heißt es in einem offenen Brief dieses Verbands an den Bundesgesundheitsminister. Denn der Gesetzgeber habe seinen ausdrücklichen Willen, dass Kassen z. B. bei Formfehlern die Abrechnungsbeanstandungen unterlassen sollen, bereits 2015 beim GKV-Versorgungsstärkungsgesetz kundgetan, das Signal sei allerdings nicht bei den Kassen angekommen. Wie es im Brief weiter heißt, suchen die Kassen stattdessen mehr und mehr nach Fallstricken und Lücken, um die Apotheken zu sanktionieren, ohne Augenmaß und ohne den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Außerdem seien die Apotheken den Krankenkassen „nahezu wehrlos ausgeliefert, so der Apothekerverband, da Krankenkassen durch das System der nachgelagerten Rechnungskürzung Rückforderungen mit ausstehenden Zahlungen verrechnen könnten. Kritisiert wird auch, dass die Krankenkassen ihre Retaxationspraxis an private Dienstleister auslagern, Unternehmen, die teilweise zu Hedgefonds oder US-amerikanischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen gehören. Mein liebes Tagebuch, der Verband nennt die nachgelagerte Rechnungskürzung und die externen Dienstleister der Kassen „eine toxische Kombination“ – völlig richtig! Wenn also wirklich gesetzgeberische Regelungen kommen, um Nullretaxationen wirksam zu verhindern, dann müssen auch entsprechende Kontrollmechanismen eingeführt werden, „um das Vorgehen der Krankenkassen wieder in die Leitplanken zurückzudrängen…“. Mein liebes Tagebuch, die Bedenken und Forderungen des Apothekerverbands von Westfalen-Lippe sind ernst zu nehmen. Denn ihre Retax-Einnahmenquelle werden die Kassen mit allen Umgehungsstrategien und Finessen beibehalten wollen. Da müssen wasserdichte Formulierungen ins Gesetz!

 

Der Bundestags hat es verabschiedet: das Engpass-Gesetz oder auch ganz liebevoll und offiziell Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) genannt. (Da gilt die alte Regel: Je länger ein Gesetzesname, um so wirkungsloser.) Mitsamt allen Änderungsanträgen. Sehen wir es mal realistisch: Die Lieferengpässe wird das Gesetz nicht wirklich aus der Welt schaffen. Und so gibt es eine Reihe an Kritikpunkten von den Oppositionsfraktionen. Aus dem Blickwinkel von uns Apothekers gesehen, wird es ein paar kleine Verbesserungen geben, die allerdings zu kurz gesprungen sind und eher einer Mogelpackung gleichen, wie es CDU-Politiker Kippels kritisierte. Mein liebes Tagebuch, es wird ein bisschen verstetigte erweiterte Austauschregeln bringen, dazu vielleicht ein bisschen weniger Nullretaxationen, wenn denn die Kassen nicht andere Schlupflöcher finden uns zu sanktionieren, und etwas weniger Präqualifizierung. Das war’s. Geblieben sind die 50 Cent pro Engpass-Management – „sie sind und bleiben eine Missachtung unserer Arbeit“, kommentierte es ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Mein liebes Tagebuch, ja, die 50 Cent sind ein Witz für den Trouble, den uns die Lieferengpässe bereiten. Umso mehr müssen wir uns auf eine Erhöhung des Apothekenhonorars konzentrieren und sie einfordern. Und so geht’s weiter: Der Bundesrat wird das Gesetz am 7. Juli beraten, was allerdings keine Veränderungen bringen dürfte, da es für den Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Und dann könnte es zum 1. August in Kraft treten. Ein Meisterwerk ist es wirklich nicht.

Korrektur:Die Dosierungsangabe fehlte auf dem Rezept, nicht wie in der ursprünglichen Version geschrieben, auf dem Etikett  Wir bitten den Fehler zu entschuldige  

 


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Die Basis wird nicht mehr alles hinnehmen

von Dr. Radman am 25.06.2023 um 11:58 Uhr

….„Außerdem seien die Apotheken den Krankenkassen „nahezu wehrlos ausgeliefert, so der Apothekerverband“

Wer hat solche Verträge unterschrieben?. Die Basis sicher nicht. Ich empfehle den Verbänden und vor allem der ABDA, die Verträge vorher zu lesen, vielleicht auch der Basis öffentlich zu machen, bevor sie unterschrieben. Eins steht fest!, die Basis wird nicht mehr alles hinnehmen, was die Funktionäre im Hinterzimmern mit den Kassen auskaspern. Wir haben Alternativen, nämlich die „Freie Apothekerschaft“. Irgend wann sind wir groß genug um eigene Verträge mit den Kassen zu verhandeln.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Bombastisch!

von Ulrich Ströh am 25.06.2023 um 9:10 Uhr

Manche Kammerverantwortliche sprechen aktuell vom
-bombastischen- Erfolg des Protesttages im Juni…

Interessanter wäre zu erfahren,wie der mediale Druck in der Sommerpause hochgehalten werden soll, um endlich die Honorarerhöhung für Apotheken zu realisieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mein liebes Tagebuch

von Bernd Haase am 25.06.2023 um 8:54 Uhr

Die große Frage die bleibt ist.

Wie können die Mitarbeiter und Innhaber der öffentlichen Apotheken Ihre berechtigten Forderungen durchsetzen ?

Und zwar jetzt !

Wie es unsere ABDA Präsidentin so schön formuliert hat.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

erezept

von Beldowitz am 25.06.2023 um 7:28 Uhr

"Dieses Theater, das die Ärzteschaft da aufführt, indem sie durch Trägheit, Blockaden und einer Antihaltung die Einführung des E-Rezepts immer wieder zu verhindern versucht oder zumindest verzögert, hat mittlerweile schon groteske Formen angenommen"

Schade, dass das Tagebuch einfach so eine Bewertung über das Verhalten der Ärzte raushaut ohne zu erläutern, warum die Ärzteschaft das erezept blockiert. Schlechter Journalismus.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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