Nach lange bestehendem Lieferengpass

Versorgungsengpass bei Calciumfolinat – das sind die Alternativen laut DGHO

Stuttgart - 30.11.2022, 12:45 Uhr

Laut (DGHO) liegt das Herstellungsproblem bei Calciumfolinat bei „einem wichtigen Produzenten“ in Deutschland. (s /Foto: satyrenko / AdobeStock)

Laut (DGHO) liegt das Herstellungsproblem bei Calciumfolinat bei „einem wichtigen Produzenten“ in Deutschland. (s /Foto: satyrenko / AdobeStock)


Ein anhaltendes Produktionsproblem in Deutschland sorgt bei Calciumfolinat für einen Versorgungsengpass. Laut der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie ist die Zahl der betroffenen Patient:innen hoch. Wie kann diesen jetzt geholfen werden?

Bereits im November 2021 hat Hexal erstmals einen Lieferengpass für Calciumfolinat gemeldet. Im Februar dieses Jahres wurde Calciumfolinat laut der Lieferengpass-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auch bei der Firma Pfizer knapp. Im Mai begann der Engpass dann bei der Ever Valinject GmbH und der Hikma Farmaceutica (Portugal), im Juni folgten Fresenius Kabi Deutschland und Stadapharm. Während Fresenius laut der Engpassliste das Ende des Engpasses auf den 28. November 2022 prognostizierte, geht beispielsweise Hexal davon aus, erst im Juni 2023 wieder liefern können, Ever Valinject sogar erst im Oktober 2023. Sowohl Fresenius, Hikma als auch Pfizer geben zum Hintergrund des Engpasses Produktionsprobleme an. Stada schreibt von einem „CMO related issue“. CMO steht im Pharmabereich für „Contract Manufacturing Organization“, also einen Lohnhersteller.

Mehr zum Thema

BfArM-Beirat zur Versorgungslage mit Arzneimitteln

Aktuell relevante Liefer- und Versorgungsengpässe

Empfehlung der Fachgesellschaften veröffentlicht

Tamoxifen-Engpass in der 20mg-Dosierung

Wie seit vergangenem Freitag einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) zu entnehmen ist, liegt das Herstellungsproblem bei „einem wichtigen Produzenten“ in Deutschland. Bereits im August hatte die DGHO über den Calciumfolinat-Engpass berichtet, allerdings von einer „Entspannung beim Lieferengpass“ geschrieben. Demnach war bereits im Mai 2022 über einen drohenden Lieferengpass berichtet worden, dessen Hintergrund die Rückstellung einer Charge eines deutschen Herstellers „aufgrund von Bedenken bei der Qualitätsprüfung“ war. 

Zur Entspannung der Situation konnte Pfizer offenbar zunächst ein größeres Kontingent an calciumfolinathaltigen Arzneimitteln in griechischer Aufmachung in den Verkehr bringen. Man rechnete ab Herbst 2022 wieder mit der Belieferung durch den deutschen Hersteller. Doch nun meldet die DGHO, dass das Herstellungsproblem weiterhin nicht behoben sei. Damit verschärfe sich jetzt der Lieferengpass und werde zu einem Versorgungsengpass.

Importe von Calciumfolinat geplant

Wie die DGHO informiert, habe das BfArM angekündigt, dass in beschränktem Maße Importware aus dem Ausland über internationale Apotheken zur Verfügung steht. Auch hätten mehrere pharmazeutische Unternehmen kurzfristig Importe von Calciumfolinat geplant.

Da Calciumfolinat ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapiesteuerung bei hochdosierter Methotrexat-Gabe (vor allem bei lymphatischen Neoplasien und bei Sarkomen) und fester Bestandteil vieler 5-Fluorouracil-haltiger Therapieregime (5-FU) bei Adenokarzinomen des Gastrointestinaltrakts ist, hat die DGHO jetzt dennoch eine Stellungnahme veröffentlicht, wie mit dem Versorgungsengpass in der Praxis umzugehen ist. 

Alternativen für Calciumfolinat sind laut DGHO jetzt:

  • der Ersatz von Calciumfolinat durch Natriumfolinat
  • die Umstellung der Kombination 5-FU/Folinat auf Capecitabin
  • ggf. die Reduktion der Dosierung von hochdosiertem Folinat in 5-FU-haltigen Therapieprotokollen
  • ggf. das Drug Monitoring von 5-FU

Je nach Indikation müssen die verschiedenen Zulassungen und Leitlinien berücksichtigt werden. Dazu findet sich in der DGHO-Stellungnahme eine tabellarische Übersicht.

Capecitabin ist ein Prodrug von 5-FU und wird anders als die Calciumfolinat-Präparate oral gegeben. Deshalb könnten individuelle Kontraindikationen gegen den Einsatz bestehen. Insgesamt ist die Evidenzstärke für einen möglichen Austausch bei den verschiedenen Indikationen unterschiedlich, erklärt die DGHO.

Bei hochdosiertem Methotrexat gibt es keine Alternativen zu Folinat

Natriumfolinat und Calciumfolinat sind laut DGHO bioäquivalent. Bei hochdosierter Methotrexat-Therapie ist Natriumfolinat damit nicht nur die einzige mögliche Alternative, sondern hat sogar den Vorteil, dass es gleichzeitig mit 5-FU infundiert werden kann. Natriumfolinat sei aber vergleichsweise teuer. Dinatriumfolinat ist laut Lauer-Taxe in Oncofolic und Ribosofol enthalten.

Eine Dosisreduktion könne in Kombination mit 5-FU deshalb in Erwägung gezogen werden, weil es aus der palliativen Therapie des metastasierten, kolorektalen Karzinoms Hinweise gebe, dass hohe Dosierungen von Folinat im Bereich von 400 mg/m² oder 500mg/m² keinen Vorteil gegenüber einer Dosierung wie 200 mg absolut zeigen (keine weitere Steigerung der Wirksamkeit). Solche Entscheidungen seien jedoch individuell bzw. institutionell zu treffen.

Glucarpidase bietet Ausweg bei eingeschränkter Nierenfunktion

Schnelle Hilfe bei MTX-Vergiftung

Gentest vor einer 5-Fluorouracil-Behandlung soll Standard werden

Mehr Sicherheit in der Krebstherapie

Eine Bestimmung der Plasmaspiegel (Drug Monitoring) unter 5-FU-Therapie könne sinnvoll sein, weil es eine hohe Variabilität der Plasmaspiegel gebe. Das Drug Monitoring könne bei Unsicherheit über das Erreichen wirksamer FU-Spiegel eingesetzt werden.

Die Zahl der betroffenen Patient:innen ist laut DGHO hoch. Behörden und pharmazeutische Industrie müssten nun alle verfügbaren Ressourcen nutzen, um den Engpass zu beenden, heißt es.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.